Schönheit nicht wehrhaft

[52] Laßt uns in den garten gehen,

schönes lieb, damit wir sehen,

ob der blumen ehr, die ros,

so euch eure farb gezeiget,

da sie heut der thau aufschloß,

ihren pracht noch nicht abneiget.


Sih doch, von wie wenig stunden

ihre schönheit überwunden,

wie zu grund ligt all ihr ruhm!

wie solt man, natur, dich ehren,

da du doch ein solche blum

einen tag kaum lassest wehren?


Was ist es dan, daß ihr fliehet,

indem euer alter blühet,

von meiner lieb süßigkeit?

ach, genießet eurer jahren!

die zeit wird eure schönheit

nicht mehr, dan die rosen, sparen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 52-53.
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