Dritte Szene

[287] Allmählicher Tagesanbruch. Zwei Wächter blasen vom Turm das Morgenlied, von einem entfernteren Turme hört man antworten. – Friedrich, nachdem er den Ort erspäht, der ihn vor dem Zulaufe des Volkes am günstigsten verbergen könnte, tritt hinter einen Mauervorsprung des Münsters. – Während[287] die Türmer herabsteigen und das Tor erschließen, treten aus verschiedenen Richtungen der Burg Dienstmannen auf, begrüßen sich, gehen ruhig an ihre Verrichtungen usw. Einige schöpfen am Brunnen in metallenen Gefäßen Wasser, klopfen an der Pforte des Palas und werden damit eingelassen. – Die Pforte des Palas öffnet sich von Neuem, die vier Trompeter des Königs schreiten heraus und blasen den Ruf. Sie treten in den Palas zurück. – Die Dienstmannen haben die Bühne verlassen. – Die Edlen und Burgbewohner treten, teils vom Stadtweg, teils aus den verschiedenen Gegenden der Burg herkommend, nach und nach immer zahlreicher auf.


DIE EDLEN UND MANNEN.

In Früh'n versammelt uns der Ruf,

gar viel verheißet wohl der Tag.

Der hier so hehre Wunder schuf,

manch neue Tat vollbringen mag.


Der Heerrufer schreitet aus dem Palas, die vier Trompeter ihm voran. – Alle wenden sich in lebhafter Erwartung dem Hintergrunde zu.


DER HEERRUFER auf der Höhe vor der Pforte des Palas.

Des Königs Wort und Will' tu ich euch kund;

drum achtet wohl, was euch durch mich er sagt!

In Bann und Acht ist Friedrich Telramund,

weil untreu er den Gotteskampf gewagt: –

wer sein noch pflegt, wer sich zu ihm gesellt,

nach Reiches Recht derselben Acht verfällt.

DIE MÄNNER.

Fluch ihm, dem Ungetreuen,

den Gottes Urteil traf!

Ihn soll der Reine scheuen,

es flieh' in Ruh und Schlaf!


Beim Rufe der Trompeten sammelt sich das Volk schnell wieder zur Aufmerksamkeit.


DER HEERRUFER.

Und weiter kündet euch der König an,

daß er den fremden, gottgesandten Mann,

den Elsa zum Gemahle sich ersehnt,

mit Land und Krone von Brabant belehnt;

doch will der Held nicht Herzog sein genannt –

ihr sollt ihn heißen: Schützer von Brabant!

DIE MÄNNER.

Hoch, der ersehnte Mann!

Heil ihm, den Gott gesandt!

Treu sind wir untertan

dem Schützer von Brabant!

DER HEERRUFER.

Nun hört, was Er durch mich euch sagen läßt:

heut feiert er mit euch sein Hochzeitsfest –[288]

doch morgen sollt ihr kampfgerüstet nahn,

zur Heeresfolg' dem König untertan;

er selbst verschmäht, der süßen Ruh zu pflegen,

er führt euch an zu hehren Ruhmes Segen!

DIE MÄNNER mit Begeisterung.

Zum Streite säumet nicht,

führt euch der Hehre an!

Wer mutig mit ihm ficht,

dem lacht des Ruhmes Bahn!

Von Gott ist er gesandt

zur Größe von Brabant!


Der Heerrufer geht nach einiger Zeit mit den vier Trompetern in den Palas zurück. – Während das Volk freudig durcheinanderwogt, treten im Vordergrunde vier Edle, Friedrichs sonstige Lehnsmannen, zusammen.


DER DRITTE EDLE.

Nun hört, dem Lande will er uns entführen!

DER ZWEITE.

Gen einen Feind, der uns noch nie bedroht?

DER VIERTE.

Solch kühn Beginnen sollt ihm nicht gebühren.


Friedrich ist unbemerkt unter sie getreten.


DER ERSTE.

Wer wehret ihm, wenn er die Fahrt gebot?

FRIEDRICH.

Ich!


Er enthüllt sein Haupt; sie fahren entsetzt zurück.


DIE VIER EDLEN.

Ha! Wer bist du? – Friedrich! Seh ich recht?

Du wagst dich her, zur Beute jedem Knecht!

FRIEDRICH.

Gar bald will ich wohl weiter noch mich wagen,

vor euren Augen soll es leuchtend tagen!

Der euch so kühn die Heerfahrt angesagt,

der sei von mir des Gottestrugs beklagt!

DIE VIER EDLEN.

Was hör ich! Rasender! Was hast du vor?

Verlor'ner du, hört dich des Volkes Ohr!


Sie drängen Friedrich nach dem Münster, wo sie ihn vor dem Blicke des Volkes zu verbergen suchen. – Vier Edelknaben treten aus der Tür der Kemenate auf den Söller, laufen munter den Hauptweg hinab

und stellen sich vor dem Palas auf der Höhe auf. Das Volk, das die Knaben gewahrt, drängt sich mehr nach dem Vordergrund.


VIER EDELKNABEN auf der Höhe vor dem Palas.

Macht Platz! Macht Platz für Elsa, unsre Frau:

die will in Gott zum Münster gehn!


Sie schreiten nach vorn, indem sie durch die willig zurückweichenden Edlen eine breite Gasse bis zu den Stufen des Münsters bilden, wo sie dann sich selbst aufstellen. – Vier andere Edelknaben treten gemessen und feierlich aus der Türe der[289] Kemenate auf den Söller und stellen sich daselbst auf, um den Zug der Frauen, den sie erwarten, zu geleiten.


Quelle:
Richard Wagner: Die Musikdramen. Hamburg 1971, S. 287-290.
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