Zehnter Brief.

Fiekchen an Ernestinchen.

[71] Liebes Ernestinchen!


Kummervoll, aber doch vergnügt schreibe ich dir heute, da ich mich nun in L** befinde. Ehe ich dir aber diese fürtreffliche Stadt beschreibe, will ich dir lieber die Art meiner Rettung berichten, und meine Reise beschreiben.

Der Papa kam des andern Tagen zu mir, und kündigte mir an, daß ich den folgenden Morgen wandern müßte. Ich antwortete: »Ich werde eine gehorsame Tochter seyn.« – »Nun so ist's recht.« erwiederte er: und gieng, und schloß mich wieder ein. – »Ja hinten um, dacht ich: Herr Papa, wir werden schon ein Loch finden.«[72]

Wilhelm hatte mit mir abgeredet, mich in der kommenden Nacht zu erlösen, und mit mir zum Teufel zu gehen. Da zwischen meiner und seiner Kammer nur eine breterne Wand war, an welcher unsere Betten standen, so war es ihm leicht, den Tag über mit einem scharfen Schnitzer ein Stück auszuschneiden, daß ich bequem durchkriechen konnte, ohne daß man gleich das Loch wahrnahm. Mit größtem Schmerzen erwartete ich die Nacht. Sie kam, und Wilhelm legte sich in sein Bette, bis der Wächter elf rufte; da klopfte er mir. Ich zog mich hurtig an; packte alle meine Wäsche und Kleider in einen Bündel, schob den durch das Loch in seine Kammer, und kroch hinterher. Wilhelm zeigte mir eine Strickleiter, die er ans Fenster geknüpfet hatte. Ich gieng noch in meiner Mama Putzstube, machte den Schrank auf, holte mein Pathengeld, nebst einer Schweinsblase voll Beichtgroschen, und einem Schächtelchen ab, worinn einige[73] gute Ringe und silberne Schuhschnallen waren; und dann gieng's hop! hop! über das Fenster hinab, auf die Gasse.

Wir musten vor der Post vorbei, wo eben eingespannt wurde. Wilhelm frug den Postknecht, ob wir nicht blind mitfahren könnten? Er sagte: ja, wir sollten nur voraus gehen, und draußen hinter dem Galgenberge auf ihn warten. Wir hatten ihn bald erreicht, blieben aber eine gute Strecke davon stehen, und getraueten uns nicht näher; weil wir beim Mondenschein einen Dieb daran baumeln sahen. Wir klammerten uns voll Furcht aneinander an, und ich fühlte, da ich voll ohngefähr Wilhelms Pfeife berührte, daß sie so schlapp war, wie eingetauchtes Löschpapier. Ich frug ihn um die Ursache, und er antwortete, wie er sich seiner Sterblichkeit erinnere, und – der Beichtgroschen. – Ich verstand es, er meynte eine Staupbesen-Kollazion; ich that ihm aber dar, daß der Papa[74] nimmermehr zulassen würde, daß man geistliches Fleisch und Blut stäupte. – Indem kam der Postwagen; wir riefen, und er hielt still.

»Nun, steigt herauf!« sagte der Schwager. Der Wagen war ganz voll Passagiere, welche fluchten, als sie sahen, daß er uns noch mitnehmen wollte. Wir näherten uns: und da sie mich sahen, wurden sie sogleich höflicher, und Einer nahm mich auf den Schoß; Wilhelm aber mußte hinten im Korbe vorlieb nehmen.

Der, so mich auf dem Schoß hatte, schlug seinen Mantel um mich, und hielt mich vest, daß ich nicht auf den Vordersitz geworfen wurde. Er frug mich, wie ich hieße: und da ich ihm eine Nase gedrehet, sagte er mir, daß ich ein schönes Mädchen wäre; das mir sehr lächerlich that, daß der dumme Zipfel von meiner Schönheit sprach, da doch der Mond untergegangen,[75] und er mich im Finsteren nicht ansehen konnte.

Nach einer kleinen Weile grif er mir unter das Halstuch, stach sich aber in eine darinnen steckende Nadel. Er verbiß seinen Schmerz, und sagte nicht ein Wort. Dies erweckte mir Mitleiden: und weil ich ihm für meinen Sitz Erkenntlichkeit schuldig war; erleichtert' ich seine Mühe, und nahm die Stecknadel heraus. Er hatte nun freie Fahrd, und machte sich mit meinem Busen viel zu schaffen. Bald strich, bald drückt' er ihn; bald bedeckt' er den linken, bald den rechten Hügel; bald beide Brüste zugleich, und bald fuhr er in der Rinne zwischen beiden mit der Spitze der flachen Hand ganz gemächlich auf und nieder.

