Scena 3.

[96] Julius Antonius.


JULIUS. Schönste Sonne, was vor eine dunckle Wolcken umbneblet Euern holdseelichen Antlitz? Wischet nunmehro ab Euere zarte Thränen und befrolocket das Wohlsein Euers Herrn Vatters.

TULIA. (Wie sich der Nichtswürdige verstehlen kan!) Ich weis alles, und die würdige Belohnung Euerer Verdiensten ist schon erkisßen.

JULIUS. Von Lucio hab ich solches mit Vergnügung vernohmen, wischet ab die traurige Zähre von denen Purpurwangen und erlaubet, daß ich diese Handt küsße.

TULIA entzihet ihm solche. Sparet solches zur anderen Zeit. Der Vermeßene suchet mich zu bethören. Habt ihr meinen Erzeuger zur Flucht getreue Hilff geleistet?

JULIUS. Mit allen Fleis, und Lucius Scipio begleitete ihm noch bis an das nächst gelegene Gehölze.

TULIA. (Verlogner Böswicht!)

JULIUS. (Ihre Augen geben unter der Betrübnus ein Feuer der Rache zu verstehen.)

TULIA. (Du solst die Schuld des Vatters bezahlen.) Saget mir, was verdienet ein solcher, welcher eine Dame nicht allein zu hintergehen, sondern auch umb daß Leben zu bringen suchet, welche ihm doch iniglich liebet, auch sie des liebens werth ist?

JULIUS. Hierauf ist eine leicht Andwortt: Ein solcher verdienet mehr dann einen grausamen Todt. (Aber was will diese Frag bedeuten?)

TULIA. Ihr habt recht geandworttet, und zum Zeichen der Warheit überreichet mir Euer Schwerdt.

JULIUS. Mein Schwerd? und zu waß Gebrauch?

TULIA. Ihr solt es alsobald sehen.

JULIUS gibt ihr das Schwerdt. Hier ists.

TULIA. Nun, Verräther, bereithe dich zum Todt. Eben du bist derjenige, welcher mich hintergangen, welcher mich betrogen und meinen Todt zu befördern sucht.

JULIUS. Tulia, schönste Tulia, was beginet ihr? Ich ein Verräther?[97] Ich Eueren Todt befördert? Ich Euch hintergangen? Seid ihr, ô Schöne, der Sinen beraubet?

TULIA. Nein, Böswicht, ich bin nur bey allzu gesunder Vernnufft. Mache dich nur gefast, zur Gnade solstu von meinen Händen sterben.

JULIUS. Entdecket mir doch, in was ich Euch beleidiget, alsdann will ich gerne sterben.

TULIA. Rede nichts, genuch daß dich dieses, was allhier verborgen, Deutet auf den Sack. anklaget; du solst und must sterben.

JULIUS. Wohlan dann, so sterbe Julius, damit Tulia lebe; erkülle nur in meinen Bluth deine brennende Rache, ersättige dich an meinen Todt, durchstoße diese Brust und triumpfire über meine Unschuld. Ich sterbe vergnügt, schönste Tulia, so ich von deinen Händen sterbe.

TULIA. So sterbe dann! Lauffet hinzu und bleibet stehen, daß Gewöhr hernach wegwerffendt. (Ach vergebliches Wütten, wo die Liebe den Arm haltet!) Nehme hin dein verrätherisches Schwerdt und lebe zu deiner Quall. Doch damit du bestraffet werdest, fordere die Rache von dem Mörder dieses Entleibten, oder flihe mich auf ewig.

JULIUS. Deine Rache zu vergnügen bin ich bereith, entdecke mir nur solchen, ich schwöre bey der Allmacht des Himmels, mein Haubt nicht ehe sanfft zu legen, bis derjenige erleget, so dich beleidiget.

TULIA. Gehe dann hin, ermorde deinen Vatter, oder erwartte meinen Ewigen Haß! Ab und nimbt den Sack mit sich. NB. hinten zu und Thron gemacht.

JULIUS. Gehe hin, ermorde deinen Vatter, oder erwartte meinen Ewigen Haß. – Traume oder wache ich? Ist es eine leere Einbildung oder die Warheit, was ich gehöret? Ist Cicero todt, und mein grausamer Vatter hat es gethan, und ich solte abermahl der Mörder meines Vatters seyn? Ô ihr Götter, was hab ich geschworen, was hab ich gedacht, da ich mich verpflichet solches zu thun! – – Ô Vatter! Cicero! Sohn! Liebe! ô Tulia! wie verwihret ihr mich, in was für einen Labyrinth habt ihr mich gesetzt! Die blose Erinnerung machet mir das March in den Peinen[98] zerflisßen, ia die Seele selbst will schon ihren Wohnblatz verlasßen. – Nun bin ich nicht mehr Julius Antonius, nachdem ich aufgehört, ein Sohn des Marcus Antonius zu sein. – Ach, ihr verwihrte Sinnen, schaffet Rath! Aber ist man wohl schuldig, einen Schwur zu halten, welcher auf Laster gerichtet ist? Nein, nein! – Doch ia, nein, ia, ich bin es schuldig, sofehrn ich Tulia besitzen will. Aber ô Himmel, der Sohn den Vatter wegen einer zarten Liebe willen zu ermorden? – Eh, so lebe dann der Vatter und sterbe der Sohn! Will sich ermorden. Halte ein, unglückseelicher Julius, halte ein! Was nutzet aber mein Leben ohne Ergötzlichkeit? Doch ich will leben, der Zeit erwartten und es dem güttigen Himmel anheimbstehlen.


Brecht, brecht, ihr Augen, brecht in lauter Thränengüsße,

Ia, wann es möglich ist, in bluthbesträmbte Flüsße

Und zeiget aller Welt in meinen Beyspill an,

Was doch uns Sterbliche vor Unglück treffen kan.


Quelle:
Wiener Haupt- und Staatsaktionen. 2 Bände, Band 1, Wien 1908 und 1910, S. 96-99.
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