Von ihren überschönen augen

[295] Ihr augen, die ihr mich mit einem blick und blitz

scharf oder süß nach lust könt strafen und belohnen,

o liebliches gestirn, stern, deren liecht und hitz

kan, züchtigend den stolz, der züchtigen verschonen!

Und ihr, der lieb werkzeug, kundschafter unsrer witz,

augbrauen, ja vil mehr triumfbogen, nein kronen,

darunder lieb und zucht in überschönem sitz

in brauner klarheit schmuck erleuchtet leuchtend wohnen!

Wer recht kan eure form, farb, wesen, würkung, kraft,

der kan der engeln stand, schein, schönheit, thun und gehen,

der kan der wahren lieb gewalt und eigenschaft,

Der schönheit schönheit selbs, der seelen freud und flehen

und der glückseligkeit und tugenden freindschaft

in euch (der natur kunst besehend) wol verstehen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 295.
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