Der schönen wunderliche kunst

[295] Daß aus undankbarkeit oder aus misverstand

sie mein lob, lieb und leid als einen schimpf verlachet,

ist mir nicht wunderbar, dieweil des himmels hand

sie also rau als schön zu meiner qual gemachet;

Und daß nach dem verlust, ohn alles gegenpfand,

von seiner hofnung traum mein geist noch nicht aufwachet,[295]

ist mir kein wunder auch, dan meines geists bestand

verliebet sich in dem, was sein leid verursachet.

Das aber ist mir fremd, daß ihr so schöner mund

die, deren herzen sie durch ihre blick versehret,

so leichtlich lehren kan der hitzigsten lieb grund.

Da alle meine witz mit wunder wird beschweret,

wan sie so schnell und wol das, was ihr selbs nicht kund,

was sie nicht lernen will, die dolleste köpf lehret.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 295-296.
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