[327] Isolde und Brangäne allein, bei vollkommen wieder geschlossenen Vorhängen. – Isolde erhebt sich mit verzweiflungsvoller Wutgebärde, Brangäne stürzt ihr zu Füßen.
BRANGÄNE.
Weh, ach wehe!
dies zu dulden!
ISOLDE dem furchtbarsten Ausbruche nahe, schnell sich zusammenraffend.[327]
Doch nun von Tristan!
Genau will ich's vernehmen.
BRANGÄNE.
Ach, frage nicht!
ISOLDE.
Frei sag's ohne Furcht!
BRANGÄNE.
Mit höf'schen Worten
wich er aus.
ISOLDE.
Doch als du deutlich mahntest?
BRANGÄNE.
Da ich zur Stell
ihn zu dir rief –:
wo er auch steh –
so sagte er –,
getreulich dien' er ihr,
der Frauen höchster Ehr';
ließ' er das Steuer
jetzt zur Stund,
wie lenkt' er sicher den Kiel
zu König Markes Land?
ISOLDE schmerzlich bitter.
»Wie lenkt'er sicher den Kiel
zu König Markes Land« –
Grell und heftig.
Den Zins ihm auszuzahlen,
den er aus Irland zog!
BRANGÄNE.
Auf deine eig'nen Worte,
als ich ihm die entbot,
ließ seinen Diener Kurwenal –
ISOLDE.
Den hab ich wohl vernommen,
kein Wort das mir entging. –
Erfuhrest du meine Schmach,
nun höre, was sie mir schuf.
Wie lachend sie
mir Lieder singen,
wohl könnt auch ich erwidern!
Von einem Kahn,
der klein und arm
an Irlands Küsten schwamm,
darinnen krank
ein siecher Mann
elend im Sterben lag.
Isoldes Kunst
ward ihm bekannt;
mit Heil-Salben
und Balsam-Saft
der Wunde, die ihn plagte,[328]
getreulich pflag sie da. –
Der »Tantris«
mit sorgender List sich nannte,
als Tristan
Isold' ihn bald erkannte,
da in des Müß'gen Schwerte
eine Scharte sie gewahrte,
darin genau
sich fügt ein Splitter,
den einst im Haupt
des Iren-Ritter,
zum Hohn ihr heimgesandt,
mit kund'ger Hand sie fand.
Da schrie's mir auf
aus tiefstem Grund!
Mit dem hellen Schwert
ich vor ihm stund,
an ihm dem Überfrechen
Herrn Morolds Tod zu rächen. –
Von seinem Lager
blickt' er her, –
nicht auf das Schwert,
nicht auf die Hand, –
er sah mir in die Augen.
Seines Elendes
jammerte mich; –
das Schwert – ich ließ es fallen!
Die Morold schlug, die Wunde,
sie heilt' ich, daß er gesunde,
und heim nach Hause kehre –,
mit dem Blick mich nicht mehr beschwere!
BRANGÄNE.
O Wunder! Wo hatt ich die Augen?
Der Gast, den einst
ich pflegen half?
ISOLDE.
Sein Lob hörtest du eben: –
»Hei! unser Held Tristan« –,
der war jener traur'ge Mann!
Er schwur mit tausend Eiden
mir ew'gen Dank und Treue!
Nun hör wie ein Held
Eide hält!
Den als Tantris
unerkannt ich entlassen,[329]
als Tristan
kehrt er kühn zurück;
auf stolzem Schiff,
von hohem Bord,
Irlands Erbin
begehrt er zur Eh'
für Kornwalls müden König,
für Marke, seinen Ohm. –
Da Morold lebte,
wer hätt es gewagt
uns je solche Schmach zu bieten?
Für der zinspflicht'gen
Kornen Fürsten
um Irlands Krone zu werben!
Ach, wehe mir!
Ich ja war's,
die heimlich selbst
die Schmach sich schuf!
Das rächende Schwert,
statt es zu schwingen,
machtlos ließ ich's fallen!
Nun dien ich dem Vasallen!
BRANGÄNE.
Da Friede, Sühn und Freundschaft
von Allen ward beschworen
wir freuten uns all des Tags;
wie ahnte mir da,
daß dir es Kummer schüf'?
ISOLDE.
O blinde Augen!
Blöde Herzen!
Zahmer Mut,
verzagtes Schweigen!
