Vierte Szene


[333] Durch die Vorhänge tritt mit Ungestüm Kurwenal herein.


KURWENAL.

Auf! Auf! Ihr Frauen!

Frisch und froh!

Rasch gerüstet!

Fertig nun, hurtig und flink!


Gemessener.


Und Frau Isolden

sollt ich sagen

von Held Tristan,[333]

meinem Herrn:

Vom Mast der Freude Flagge,

sie wehe lustig ins Land;

in Markes Königschlosse

mach' sie ihr Nah'n bekannt.

Drum Frau Isolde

bät' er eilen,

fürs Land sich zu bereiten,

daß er sie könnt geleiten.

ISOLDE nachdem sie zuerst bei der Meldung in Schauer zusammengefahren, gefaßt und mit Würde.

Herrn Tristan bringe

meinen Gruß,

und meld ihm, was ich sage.

Sollt ich zur Seit ihm gehen,

vor König Marke zu stehen,

nicht möcht es nach Zucht

und Fug geschehn,

empfing ich Sühne

nicht zuvor

für ungesühnte Schuld: –

drum such er meine Huld.


Kurwenal macht eine trotzige Gebärde.

Mit Steigerung.


Du merke wohl,

und meld es gut!

Nicht wollt ich mich bereiten,

ans Land ihn zu begleiten;

nicht werd ich zur Seit ihm gehen,

vor König Marke zu stehen;

begehrte Vergessen

und Vergeben

nach Zucht und Fug

er nicht zuvor –

für ungebüßte Schuld: –

die böt ihm meine Huld.

KURWENAL.

Sicher wißt,

das sag ich ihm;

nun harrt, wie er mich hört!


Er geht schnell zurück. Isolde eilt auf Brangäne zu und umarmt sie heftig.


ISOLDE.

Nun leb wohl, Brangäne![334]

Grüß mir die Welt,

grüße mir Vater und Mutter!

BRANGÄNE.

Was ist? Was sinnst du?

Wolltest du fliehn?

Wohin soll ich dir folgen?

ISOLDE faßt sich schnell.

Hörtest du nicht?

Hier bleib ich,

Tristan will ich erwarten.

Getreu befolg,

was ich befehl,

den Sühnetrank

rüste schnell;

du weißt, den ich dich wies?


Sie entnimmt dem Schrein das Fläschchen.


BRANGÄNE.

Und welchen Trank?

ISOLDE.

Diesen Trank!

In die gold'ne Schale

gieß ihn aus;

gefüllt faßt sie ihn ganz.

BRANGÄNE voll Grausen das Fläschchen empfangend.

Trau ich dem Sinn?

ISOLDE.

Sei du mir treu!

BRANGÄNE.

Der Trank – für wen?

ISOLDE.

Wer mich betrog.

BRANGÄNE.

Tristan?

ISOLDE.

Trinke mir Sühne!

BRANGÄNE zu Isoldes Füßen stürzend.

Entsetzen! Schone mich Arme!

ISOLDE sehr heftig.

Schone du mich,

untreue Magd!

Kennst du der Mutter

Künste nicht?

Wähnst du, die Alles

klug erwägt, –

ohne Rat in fremdes Land

hätt sie mit dir mich entsandt?

Für Weh und Wunden

gab sie Balsam,

für böse Gifte

Gegen-Gift: –

für tiefstes Weh, –

für höchstes Leid –[335]

gab sie den Todestrank. –

Der Tod nun sag ihr Dank!

BRANGÄNE kaum ihrer mächtig.

O tiefstes Weh!

ISOLDE.

Gehorchst du mir nun?

BRANGÄNE.

O höchstes Leid!

ISOLDE.

Bist du mir treu?

BRANGÄNE.

Der Trank? –

KURWENAL eintretend.

Herr Tristan!


Brangäne erhebt sich erschrocken und verwirrt. Isolde sucht mit furchtbarer Anstrengung sich zu fassen.


ISOLDE zu Kurwenal.

Herr Tristan trete nah.


Quelle:
Richard Wagner: Die Musikdramen. Hamburg 1971, S. 333-336.
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