Horaz

[164] O du, der süsse Töne

Aus neuen Saiten zwang,

Und mit der feurigsten Camöne,

Die am Parnasse sang,

Sich in des Ruhmes Tempel schwang.


Sieh auf drey Freunde nieder,

O Flaccus! denn sie flehn:

Sie glühn, die Muse deiner Lieder

In ihrem Reiz zu sehn,

Den Scholiasten plump verschmähn:
[164]

Der mit geheimer Zierde

Den feinern Geist vergnügt,

Wann sie, mit immer gleicher Würde,

Bald unter Myrthen liegt,

Und bald im schnellen Sturmwind fliegt.


Sie schift mit starkem Flügel

In ungestümer Luft,

Wohin sie, vom geweihten Hügel

Und junger Bluhmen Duft,

Ein Taumel der Begeistrung ruft.


Erschein uns an dem Tage,

Der dir geheiligt ist!

Daß kein Unheiliger uns plage,

Der über Preußens Zwist

Den ganzen Helikon vergißt!


Schon hör ich deiner Leyer

Alkäisch edlen Ton!

Wer brennt nicht selbst von deinem Feuer!

Gebt Wein! Zu lange schon

Säumt Bacchus, der uns nie geflohn!


Mit jauchzendem Entzücken

Eil, eil er schnell herbey,

Voll Geists in feuervollen Blicken,

Voll einer Raserey,

Die keuscher Musen würdig sey!


Nicht schöner sah Lyäen

Dein holder Aufenthalt,

Auf Tiburs wasserreichen Höhen

Wo manch bejahrter Wald

Von deinem Namen widerschallt.
[165]

Weg, die sich weise dünken,

In strenger Weisheit Tracht!

Ich, ich will mit Horazen trinken,

Bis jeder Stern der Nacht

An seinem Orte funkelnd wacht.

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 164-166.
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