Den Tod Des Freyherrn Johann Friedrich von Cronegk beklagen Seine Freunde

[157] 1758.


Wir warteten umsonst, von Cronegks Tod zu singen,

Auf späten Trost entfernter Zeit:

Noch itzt umschattet uns, mit fürchterlichen Schwingen,

Die unbesiegte Traurigkeit.

Umsonst gelobten wir den schlafenden Gebeinen

Ein Lied, ein unvergänglich Lied:

Wir denken Cronegks Grab, und weinen,

Und jede Muse flieht!


O Grab des liebsten Freunds! O Cronegk, theurer Nahme,

Sonst unser Stolz, nun unser Schmerz!

Die Zeit, mit ihrem Trost, entwölkt von finsterm Grame

Nur unsre Stirn, nicht unser Herz.

Wir trauern schweigend fort, und haben Recht zu trauern:

Dein Herz war uns zu nah verwandt!

Muß doch die Menge Dich bedauern,

Die Dich nur halb gekannt.


Wenn sie, bey Deinem Grab, nur weil Du kurz gelebet,

Um Deine schöne Jugend weint,

Und Deine Gütigkeit mit nassem Aug erhebet;

Beweinen wir in Dir den Freund:[157]

Den Freund voll Zärtlichkeit, der mit Geschmack und Sitten

Ein liebenswürdig Herz verband,

Selbst litt, wenn seine Freunde litten,

Und selbst ihr Glück empfand:


Den Edlen, den Sein Herz mehr, als Geburt, geadelt,

Und keine niedre That entehrt;

Den kühne Schmähsucht selbst nur leis und schüchtern tadelt,

Nur bey dem Pöbel, der sie hört;

Der Tugend ächten Freund, doch einer sanften Tugend,

Die, von den Grazien geschmückt,

Umkränzt mit Rosen muntrer Jugend,

Durch stillen Reiz entzückt.


Nicht rauschendes Verdienst, das Nationen preisen,

Nicht Ruhm, erhitzter Ehrsucht Kind,

Das Herz macht unsern Werth bey aufgeklärten Weisen,

Die unsre wahre Richter sind:

Ein Herz, wie Cronegks Herz, das bloß aus Menschenliebe

Den Menschen wohl zu thun sich freut,

Und wenn es auch verborgen bliebe,

Das Gute nicht bereut.


Er gönnte schimmernd Glück, das Tausende beneiden,

Den Sclaven ungeliebter Pracht:

Sein Stolz war beßrer Art! Er hätte voller Freuden

Auch eine Welt beglückt gemacht.

Nur Freunde kannten Ihn und wußten Ihn zu schätzen:

Wir haben Ihn zu sehr gekannt,

Und Welten können nicht ersetzen,

Was uns das Grab entwandt!
[158]

Wenn Cronegk um uns war, o welche güldne Stunden!

O güldne Zeit, die schnell verstrich!

Hält nun ein dunkles Grab den leichten Scherz gebunden,

Der nie von Seinen Lippen wich?

Dieß glückliche Genie, das flüchtig, gleich dem Blitze,

Durch alle schöne Kenntniß flog,

Und Süßigkeit, mit scharfem Witze,

Von allen Blumen sog?


Sein reizend Saitenspiel, wo holde Lieder tönten,

Sonst unsre Lust, ist uns geraubt?

Die Musen liebten Ihn, mit frühen Lorbeern krönten

Die Musen ihres Lieblings Haupt.

Er sang mit Leichtigkeit und feuriger Empfindung,

Ein Schüler Gellerts und sein Freund,

Stets unerschöpflich an Erfindung,

Und allem Unsinn feind.


Er hatte, da durch ihn die Tugend lehren wollte,

Das hohe Trauerspiel erwählt:

Wir hofften daß an Ihm auch Deutschland haben sollte,

Was ihm vor andern Völkern fehlt:

Den griechischen Cothurn, den Schmuck der bessern Bühne,

Corneillens kühn erhabnen Geist,

Mit aller Anmuth des Racine,

Die uns zu Thränen reißt.


Umsonst! Melpomene weint, unter den Cypressen,

Um Cronegk, der so viel versprach.

Der Hain, in welchem Er oft neben ihr gesessen,

Seufzt ihre Klagen traurig nach.[159]

Die Musen gehn betrübt in einsamen Gesträuchen,

Und klagen: unser Freund ist todt!

