Scena sexta.

[254] Sündt, Todt, Gesetz, Sathan.


SATHAN.

Ihr lieben gselln, kompt herzu!

Wie dünckt euch umb Cayn nu?

Der ist vorzweiffelt gantz und gar,

Ist unser mit seel, leib vorwar,

Der werden auch wol komen mehr.

SÜNDT.

Das wer meins hertzens groß beger,

Ich wil darzu mit aller krafft

Helffen, das ich sie breng inn hafft,

Schwerlich mir imts entrinnen sal.

TODT.

Ich hoff, ich krieg sie alzumal

Mit schrecken meiner grausamkeit.

SATHAN.

Darzu so bin ich gantz bereidt,

Ich weis ihr schon ein große zal,

Seint Cayns gschlecht allzumal,

Vorstehn und wissen nichts von Gott

Noch von seinem wort gantz fru und spot,

Thun inn aller bosheit leben,

Wider auff Gott noch menschen geben,

Inn wollust seindt ersoffen gar,

Drumb seind sie al inn unser schar.

GESETZ.

Lieber gesel, das wer wol recht,

Es ist auch do ein ander geschlecht,

Das seint die fromen und alten,

Predgen Gots wort mannichfalten[255]

Und gleuben dem gantz starck und vest,

Trösten sich des auffs aller best

Alzeit inn gutem und bösen,

Warten, eins sol sie erlösen,

Als ihr habt von Adam vorston,

Der wartet auff des weibes son,

Durchs selbe wort und glauben rein

Ist er erhalten, al die sein,

Die ihm das vest gegleubet han,

Zwey tausent jar gar mancher man.

SÜNDT.

Lieber, besorg dich nicht so sehr!

Der ungleubigen werden mehr

Allezeit sein auff dieser welt,

Dann ydem sein natur gefeldt,

Ider wert mehr achtung han

Auff sein vormögen, Gott vorlan.

Darzu wert auch der mensch nicht vil

Noch Gottes wordt und seinem wil

Fragen, es ist zu kurz gefast,

Hat vor der welt kein schein noch glast.

Darumb die menschen alzeit werden

Viel mehr fragen hie auff erden

Noch zeitlich gudt, hoffart und bracht,

Wollust und freud haben inn acht,

Und ob sie schon zur zeit dencken

An Gott, wenn ich sie thu krencken

Und ihr gewissen werde beißen,

So werden sie sich stetz fleißen

Mit falschen wercken, Gottes dienst,

Als yder erdenckt, mit gewinst

Gott zu vorsünen ins himels tron,

Damit sie mir, der sündt, entghon.

Doch wert das alles helffen nicht,

Kan nicht bestehn vor Gots gericht,

Wie du an Cayn hast gespürt,

Auff sein nachkomen hat gefürdt,[256]

Lamech, der ihn erwürgen thet,

Und seine kinder, die er het.

Der erste, Jabal, auch stetz war

Zu zeitlichem guth grüstet gar;

Thubal Cayn, der ander Son,

Der wart von stundt ein krigesmon,

Eisen und ertz erfunden hat

Zum streit bequem alzeit, vorstat;

Der dritte, Jubal, hat erdacht

Harffen und pfeiffen hat gemacht

Zu seiner wollust und zur freudt;

Sein schwester Naema hat bereidt

Seiden sticken, wirken, nehen,

Damit viel hoffart ist geschen.

Das seind al kinder dieser welt.

GESETZ.

Dargegen seint auch dargestelt

Gottes kinder eine kleine zal:

Adam, Seth, Enos, Kenan, Mahalaal,

Jaret, Henoch, Mathusala,

Der Lamech, darzu auch Noha,

Ihre kinder, den sie mit fleis

Geprediget haben, wie ich weis,

Gottes wort gantz hell und klar

Und seind dadurch erhalten gar.

SÜNDT.

Das hat mit ihn gewerdt nicht lang,

Hat bald gehabt sein untergang.

