An eine sich alt zu werden beklagende schönheit

[301] Nein! ihr seid noch nicht alt; so zart, so schön, so klar

pfleg ist stets euer fleisch, farb und auch zu erfahren,

daß ihr mir billig jung; frisch, hurtig, süß ist zwar

der glatten jugend lieb und früling unsrer jahren.

Daß unser sommer auch ganz liebreich sei, ist wahr;

doch ist die hitz so groß, daß, sein gedrank zu sparen,

ihm kaum kan möglich sein, daher er mat und bar

durch der lieb starken brunst in tausenden gefahren.[301]

Wa nu, weil noch zu jung, fruchtlos des frülings zeit,

der sommer vil zu heiß: ist weder zu verschweigen,

noch zu erheben gnug des hebrsts lustreiche beut;

Dan er ergetzet uns mit so liebreichen feigen,

mit solcher wollustsfrucht, daß er ohn allen streit

die andre übertreff, ihm gnug an zweien zeugen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 301-302.
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