O Musen, müssen wir euch gleichen?

Auch unser Freund ist todt!


Er ist auf ewig hin! verblühn so grosse Gaben

Noch ungereift und kaum gekannt?

Die Welt, wo Tugenden dieß rauhe Schicksal haben,

Regiert ein göttlicher Verstand?

Wir zweifeln? sollten wir das grosse Ganze kennen,

Dieß Ganze, das kein Auge mißt;

So würden wir nicht Fehler nennen,

Was regelmäßig ist.


Vermessen fragen wir nach jedes Zufalls Grunde:

Was unser Schöpfer will, ist gut.

Er wählt für unsern Tod die allerbeste Stunde,

Die vor des Schicksals Throne ruht.

Zwar wider die Vernunft will sich der Schmerz empören,

Der vor sich hin zur Erde schaut.

Wir müssen doch zuletzt sie hören:

Sie ruft uns allzulaut.


Sie sagt uns: Cronegk lebt in einer höhern Sphäre!

Wir glauben ihr mit Freudigkeit:

Wenn nicht sein beßrer Theil dem Grab entronnen wäre,

Wo wär ein Trost für unser Leid?[160]

Er lebt! in jene Welt der Geister aufgenommen,

Setzt Er sein Leben ewig fort:

Was hier zur Reife nicht gekommen,

Das reift und blühet dort.


So hangen Ewigkeit und unsre Zeit zusammen,

Durch einen fürchterlichen Pfad!

Was konnte Cronegks Geist mit Heldenmuth entflammen,

Der diesen Weg getrost betrat?

Wie? kann mit heitrer Stirn der muntre Jüngling scheiden,

Der, schimmernder Entwürfe voll,

Und aus den Armen aller Freuden,

Zum Grab entweichen soll?


Die drohende Gefahr schwebt' um den edlen Kranken:

Nun wog Er Ewigkeit und Zeit;

Und Seine Seele war voll würdiger Gedanken,

Gedanken der Unsterblichkeit.

Die Hoffnung sah erstaunt, in diesen ernsten Stunden,

Den jungen Weisen ihr entfliehn:

Die Erde war vor Ihm verschwunden,

Und Himmel war um Ihn.


Du Mutter unsers Freunds, die vor Ihm hingegangen,

Wo die gekrönte Tugend wohnt,

Und sterbend Ihn gelehrt, den Lorbeer zu erlangen,

Der wahren Heldenmuth belohnt:

Wenn du Ihn sterben sahst (den schönen Tod des Weisen

Sehn auch Unsterbliche mit Lust)

Wie glücklich mußtest du Ihn preisen,

Den du bewundern mußt!


Wie brannte nicht dein Herz, als, nach beglücktem Streite,

Dich dieser theure Sohn umfieng,

Und, selbst unsterblich, nun an einer Mutter Seite

Durch jauchzende Gerechte gieng?[161]

Du segnetest den Tod, der Ihn aus Finsternissen

Und Schlingen lockender Gefahr,

Zu einer bessern Welt entrissen,

Die Cronegks würdig war.


Sollt ungestümer Schmerz des Weisen Grab entweihen,

Der zur Unsterblichkeit gelangt?

Doch auch die Weisheit wird ein stilles Leid verzeihen,

Das nicht mit stolzen Thränen prangt.

Verzeih, Unsterblicher, die wehmuthvollen Thränen,

Die ein geliebter Vater weint!

Verzeih der Freundschaft zärtlich Sehnen

Nach Dir, dem besten Freund!


Wir sehn, um Mitternacht, in jene blaue Ferne,

Wohin die Tugend Dich erhob:

Wo bist Du? seufzen wir; auf welchem lichten Sterne

Besingst Du nun der Gottheit Lob?

Der Himmel hört entzückt die Harmonie der Lieder!

Du wirfst noch einen kurzen Blick

Nach unsrer dunkeln Erde nieder,

Und fühlst Dein ganzes Glück.


Wir singen Deinen Ruhm, und schildern fernen Tagen

Dein Herz und unsre Freundschaft ab.

Die Nachwelt müss' um Dich aus unsern Liedern klagen!

Sie streue Blumen auf Dein Grab!

Wir werden späte noch Dir manche Thräne schenken:

Auch wenn wir künftig uns erfreun,

Soll unsers Cronegks Angedenken

Uns immer heilig seyn!

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 157-162.
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