Paranesisch, bacchisch und satyrisches Gemüß

[170] Weil nu der luft ganz ungestüm

mit schnee und regen sich vermischet

und nu der wind mit nichten stum

das erdreich gleichsam seifend waschet;

so lasset uns auch, liebe freind,

was sprachen wir auch immer reden,

den tisch bedecken zu der stund

mit flaschen, schunken, käs und fladen.
[170]

Bring her die gläser und schenk ein.

wem kan zu drinken doch misfallen?

der wein hat gleichsam den rock an,

alsbald wir ihn in ein glas füllen:

jedoch das rein christallin glas

des weins leib, nicht die farb bedecket,

also, o wunder übergroß!

den wein und unser aug erquicket.


Dan er kaum rinnet aus dem loch

der schwangern kanten oder flaschen,

daß wie er schmollet, ich auch lach,

begehrend mich bald zu erfrischen:

halt ich ihn dan in meiner hand,

das aus dem glas er werd gefreiet,

merk ich, daß er mein herz und mund,

eh daß ich ihn versuch, erfreuet.


Darum wer doppeltes gut will

anschauen, riechen, schmecken, spüren,

der muß nu einen becher voll

des edlen rebensafts nicht sparen,

so nem ein jeder sein geschütz

und eh wir es zugleich hinrichten,

muß er mit mir den reichen schatz

zu loben, singend nicht verachten.


Dieweil nu dises ein Rheinwein

oder dem Rheinwein zu vergleichen,

so schenk ihn in den becher ein,

ihn mit gold noch mehr zu bereichen.

er ist klar, lieblich, frisch und reich,

darum muß er herum passieren:

ihr herren disen bring ich euch!

daß keiner mög die zeit verlieren.


Ist jener rotwein ein Franzos,

so thut er wol, zu uns zu kommen;

er lächelt wie ein rote ros

und wird von uns gern angenommen.[171]

ich hör nicht mehr des winds getös,

sither wir mit dem wein parlieren.

beuvons, messieurs, a vos santez.

so lasset uns all garaussieren.


Ho! wein her, den uns das Welschland

ohn des Bapst sig und segen sendet.

ein schalen voll in meiner hand

davon, wird bald wol angewendet:

die farb ist angenehm, ich sih,

und sein geruch thut excellieren:

signori, facciam brindisi.

er kan nicht dan euch aggradieren.


Ein ander Welschland weiß ich noch,

da man auch zechend frölich lebet

mit brot und käs und ohn den koch,

schier Schweizer gleich, nach ehren strebet:

reich her das volle kräuslein da,

es gilt den herren und den frauen

m'y fato chwi (ho!) mi y fa,

so das ist artlich gnewch ie llawen.


Ist Engelland schon ohn Weinwachs,

hat man doch gute wein darinnen,

und mancher drinket als ein Sachs,

wan er die schlacht gern wolt gewinnen:

drink mir ein glas des besten zu,

mit welchem die insuln prachtieren,

then lett us drinck, I'le drinck to you.

kan ein wein disen surpassieren?


Die Niederteutsche, frische fisch,

die lang gern hinder dem tisch sitzen,

lieben den wein, der stark und frisch,

und zechen gern, bis daß sie schwitzen:

so gib auch ihrentwegen nu

den großen kelch, damit zu zehren

myn heeren, ho, ick breng het u.

so: dises heißet recht laveeren.
[172]

Seid ihr den Spaniern hie feind,

so langsam ihrer zu gedenken?

seind sie doch aller länder freind,

wan sie den wein schon nicht verschenken.

gib ihres weins das gläslein da,

damit ich besser mög hablieren.

a su salud, o, alla va.

wer will mag emborraciarsieren.


In Irland war ich auch einmal

und sah dort manche ding verwirren,

doch wissend wol die rechte wahl,

ließ ich mich billich nicht verirren.

schenk ein ein wenig Usquebagh,

in Irland überal geliebet:

sho fed tuorim; den so sugagh.

so, dieses heißet wol geübet.


