Die Frau spricht

4. Lamento

[102] Der deutsche Mann

Mann

Mann –

das ist der unverstandene Mann.

Er hat ein Geschäft, und er hat eine Pflicht.

Er hat einen Sitz im Oberamtsgericht.

Er hat auch eine Frau – das weiß er aber nicht.

Er sagt: »Mein liebes Kind . . . « und ist sonst ganz vergnügt –

Er ist ein Mann. Und das

genügt.


Der deutsche Mann

Mann

Mann –

das ist der unverstandene Mann.

Die Frau versteht ja doch nichts, von dem, was ihn quält.

Die Frau ist dazu da, daß sie die Kragen zählt.

Die Frau ist daran schuld, wenn ihm ein Hemdknopf fehlt.

Und kommt es einmal vor, daß er die Frau betrügt:

Er ist ein Mann. Und das

genügt.


Der deutsche Mann

Mann

Mann –

das ist der unverstandene Mann.

Er gibt sich nicht viel Mühe, wenn er die Frau umgirrt.

Und kriegt er nicht die eine, kommt die andere

angeschwirrt.

Daher der deutsche Mann denn stets befriedigt wird.

Hauptsache ist, daß sie bequem und sich gehorsam fügt.

Denn er ist Mann. Und das

genügt.[102]


Der deutsche Mann

Mann

Mann –

das ist der unverstandene Mann.

Er flirtet nicht mit seiner Frau. Er kauft ihr doch den Hut!

Sie sieht ihn von der Seite an, wenn er so schnarchend ruht.

Ein kleines bißchen Zärtlichkeit – und alles wäre gut.

Er ist ein Beamter der Liebe. Er läßt sich gehn.

Er hat sie doch geheiratet – was soll jetzt noch geschehn?

Der Mensch, der soll nicht scheiden, was Gott zusammenfügt.

Er ist ein Mann. Und das

genügt.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 06.01.1931, Nr. 1, S. 11, wieder in: Lerne Lachen.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 9, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 102-103.
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