Wie anders prahlte
Tristan aus,
was ich verschlossen hielt!
Die schweigend ihm
das Leben gab,
vor Feindes Rache
ihn schweigend barg;
was stumm ihr Schutz
zum Heil ihm schuf, –
mit ihr gab er es preis!
Wie Sieg-prangend
heil und hehr,[330]
laut und hell
wies er auf mich.
»Das wär' ein Schatz,
mein Herr und Ohm;
wie dünkt euch die zur Eh'?
Die schmucke Irin
hol ich her;
mit Steg und Wegen
wohlbekannt,
ein Wink, ich flieg
nach Irenland;
Isolde, die ist euer! –
mir lacht das Abenteuer!«
Fluch dir Verruchter!
Fluch deinem Haupt!
Rache! Tod!
Tod uns Beiden!
BRANGÄNE mit ungestümer Zärtlichkeit sich auf Isolde stürzend.
O Süße! Traute!
Teure! Holde!
Gold'ne Herrin!
Lieb' Isolde!
Sie zieht Isolde allmählich nach dem Ruhebett.
Hör mich! Komme!
Setz dich her!
Welcher Wahn!
Welch eitles Zürnen!
Wie magst du dich betören,
nicht hell zu seh'n noch hören?
Was je Herr Tristan
dir verdankte,
sag, konnt er's höher lohnen,
als mit der herrlichsten der Kronen?
So dient' er treu
dem edlen Ohm;
dir gab er der Welt
begehrlichsten Lohn:
dem eig'nen Erbe,
ächt und edel,
entsagt er zu deinen Füßen,
als Königin dich zu grüßen!
Isolde wendet sich ab.
[331]
Und warb er Marke
dir zum Gemahl,
wie wolltest du die Wahl doch schelten,
muß er nicht wert dir gelten?
Von edler Art
und mildem Mut,
wer gliche dem Mann
an Macht und Glanz?
Dem ein hehrster Held
so treulich dient,
wer möchte sein Glück nicht teilen,
als Gattin bei ihm weilen?
ISOLDE starr vor sich hinblickend.
Ungeminnt
den hehrsten Mann
stets mir nah zu sehen –!
wie könnt' ich die Qual bestehen?
BRANGÄNE.
Was meinst du, Arge?
Ungeminnt? –
Sie nähert sich schmeichelnd und kosend Isolden.
Wo lebte der Mann,
der dich nicht liebte?
Der Isolden säh,
und in Isolden
selig nicht ganz verging?
Doch, der dir erkoren,
wär er so kalt,
zög ihn von dir
ein Zauber ab:
den bösen wüßt ich
bald zu binden,
ihn bannte der Minne Macht.
Mit geheimnisvoller Zutraulichkeit ganz nah zu Isolden.
Kennst du der Mutter
Künste nicht?
Wähnst du, die Alles
klug erwägt,
ohne Rat in fremdes Land
hätt sie mit dir mich entsandt?
ISOLDE düster.
Der Mutter Rat
gemahnt mich recht;
willkommen preis ich
ihre Kunst: –
Rache für den Verrat, –[332]
Ruh in der Not dem Herzen! –
Den Schrein dort bring mir her!
BRANGÄNE.
Er birgt, was Heil dir frommt.
Sie holt eine kleine gold'ne Truhe herbei, öffnet sie und deutet auf ihren Inhalt.
So reihte sie die Mutter,
die mächt'gen Zaubertränke.
Für Weh und Wunden
Balsam hier;
für böse Gifte
Gegen-Gift.
Sie zieht ein Fläschchen hervor.
Den hehrsten Trank,
ich halt ihn hier.
ISOLDE.
Du irrst, ich kenn ihn besser;
ein starkes Zeichen
schnitt ich ihm ein.
Sie ergreift ein Fläschchen und zeigt es.
Der Trank ist's, der mir frommt.
Sie hat sich vom Ruhebett erhoben und vernimmt mit wachsendem Schrecken den Ruf des Schiffsvolkes.
BRANGÄNE.
Der Todestrank!
Sie weicht entsetzt zurück.
SCHIFFSVOLK außen.
Ho! he! ha! he!
Am Untermast
die Segel ein!
Ho! he! ha! he!
ISOLDE.
Das deutet schnelle Fahrt!
Weh mir! Nahe das Land!
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