Hör ich nicht Fratzen, den dickkopf,

der witzlos jederman will lehren?

und welcher ein recht grober knopf

ohn sich selbs niemand sunst will ehren?

es gilt hie sechs, in einem suff,

herr Fratz, ihr müsset das aussaufen,

es gilt Fratz Curly Murly Buff

bis alle fallen übern haufen.


Ich glaub, ihr liebe domini,

daß ihr das Latein gar verschworen

und auch das griechisch, als ich sih,

ist nu verachtet und verloren:

doch weil ein christliches räuschlein

nicht kan, ut credo, offendieren,

bring ich euch, monsier, das gläslein

und wolt euch jetz nicht gern turbieren.


Ho! herr Fratz, was bedeuten doch

schmorotzer, blacken und bacchanten,[173]

die so verhasset von dem koch

als schulfüchs, penal und pedanten?

warum darf ohn ein narrenkapp,

ein narr halb welsch und halb teutsch glotzen?

warum doch will ein jeder lapp

für gut teutsch a la mode kotzen?


Ist es nicht eines blöden hirns

und eines hasenkopfs merkzeichen,

der wol wert eines langen horns

und gar nicht wert mit uns zu zechen?

mit uns, die wir dem guten wein

allein zu ehren welsch gegecket,

und doch mit größerm fleiß und wohn

in der welt großes buch gegucket?


Glück zu, du ohn ein g gesell,

hat mich der dominus verstanden?

er glaub mir, daß dem monsieur soll

ich aufwarten in wenig stunden;

dan certè, wan ich ihn recht ken,

so hat er weit gevoyagieret.

der teufel hol euch, ohn ein n

herr Hans, weil ihr uns all vexieret.


Wer teutsch ist, der red auch gut teutsch,

wie der Welsch will gut welsch parlieren:

zu fuß geh, wer ohn pferd und gutsch,

und wer ein narr, kan nicht vil lehren.

so sprechet nu ein urtheil aus,

und mäniglich mag es wol hören,

gleich ist ein halbwelschteutscher has

den angestrichnen kranken huren.


Und gleich wie der ein schwein, gans, kalb,

der gut und bösen wein vermischet,

so dem gehört ein narrenkolb,

der teutsch und welsch zusammenwaschet;[174]

sein hirn und red seind gelb, weiß, schwarz,

grün, rot und blau, ein schneiderküssen,

ein alter schurz, ein lahmer scherz

und ganz unwürdig mehrer bossen.


Kom, schenkend das glas wider ein,

uns des lusts wider zu begaben,

daß drinkend, singend, redend rein,

wir uns und ander auch erlaben.

doch drink wer will; ich hab zu vil;

wer will mag danzen, drinken, springen,

frei bleibet jedem alles spil,

und wer will mag nu mit mir singen.


Frisch auf, frisch auf, seid wol zu mut!

herum das gläslein bald muß fahren:

bös ist das wetter, der wein gut,

und ihrer keines nu zu sparen.

der wein sparet zwar die witz

mit nichten,

weil er mit zu starker hitz

drücknet unser dichten.


Ich weiß zwar wol noch wa ich bin,

darf aber wol für etlich schwören,

daß sie sehr gern ihr herz und sin

all tag verbausen und verzehren.

bleibt ihr verstand ohn wein

dahinden

könden sie als stock und stein,

drinkend ihn nicht finden.


Sih da, wie weis der dominus

sich under uns alhie erzeiget!

er beiß mir doch auf dise nuß!

sprach Fratz, mit drinken nicht geschweiget.

und profecto ich will nu

selbs reimen,

besser dan ihr, ja dan du,

und das loch verleimen.
[175]

Ich hab die länder diser welt

schon vil jahr her gedurchmarschieret,

und hab auch per dio vil mehr geld,

dan all ihr Welsche, verspendieret;

kan ich aber nicht vil welsch

parlieren,

so kan ich doch, gar nicht falsch,

meinen becher leeren.


Ihr herren, ich brauch keine list,

ich drink und hab nichts zu bedenken;

zu drinken ist all mein lust,

es gilt, und solt mir keiner danken.

wil dan eurer keiner mir

antworten,

sollet ihr auch, bis ich mehr

euch hofiere, warten.


Wie oft hab ich mit einem wort

verjaget manche dolle katzen?

wie oft hab ich mit meinem schwert

zerhacket manchen dollen kauzen?

dise faust hat so vil blut

vergossen,

daß ohn blut kein stein, baum, blat,

keine wäld, feld, gassen.


So bin ich auch oft auf dem meer

schier in der sonnen selbs ersoffen:

daher ich auch schwarz als ein mohr

hat mit der Venus oft zu schaffen:

und durch manchen heißen schmatz

verliebet

hat der Proserpina schmotz

oft mein herz erlabet.


Was hat sie unter ihrem belz,

daß sie sich ließ so gern aufschürzen?

ich weiß nicht was für Plutons bolz,

der pflag gar teufelisch zu scherzen.[176]

ha! er ist ein arger fuchs

ohn zweifel,

er ist alles übels dux

und ein rechter teufel.


Er hat zwei hörner als ein ochs

und seine seufzen seind feurflammen,

dem dunder gleich ist seine vox,

weil er von aller strahlen stammen:

seine augen, wan es nox

klar brennen:

ist es tag, so ist er mox

finsternus zu nennen.


Die strix verehrte mir die büchs,

dabei mein herz an sie gedenket,

dieweil zuvor die hübsche phryx

dieselbig ihr aus lieb geschenket:

wie er, hab ich mit ihr füchs

gejaget,

war es regen oder nix

hab ich es gewaget.


Gleichwie ein doppelt klare fax

die anblick ihrer augen leuchten:

vor ihrem man ein Türk, ein Thrax

muß zittern, stinken und bald beichten:

ihre magd, die wie ein dachs

sich bucket,

war ursach, daß sich pax

zwischen uns oft ducket.


Wer ist begirig ihres specks,

dem will ich bald ein bißlein schneiden:

sehr groß ist ihrer grillen grex,

die kont ich lieber, dan euch, leiden:

dan ich mag nicht euers dr ...

vergessen:

drink, da drink, das ist das lex,

welcher nicht will essen.
[177]

Für meine witz ist hie kein lux,

für mein gesicht kein liecht zu sehen;

für meine hand kein kelch, kein crux

für meine füß kein stand zu stehen.

ho! wer hat mich bei dem haar

geraufet?

mord, raub! raub, mord! o gefahr

alles rund umlaufet.


Ach wie kam ich in dises schif?

es grauset mir, ich kan nicht schwimmen.

hilf, hilf! ein seil, stoß oder grif;

ach weh! nu hab ich auch das grimmen.

alles leider ist umsunst!

wir sinken.

was? ja wol in diser brunst

brennen wir und stinken.


Ho! helfet! reichet das geschirr!

es ist umsunst! es ist geschehen!

ich bin ganz naß! ich bin ganz dürr,

stum, lahm, kan ich nichts hören, sehen.

ach die hagelstein, blitz, strahl

und dunder,

kommend auf mich auf einmal,

schlagen mich hinunder.


Wa ist mein fuß, wa meine stirn?

oh, mein kopf walzet auf der erden!

halt! ich verlier sunst all mein hirn.

was wird doch endlich aus mir werden?

ist keine hilf in dieser not

zu haben?

got erbarm es! ich bin tod

und auch schon begraben.


Der volle narr, der wüste fratz

so voll besoffen als geschossen,

hat als ein stinkend nasser ratz

sein abenteuer nu beschlossen.

und zu gedächtnus seiner that

soll er hie seine grabschrift sehen,[178]

wan von dem rausch der grob unflat

soll wider wachend auferstehen:


Fratz liget under dieser bank,

an leib und seel sehr wüst besudelt,

der mancherlei gedrank, gestank

und sprach vermischet und verhudelt.

Ach leser, wünsch, daß ihm, dir, mir

got das gedeihen wolle geben,

daß unser jeder, nach gebühr,

mög besser reden, drinken, leben.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 170-179.
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