Währender Zeit war er auch mit der andern Hand nicht müßig. Er rückte mich, daß er die Schürze etwas vorbrachte und suchte den Schlitz: weil[76] aber der etwas enge war, und er größere Hände hatte, als Wilhelm; so riß er selben auf eine sehr geschickte Art in beiden Röckchen neben der Nahd hinab, mehr in die Länge; bis er bequem Eingang fand. Ich bemerkte überhaupt; daß der gute Herr schon oft dabei gewesen seyn müsse. Er zupfte nun an meinem Hemde: und weil ich es mit den Knien an den Vordersitz klemmte, so macht' ich die Füße gerade, und erleichtert' ihm auch diese Arbeit; worauf er es in drei Zügen in die Höhe zog, und seine gierige, zitternde Finger über meinen Venushügel, das beßte Grundstück was ich besitze, hinabglitschen ließ.

Erhielt sich nicht lange bei der Wolle auf, sondern suchte mir an's Fleisch zu kommen, und es setzte keine Schwierigkeit, und war für mich eine unbeschreibliche Kitzelwonne.

Ich befand mich auf meinem Sitze[77] so wohl, wie eine Fürstinn, bis ich endlich meinen armen Wilhelm hinten im Korbe laut seufzen hörte. Ich vermuthete, daß sein Seufzen vom schlechten Platze herrührte; dies machte mich so wehmütig, daß mir die Augen übergiengen, und ich laut zu schluchzen anfieng.

»Warum weinen Sie, Engel? fieng mein Gefährte an: – Vor mir dürfen Sie sich nicht schämen, denn Sie sind ja mein. – Ich liebe Sie wie meine Seele; und wenn Sie wollen, so heirathe ich Sie, und mache Sie zur glücklichen Frau.« Ich antwortete nicht, hielt aber dafür, wie gewöhnlich, ganz stille, als er mir etliche Küße auf den Mund drückte, auch das Pfand ewiger Treue hervor zog, und in meine Hand gab.

Mittlerweile brach der Morgen an, und wir hielten in der Stazion bei einem Wirtshause still, und stiegen ab.[78] Wilhelm kroch mit aus seinem Korbe hervor.

Er war von dem nächtlichen Nebel ganz erstarret, und schlich sogleich hinter den geheitzten Ofen, wo er sich auf die Bank setzte. Er rufte mich zu sich hin, und murrte gewaltig, weil er wollte gesehen haben, daß mich mein Schoßhalter geküßet hätte; aber ich log es ihm vor der Nase weg, nannte ihn einen dummen Schöps, und wußt' ihm das Maul so gut zu stopfen, daß er schwieg, und endlich von der Wärme gar einschlummerte.

Mich zwang nunmehr die Noth, einen Ort zu suchen, wo ich mein jungfräuliches Wasser ablassen könnte; und ich gieng in einen leeren Stall. Ich kauerte mich da nieder: aber kaum war ich fertig, so kam mein Reisenachbar von ohngefähr eben dahin. Er machte mir einige promte Karessen, und ließ mir die Röcke gar nicht mehr[79] hinunter thun, sondern zog seinen Bengel heraus, und wollte mir ihn ohne Umstände in den Leib schieben. Ich machte auch weiter keine Dizentes, und ließ mich gutwillig an die Wand lehnen. Da er aber ein großer starker Mann, und ich klein war, gieng es nicht, und er stach mir immer zwischen den Beinen durch.

Nachdem er sich und mich eine Weile vergeblich gemartert hatte, zog er mich hastig an einen daneben vom Boden auf die Krippe gelegten Streubaum; ermahnte mich zum Bücken, und mit den Händen darauf zu stützen; und drehete sich um mich herum, und fieng seine Arbeit von hinten an.