Als sich die menschen theten mehrn,

Begunten die kindt Gottes begern

Die Töchtere der menschen baldt,

Sie waren hüpsch und wol gestalt,

Namen sie an allen bescheidt

Zu weiberen, wart Gott so leidt[257]

Und sprach: hinfürder der geist mein

Der wirdt nicht ummer richter sein

Under des menschen fleisch und bludt.

Darumb ihn Gott auch hilt zu gudt

Gantze hundert und zwentzick jar,

Wolt sie darnoch erseuffen gar.

Mit fleis ihn Noha solches sag

Und hat darüber grosse klag,

Halff alles nicht zur selben zeit,

Mit allen menschen kams so weit,

Das der fromen nicht bliben mehr

Dann acht personen ungefehr,

Welche thet Gott erhalten schon,

Die gantze welt must unterghon

Noch tausent und sechs hundert jar

Sechs und funfftzig, sag ich vorwar.

GESETZ.

Ja, gesel, das ist auch also,

Doch so bleib auch Noha do

Vor Gott gerecht und seine sön,

Die thet Gott segenen gantz schon

Und macht mit ihn zur selben stundt

Auch gar bald einen newen bundt,

Das er die welt nicht wolte lan

Hinforder durchs wasser vorgan,

Und gab ihn des ein zeichen dar,

Den Regenbogen schön und klar,

Sein gnad sie solten dabey spürn,

Sie aus aller not zu fürn,

Das gleubten sie aus hertzen grundt,

Würden erhalten zu der stundt.

SÜNDT.

Das werd bey ihn ein kleine zeit,[258]

Dann als do inn der welt so weit

Nicht mehr dann vier menschen wehren,

Do thet ich mich bald zu ihn keren.

Als Noha ein ackerman wardt

Und pflantzet wein zur selben fart,

Tranck des weins, das er entschlieff,

Balt Ham zu seinem bruder lieff,

Sprach: kompt, seth, wie der vater leidt

Auffgedeckt! die beid namen ihr kleidt,

Bedeckten do den vater schon.

Sem, Japhet solches haben thon,

Wurden vom vater benedeidt,

Der Ham aber vorfluchet weit,

Von welchem hernoch seind komen

Ein gros geschlecht, hab vornomen,

Ins landt Sinear, ich vorsthe,

Nimroth der gwaltig und auch mhe.

Die wurden eins zur selben stundt,

Das sie auch baweten aus dem grundt,

Ein grossen thurm sie richten an,

Bis an den Himel solt er gan,

Ein grossen namen sich zu machen,

Noch hoffart stünden ihre sachen.

Das thet ihn Gott ghar baldt weren

Und ihre sprach gantz vorkeren,

Des wurden sie zustrewt zu handt

Von Babel weit inn alle landt.

Aus diesen al auch worden seindt

Wenig from, wie das klar erscheindt

An vielen, ich habs vornomen,

Die inn unser reich seint komen.

GESETZ.

Es haben Noa und sein beidt sön,

Sein, Japhet, Gott gedienet schon

Im glaubn rein und gutem leben,[259]

Gott allzeidt sein ehr gegeben,

Mit opffer beweist den glauben zart,

Wies Gott gefiel zu aller fardt.

SÜNDT.

Das hat bey ihn nicht lang gewert,

Bis inn Chaldea seint vorkert

Die opffer und recht Gottesdienst,

Im fewr haben ihren gwinst

Bey Gott gesucht und angebedt,

Bis das sie aus derselben stet

Vil abgötterey grichtet an.

Derhalb nam Gott auch baldt darvan

Thara, Abram und auch den Loth,

Zeigt ihn rechten dienst und gebot

Noch zwey hundert neuntzick jar

Von der Sintflus, sag ich vorwar.

Quelle:
Dramen von Ackermann und Voith. Tübingen 1884, S. 254-260.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Prinzessin Brambilla

Prinzessin Brambilla

Inspiriert von den Kupferstichen von Jacques Callot schreibt E. T. A. Hoffmann die Geschichte des wenig talentierten Schauspielers Giglio der die seltsame Prinzessin Brambilla zu lieben glaubt.

110 Seiten, 4.40 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon