Ode

[164] Wie die soldaten man vor zeiten

laut mit dem mund:

so sie jetzund

ermahnet der poet zu streiten.


Frisch auf, ihr dapfere soldaten,

ihr, die ihr noch mit teutschem blut,

ihr, die ihr noch mit frischem mut

belebet, suchet große thaten!

ihr landsleut, ihr landsknecht frisch auf,

das land, die freiheit sich verlieret,

wan ihr nicht mutig schlaget drauf

und überwindend triumfieret.


Der ist ein Teutscher wolgeboren,

der von betrug und falschheit frei,

hat weder redlichkeit, noch treu,

noch glauben, noch freiheit verloren:

der ist ein Teutscher, ehrenwert,

der wacker, herzhaft, unverzaget

für die freiheit mit seinem schwert

in einige gefahr sich waget.


Dan wan ihn schon die feind verwunden

und nemen ihm das leben hin,

ist ruhm und ehr doch sein gewin

und er ist gar nicht überwunden:[164]

ein solcher tod ist ihm nicht schwer,

weil sein gewissen ihn versüßet,

und er erwirbet lob und ehr,

indem er sein blut so vergießet.


Sein nam und ruhm allzeit erklingen

in allem land, in jedem mund,

sein leben durch den tod wird kund,

weil sein lob die nachkömling singen;

die edle freiheit ist die frucht,

die er dem vatterland verlasset;

da er herzlos durch seine flucht

wird ganz verachtet und gehasset.


Also zu leben und zu sterben

gilt dem aufrechten Teutschen gleich

der tod und sig seind schön und reich,

durch beed kan er sein heil erwerben;

hingegen fliehen allen dank

die flüchtigen und der verräter,

und ihnen folget ein gestank,

weil sie verfluchte übelthäter.


Wolan deshalb, ihr wahre Teutschen,

mit teutscher faust, mit teutschem mut,

dämpfet nu der tyrannen wut,

zerbrechet ihr joch, band und beutschen:

unüberwindlich rühmet sie

ihr titul, torheit und stolzieren;

aber ihr heer mit schlechter müh

mag, überwindlich, bald verlieren.


Ha! fallet in sie! ihre fahnen

zittern aus forcht: sie trennen sich,

ihr böse sach hält nicht den stich,

drum zu der flucht sie sich schon mahnen;

groß ist ihr heer, klein ist ihr glaub;

gut ist ihr zeug, bös ihr gewissen.[165]

frisch auf, sie zittern wie das laub

und wären schon gern ausgerissen.


Ha! schlaget auf sie, liebe brüder,

ist die müh groß, so ist nicht schlecht

der sig und beut: und wol und recht

zu thun, seind sie, dan ihr, vil müder.

so straf, o teutsches herz und hand,

nu die tyrannen und die bösen:

die freiheit und das vatterland

must du auf diese weis erlösen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 164-166.
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