Kaum hatte er angesetzt, so fühlt' ich, daß er einen ganz entsetzlichen Kerl haben müsse, denn es war nicht anders, als ob mir ein jähriges Kalb mit der Schnauze in den Leib fahren wollte. Er konnte auch lange nicht damit[80] fort. Nach ohngefähr sechzehen langsamen und bescheidenen Zügen gelang es ihm endlich, daß er mein Innwendiges erreichte; und nun holte er weit aus, und pfropfte mich dermaßen, daß es mir durch Mark und Beine gieng, und ich alle Kräfte anwenden mußte, um nicht das Übergewicht zu bekommen. Welch Entzücken ich da empfand, kannst du leicht denken; aber ach! es wurde mir ziemlich versalzen.

Als wir in der besten Arbeit waren, bekam ich einen so jähen heftigen Stoß, daß ich über den Streubaum weg flog, und mich im Pferdemist überkollerte. O welche Szene, als ich mich umsah! – Ein großer Ziegenbock hatte sich mit den Hörnern in meines Geliebten Hosen, die ihm bis auf die Knie herunter hiengen, ganz verwickelt, und zappelte mit ihm im Stalle herum, ohne daß sich weder einer noch der andere helfen konnte. Der bestialische Bock[81] hatte sich in den Stall geschlichen, und weil er vermuthlich unsere devote Kruppe für etwas feindliches gehalten, meinen Reiter dermaßen auf das Hinterkastell gehutzet, daß ich davon über den Baum stürzte. Itzt wanderten sie beide mit einander zur Thüre hinaus, und es wäre gewiß für einen Vierten eine äußerst komische Szene gewesen, den Passagier mit nackichtem Poder, und den Bock mit gesenkten Hörnern in seinen Hosen zu sehen.

Ich wußte nicht, sollte ich weinen, oder lachen; aber das Lustigste kam erst. Kaum waren sie vor der Thüre, so stolperte mein Freund, und fiel sammt seinem Führer nach aller Länge in die Mistpfütze, in welcher eine Menge Kühfladen und Menschensatzungen herum schwammen. Der Bock arbeitete aus allen Kräften, um aus der Pfütze zu kommen, und brachte seinen Gegner immer noch tiefer hinein; bis ihm auf mein hierüber erregtes Geschrei[82] einige Leute zu Hilfe kamen, und vom Bock erlöseten.

Das erste, was er that, war, daß er hurtig, noch in der Pfütze die Hosen hinauf zog, und zuknöpfte; aber er hatte zugleich auch eine Parthie solcher schwimmenden Materialien mit hineingeschlagen, daß sie ihm unter den Kniegürteln hervorquatschelten, und er sich weder zu rathen, noch zu helfen wußte. Alles was in der Gaststube war, lief heraus, den armen Schelm zu betrachten, der wie ein Aas stank; für Schrecken außer sich war; und nicht wußte, ob er stehen bleiben oder entlaufen sollte. Einige hatten Mitleiden mit ihm, andere lachten. Sie fragten ihn, wie das zugegangen; erhielten aber keine Antwort. Ich stand von fernen, wie Petrus am Kohlfeuer, und dachte: – ich könnt' es euch am besten erklären – aber ich mußte mich selbst nach Wasser umsehen, mir die Hände und das Gesicht zu reinigen.[83]

Mittlerweile hatten sie ihn in eine Scheune geführet, und ich kam just vorbei, wie ihn ein Knecht auszog, und die Magd ein großes Schaff Wasser brachte, womit sie ihn wieder reinigten.

Er öffnete nun seinen Koffer, und kleidete sich um; worauf wir alle das Frühstück nahmen, und über diesen Zufall verschiedene Bemerkungen gemachet wurden, wobei es mir aber gar nicht zum Lachen war, und ich ganz stille schwieg. Wilhelm, der den ganzen Auftritt verschlummert hatte, wurde itzt hinter dem Ofen hervorgerufen, und genöthiget, mitzutrinken; und dann bestiegen wir den Postwagen wieder, und fuhren weiter: mein gesalbter Schoßhalter aber miethete sich eine Bauernfuhre, und nahm eine ganz andere Straße; wodurch ein Sitz erlediget wurde, der mir nunmehr glücklich zu Theil ward.[84]

Vergieb, theures Ernestinchen, wenn ich hier abbreche; da meine Reise ohnehin nichts merkwürdiges mehr enthält. Ich bin ohnausgesetzt


Dein Fiekchen.

Quelle:
Karl Timlich: Priaps Normal-Schule die Folge guter Kinderzucht. [München] [1971], S. 71-85.
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