|
[210] Empfindlicher ist kein verscheiden,
als von der liebsten abzuscheiden,
dan sunst der allgemeine tod
vollendet alle pein und not,
und pfleget die seel durch das sterben,
ein neues leben zu erwerben.
Wan aber zwei verliebte herzen
sich scheiden, alsdan ihre schmerzen
seind überschmerzlich, und die pein,
zwar tödlich, muß doch ewig sein.
weil nach dem scheiden und ableiben
sie tot, und lebendig doch, bleiben.
Zwo liebende geliebte seelen,
die ihre küß einander stehlen
genießend der lieb süßen treu,
die könden sich ja nicht bekränken,
vil weniger des tods gedenken,
als aller forcht und sorgen frei.
Doch wie bald wird ihr trost verändert,
wan von einander abgesöndert
ein jedes misset seine seel,
indem sie beed grün und verdorben,
beed lebendig und doch gestorben
nicht sehend fühlen ihren fehl?
O lieb, wer kan dich recht beschreiben!
du kanst beseelen und entleiben,
vereinigen zu einer zeit
kanst du mit streit lieb, mit lieb streit,
ja thorheit und verstand vermählen
und dan beleiben und entseelen.
[211]
Was aber kan man von dir klagen?
was warheit kan man von dir sagen,
o lieb, dan das, wa du wilt sein,
da ist zugleich vil freud, vil pein:
nicht weiß seind die, die sich verliebet,
doch wird die witz durch lieb geübet.
Die lieb und torheit uns verdrießet,
doch ist die torheit so versüßet,
daß ihr kein wollust der welt gleich;
die welt, der torheit künigreich,
wird von ihr und der lieb erhalten,
sie beed die ganze welt verwalten.
Ach, herzlieb, wan mich dein abwesen
nicht lasset ferr von dir genesen,
so find ich mich auch ohn verstand,
wie ohn seel; es ist eine schand
für uns beed, die wir herzlich lieben,
und ohn verstand uns stets betrüben.
Ist dan lieb wie torheit zu schelten,
so könden sie uns doch vergelten
mit höchster freud, trost, lob und lust,
wan zumal unsre seel und brust,
die stets mit lieb sich mehr entzünden,
mehr süßigkeit in narrheit finden.
Buchempfehlung
Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.
178 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro