Psal. 72. Deus iudicium tuum

[664] Weissagung vom Reich Christi, vergeltung der sünd, vnd lob Gottes.


1.

Zvr zeit des alten Testaments

vnd Israelschen Regiments

thet man herzlich begeren,

Daß got seinn son auß Dauids stam

wolt kommen lan so lobesam

vnd sie der bitt geweren.[664]

Des ward auch fro köng Salomo,

sein Reich thut hie beschreiben

Durch Gottes geyst, ders singen heyst

was Christus solt betreiben.


2.

Got, gib dem könig dein gericht,

dein grechtigkeyt laß fehlen nicht

Christo, des königs Sone,

Daß Er bring zur gerechtigkeit

das volck so an den Sünden leit,

der elenden verschone,

Auff das auff erd verkündet werd

der frid an allen enden,

Dein grechtigkeyt werd außgebreyt,

wann du dein wort wirst senden.


3.

Damit das elend wolck auff erd

durch jn bei recht erhalten werd

vnd sei das heyl der armen,

Welchen das gsetz die gwissen zwingt

vnd durch die Sünd zur hellen dringt,

der wil Er sich erbarmen.

Die lesterer mit menschen leer

die gwissen wölln zerreissen,

Die sol Er fort mit seinem wort

biß in die hell zerschmeissen.


4.

Man wirt jn förchten hie auff erd,

so lang der Mon vnd Sonne wert,

von kind zu kindes kinden,

Wie die tropffen falln in das graß

vnd der regen das land macht naß,

wirt man sein wort verkünden.

Zu seiner zeit mit grosser freud

wird sich der grecht erheben,

Seinn friden groß on vnderloß

wil Er der welt hie geben.


5.

Sein herrschafft wirt sich heben an

im Indschen land an dem Jordan

biß an der welte ende,

Der Erden kreyß gantz runds vmbher

von einem biß zum andern Meer

wirt Er sein heyl außsenden.

Die wüsten hertz soln sich herwertz

zu seiner gnaden schicken,

Die jm warn gram soln sich alsam

vor seinem angsicht bücken.


6.

Die König in den Inseln fern

soln all anbetten disen HERRN,

jm schencken was sie haben,

Vnd die auß reich Arabien

werden auch frölich kommen hin,

zu bringen jre gaben,

Sol jederman jn betten an

vnd jm die ehre geben,

All beydes gleich, beyd arm vnd reich,

soln seiner gnad geleben.


7.

Er wirt erhörn des armen gschrey,

erretten jn vnd machen frey

vnd all seinn kummer wenden,

Er wirt wol thun vnd gnedig sein,

den Seelen helffen auß der pein

der gringen vnd ellenden,

Auß dem betrug und vngefug

hilfft Er jn hie auff erden,

Es wirt jr blut thewr, werdt vnd gut

vor jm geachtet werden.


8.

Vnendtlich wirt sein Königreich,

im himel, erd hat er keyn gleich,

dann Er wird ewig leben.

All was die Christen sein vnd han

nimpt Er gnediglich von jn an,

wann sies im glauben geben.

Stedts jmmerdar in aller fahr

werden sie vor jm betten,

Mit lob vnd preiß auff alle weiß

mögen sie zu jm tretten.


9.

Gleicher weiß, wie der Libanon

steht mit bäumen gar grün vnd schon

vnd von dem wind thut beben,

So sol das Euangeli auch

mit lehr vnd leben gehn im brauch

als durch den geyst gegeben.

Bei jung vnd alt gar manigfalt

wirt Er sein gab außteylen,

In aller welt sein wort erschallt,

an gnad sols niemand feylen.


10.

So lang die Sonn auff erden wert

vnd sich das firmament vmbkert,

wirt sein Nahm ewig bleiben,

Auff das auch die nach diser zeit

soln kommen in die welt so weit

von jm singen vnd schreiben,

Daß durch jn werd allhie auff erd

gesegnet alle heyden,

Daß sie sein ehr sort mehr vnd mehr

in aller welt erbreyten.


11.

Gelobt sei Gott in Israel,

der HERR, genannt Emmanuel,

der thut alleyn die wunder!

Gelobt sei sein herrlicher nahm,

sein Maiestet so lobesam

in gmein vnd in besunder,

Vnd werd bekandt in allem land

die ehr seins heylgen namen.

dem danckn wir all mit reichem schall

vnd singen Amen, Amen.


Quelle:
Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Band 3, Leipzig 1874, S. 664-665.
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