IV.

[186] Frritt!... Flacc!... dann lauter schon Frocc!... Frocc!... Frocc...

Durch das Toben des Sturmwindes tönen jetzt drei, schon mit entschiedener Hand geführte Thürhammerschläge. Der Doctor schlief. Er erwachte von dem Schall, aber in welcher Laune! Als das Fenster aufging, drang der Orkan gleich einem Kartätschenhagel in's Zimmer.

»Ich komme wegen des Kringelbäckers...

– Immer wieder dieser Unselige...

– Ich bin seine Mutter!

– Meinetwegen können Mutter, Frau und Tochter mit ihm zur Hölle fahren!

– Er hat einen schlimmen Anfall gehabt...

– Nun, so mag er sich wehren!

– Wir haben, fuhr die alte Frau fort, als Anzahlung auf unser Haus, das an den Reihefahrer Dontrup in der Messaglière-Straße verkauft ist, etwas Geld erhalten. Wenn Sie sich nicht erweichen lassen, zu kommen, wird meine Enkelin sehr bald keinen Vater, meine Tochter keinen Ehemann, und ich – ich werde keinen Sohn mehr haben!«...

Es war bedauerlich und schrecklich zugleich, die bittende Stimme der Alten zu hören, sich vorzustellen, daß der kalte Wind ihr das Blut in den Adern[186] erstarren ließ, daß der Regen ihr selbst die Knochen unter dem mageren Fleisch durchnäßte.

»Ein Anfall, der kostet zweihundert Fretzers! antwortete der herzlose Trifulgas.

– Wir besitzen nur hundertzwanzig!

– Dann gute Nacht!«

Und wiederum schloß sich das Fenster. Doch wenn man's recht überlegt – hundertzwanzig Fretzers für einen Weg von einundeinerhalben Stunde und einen halbstündigen Krankenbesuch – das macht immer noch sechzig Fretzers die Stunde – einen Fretzer die Minute; 's ist zwar nur ein geringer Profit, aber doch nicht ganz zu verachten.

Statt sich also noch einmal niederzulegen, schlüpft der Doctor in seinen dicken Flausrock, zieht sich große wasserdichte Stiefeln an, hüllt sich in seinen Mantel, stülpt den Schlapphut, der ihm die Ohren schützt, auf den Kopf und steckt die Hände in warmhaltende Handschuhe; die Lampe bleibt brennend auf dem Tische neben einem großen Buche stehen, von dem die Seite hundertsiebenundneunzig aufgeschlagen ist. Dann stößt er die Thür des Sechs-Vier-Hauses auf und sieht sich, auf der Schwelle stehend, um.

Die Alte ist noch da und lehnt sich, entkräftet von achtzig Jahren elenden Lebens, auf ihren Krückstock.

»Nun, die hundertzwanzig Fretzers?

– Hier sind sie, und Gott vermehre sie Ihnen hundertfältig!

– Gott! Geld von Gott! Hat schon je Einer gesehen, wie das aussieht?«

Der Doctor pfiff nach dem Hurzof, gab ihm eine kleine Laterne in's Maul und schlug den Weg nach dem Meere zu ein.

Die Alte trippelte ihm nach.

Quelle:
Jules Verne: Frritt-Flacc! In: Ein Lotterie-Los. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band LI, Wien, Pest, Leipzig 1888, S. 181–191, S. 186-187.
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