Die Ros

[212] Philodor.


Kom, Myrta, der lieb wohn und wohnung,

der schönheit pracht, der tugend kron,

unlangst meiner treu werter wohn,

jetz meiner werten treu belohnung;[212]

Kom, Myrta, dieses frülings ruhm

und aller blumen schönste blum,

dich zu mir auf das grün zu setzen,

daß du dich in der blumen zier,

daß ich der blumen zier in dir

besehend, wir uns beed ergetzen.


Myrta.


Weil Amor nun allein zugegen,

der stets durch deine augen mich,

der stets durch meine augen dich

kan allein halten und bewegen,

So will ich, ja so kan ich nicht,

wendend mein, fliehen dein gesicht,

sondern den blümelein zu ehren,

die als stern dieses element

machen ein blumenfirmament,

begehr ich dein gesang zu hören.


Philodor.


Solt ich zu singen mich bemühen

von andern, dan den blümelein,

die under deiner augen schein

in dir frisch unverwelklich blühen?

Die gilg und rosen, die gewiß

ein wahres blumenparadis

auf deinem leib uns malen, zwingen

mich auch, der natur gunst und kunst

in dir betrachtend, nichts mehr sunst

dan dich, der blumen ruhm, zu singen.


Myrta.


Unnötig, lieb, ist dein liebkosen

weil wir nun under einem joch;

wan ich dir dan lieb, so sing doch

jetzund von diesen süßen rosen:

Sing von den rosen, edler schatz,

und ich will dich mit einem schmatz,[213]

und nicht zuvor, reichlich belohnen:

und wie lieb du mir auch, solt du,

enthaltend deine hand in ruh,

ihn vor zu haben, mir verschonen.


Philodor.


O rosen, die kein frost kan töten,

durch welche ich widrum gesund;

o rosen, die den schönsten mund

und wangen, liebfärblich, beröten!

Euch rosenmund und allein euch

gebühret in der schönheit reich

auf der lieb thron befelch zu geben;

mir aber euch, die ihr gleichlos

und aller rosen schönste ros,

dienstlich gehorsamend zu leben.


Wie in dem himmel, so auf erden

kan nichts, dan deine herrlichkeit,

an schönheit und an süßigkeit

der rosen gleich gefunden werden:

Daher dan, wan die frülingszeit

die welt zu der lieb streit und beut

beherzet und das erdreich zieret,

erhebet sich die ros mit wohn,

alda, weil sie der blumen kron,

sie unter allen triumfieret.


Die morgenrötin, neu geboren,

der sonnen kind, von thränen naß,

doch schmollend, bald durch lieb und haß

von ihr verfolget und verloren,

Wan sie sich will mit höchster pracht

und in der neuest schönsten tracht

bekleiden, muß sie alle morgen

sich zu beschönen, zwar ohn scham,[214]

aus dem lieblichen rosenkram

all ihre anstreichfärblein borgen.


Dan früh, alsbald wir nur erwachen,

und für dem jungen sonnenglanz

die stern uns ihren schein und danz

verbergen und unsichtbar machen:

Mit lieblichem pomp und geruch,

gleichsam des blumentags anbruch,

die ros den luft und uns ergetzet,

und uns des himmels frische ehr,

als ob sie himmelisch selbs wär,

mit wunder für die augen setzet.


Der rote morgen muß verbleichen,

verliebet, ab der rosen zier

und küssend lasset er auf ihr

der süßen küssen feuchte zeichen:

Verbuhlet auch der luft und wind,

von lieb und eifer taub und blind,

mit ihr oft ihre küß vermischen

und frech sich selbs und andre auch

mit ihrem gleichsam süßen rauch

zumal erfreuen und erfrischen.


Alsbald entknöpfend sie aufstehet

aus ihrem läger grün und neu,

alsbald sie immer frisch und frei

als eine kleine sonn aufgehet:

Da sihet man sie bald von zorn

(beschützet zwar von manchem dorn,

so ihre guardi wol zu nennen)

warnemend, daß ihr, wie dem gold,

schier jederman gefährlich hold,

schamrot und züchtig gleichsam brennen.


In ihrem ursprung war vor zeiten

die ros so weiß, daß mit ihr kaum[215]

des schnellen wassers frischer schaum,

noch auch des morgens frost könt streiten;

Noch könt des silbers purer schein

der milchrohn, noch das helfenbein

bei ihrer weißin wol bestehen:

ja weißer war die süße ros

dan auf der kalten erden schoß

der neu gefallne schnee zu sehen.


