Neunzehntes Kapitel.
Epilog.

[260] Der Prozeß der Räuberbande der Donau ging im Aufflackern des russisch-türkischen Krieges fast unbemerkt vorüber. Die Flußpiraten waren mit Einschluß Titschas nach Rustschuk abgeführt, hier rechtskräftig verurteilt und kurzer Hand gehenkt worden, ohne die öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, die sonst auch bei minder tragischen Umständen eine solche Hinrichtung gefunden hätte.

Die betreffenden Verhandlungen hatten den Hauptbeteiligten aber endlich über vielerlei aufgeklärt, was für ihn bisher ganz unverständlich gewesen war. Serge Ladko wußte nun, infolge welcher Verwechslung er an Stelle Karl Dragochs auf der Schute gefangen gehalten worden war, und wie Striga, als er aus den Zeitungen von der Absendung einer Untersuchungskommission nach Szalka erfahren, sich in Ilia Bruschs Haus eingeschlichen hatte, um etwaige Fragen des Polizeikommissars aus Grau zu beantworten.

Ebenso wußte er jetzt, wie die von den Donauräubern entführte Natscha hatte gegen die Nachstellungen Strigas kämpfen müssen, der ihr,[260] überzeugt, seinen Feind niedergeschossen zu haben, unaufhörlich versicherte, daß sie Witwe sei. Vorzüglich eines Abends hatte Striga zur Bekräftigung seiner Behauptung der jungen Frau ihr eignes Bild vorgezeigt, das er nach Beseitigung des rechtmäßigen Eigentümers diesem mit Gewalt entrissen zu haben vorgab. Darauf war es zu einem sehr heftigen Auftritt gekommen, bei dem Striga sich zu den schlimmsten Drohungen hinreißen ließ, und das war die Ursache des verzweifelten Aufschreies Natschas gewesen, den der Flüchtling in der Nacht gehört hatte.

Das gehörte aber jetzt der Vergangenheit an. Serge Ladko gedachte nicht mehr der schlimmen Tage, seit er das Glück gehabt hatte, seine geliebte Natscha wiederzufinden.

Da ihm das Gebiet Bulgariens zu betreten verboten war, hatte sich das glückliche Paar nach den eben geschilderten Vorkommnissen zuerst in der rumänischen Stadt Giurgiewo niedergelassen.

Hier wohnten beide, als der Zar im Mai des folgenden Jahres der Türkei den Krieg erklärte. Es versteht sich wohl von selbst, daß Serge Ladko zu den ersten gehörte, die in das russische Heer eintraten, dem er in Folge seiner Kenntnisse des Operationstheaters wichtige Dienste leisten konnte.

Nach beendigtem Kriege und nach der Befreiung Bulgariens kehrte er mit Natscha in sein Haus in Rustschuk zurück und nahm seinen Beruf als Lotse wieder auf. Glücklich und geehrt leben dort beide noch am heutigen Tage.

Karl Dragoch ist ihr Freund geblieben. Lange Zeit hat er kein Jahr hingehen lassen, ohne wenigstens einmal die Donau hinunterzufahren und nach Rustschuk zu kommen. Gegenwärtig erlaubt ihm das immer weiter ausgebaute Eisenbahnnetz, diese Fahrt in kürzerer Zeit zu machen. Serge Ladko dagegen stattet ihm seine Besuche in Budapest immer noch nach einer gelegentlichen Stromfahrt mit allen ihren Unwegen ab, wenn er als Pilot tätig zu sein hatte.

Von den drei Knaben, die Natscha ihm geschenkt hat und die jetzt zu Männern herangewachsen sind, ist der jüngste, nach einer strengen Ausbildung unter der Leitung Karl Dragochs, jetzt auf dem besten Wege, die höchsten Stufen in der Justizverwaltung Bulgariens zu erklimmen.

Der zweitgeborne, ein würdiger Nachkomme des Preisträgers vom Donaubunde, hat sich dem Leben auf dem Wasser gewidmet. Manche Verbesserung[261] der Methoden des Fischfangs ist ihm zu verdanken, und anderseits verdankt er seiner Störfischerei nicht nur eine weitreichende Berühmtheit, sondern auch ein Vermögen, das noch recht beträchtlich zu werden verspricht.

Der älteste Sohn endlich wird der Nachfolger seines Vaters werden, wenn das Alter diesen einst zum Rücktritt veranlaßt. Auch er wird dann Dampf- und Segelschiffe von Wien bis zum Meere durch die zahllosen Windungen und zwischen den gefährlichen Sandbänken des großen Stromes dahingeleiten, mit und durch ihn wird sich die Rasse der Piloten von der Donau forterben.

Wie verschieden die Stellung der drei Söhne Serge Ladkos aber auch ist im Herzen stimmen sie doch alle getreulich überein. Vom Leben auf verschiedene Wege gedrängt, begegnen sie einander doch stets in dem einen: in derselben Verehrung für ihren Vater, der gleichen Zärtlichkeit gegenüber ihrer Mutter und der glühenden Liebe für ihr Vaterland Bulgarien.


Ende.

Quelle:
Jules Verne: Der Leuchtturm am Ende der Welt. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band LXXXVIII, Wien, Pest, Leipzig 1906.
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