Als aber Venus hie auf erden

durch ihrer schönheit gegenwart

mit ihren brüstlein zart und hart

mit herzentzündeten geberden,

Mit seelergründend süßer gunst,

mit geistverblindend geiler kunst

mit küssen nektargleich befeuchtet,

mit ihrer augen liebem glanz

mit frölich-müdend jungem danz

das volk bereichet und erleuchtet:


Da sah man sich die menschen neigen

und lieb zu sein auf alle weis,

sich freindlich, höflich, sitsam, weis,

auch wacker, statlich, kühn erzeigen:

Bald sah man dise froh aus lieb

und durch lieb jene krank und trüb;

die eine sah man ihre schmerzen

beklagen ohn trost, hofnung, heil

und andre frisch, kurzweilig, geil

sich herzend mit einander scherzen.


Die göttin selbs sich zu ergetzen

zog mit Adonis, der ihr herz,

ihr kurzweil, wollust, schimpf und scherz,

hinaus, zu jagen und zu hetzen

Ohn scheu, damit sie ihre brunst

möcht dämpfen durch des jägers gunst,

sah man sie netz und garn aufstellen,

nicht wegen eines thiers gewin,[216]

sondern vil mehr begirig, ihn

darnach in ihre arm zu fällen.


Einmal, als sie ihm nachzulaufen

zu hitzig und unachtsam war,

und ließ die hecken ihre haar,

die stauden das gewand hinraufen;

Daher ein jedes laub, gras, kraut,

ast und gewächs ihr schöne haut

zu küssen, gleichsam ein verlangen:

da dörft sich auch ein rosenstock

sich wagen under ihren rock

und sie zu fangen unterfangen.


Alsbald sich da die ros ergetzet

berührend ihren weißern fuß,

sobald mit beederseits verdruß

ein dorn ihr zartes fleisch verletzet:

Die göttin zugleich bleich und wund

und rot die ros wurd zu der stund:

die rosen und der göttin wangen

schamrot ab ihrem rosenblut,

zumal mit neuem pracht und gut

bald wider mit einander prangen:


Dan Venus war bald wol vernüget

und achtet wenig ihrer pein,

als ihres bluts schamroter schein

sich lieblich auf die ros verfüget:

Und daß man der ros süßigkeit,

durch ihr götliche lieblichkeit

vermehret, möcht noch höher schätzen,

verlieh sie ihr der schönheit kraft,

des edlen geruchs eigenschaft

mit hunderttausend süßen schmätzen.


»Dich (sprechend) will ich nu bestellen

als meine blum, der erden ehr,[217]

mit dir soll sich die schönheit mehr

dan sunst mit keiner blum gesellen:

Du bist fürhin der blumen kron

und der liebhaber erster lohn,

die gröste zierd in einem garten;

mit dir die schönheit zieret sich,

und du, wie die schönheit auf dich,

solt auf die schönheit allzeit warten.


Der Nymfen süße mund und wangen

und ihre glaich, an schönheit reich,

die sollen sein den rosen gleich,

ja sollen mit den rosen prangen;

Losieren sie dan auf die brust

dich, süße ros, solt du den lust

durch eines buhlers augen beizen,

und bald mit deinem falschen brand

sein schnöd gekitzelt geile hand

zu einem falschen griff anreizen.


Dergleichen wirkung solt du haben,

wan eine Nymf dich auf ihr haar

solt stecken: dan du solt, wie klar

auch solches gold, das aug erlaben:

Ein zarte hand, ein grüner kranz

soll deine süßigkeit und glanz,

wie du die ihrige, vermehren:

ja, mäniglich, alt, jung, klein, groß,

gesund und krank soll dich, o ros,

stets lieben, loben und begehren.«


Myrta.


Mein schatz, der mich, den ich erkoren,

wie schnell doch hat sich dein gesang,

der rosen frischheit und der gang

dises so schönen tags verloren!

Ein end hat dein lied und der tag,

die ros ist welk. wie kan, wie mag[218]

sich rühmen doch der mensch bedenklich!

wan seine kunst, wollust, lob, ruhm

und schönheit, wie ein zarte blum,

nicht wehrhaft, sondern schnell zergänglich.


Filodor.


Wan dan die jahr, die tag, die stunden,

wan alle menschen, alle ding

wie immer köstlich und gering

von der zeit werden überwunden:

Wan unser leben, freud und glück

so leicht in einem augenblick

kan ändern oder muß verfließen:

warum mein edles herz und seel

solt ich ohn allen weitern fehl

nicht deiner rosen bald genießen?

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 212-219.
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