Vierter Auftritt

[51] Vorige. Herr von Giebel, nebst einem Bedienten, der einige Geldsäcke trägt.


GIEBEL. Kriegt man hier Bücher?

WALTER. Von jeder Sorte, mein Herr!

GIEBEL. Herr! Herr! Unsereiner ist Herr von.

WALTER. Bitte um Vergebung!

GIEBEL. Schon gut! Haben vermuthlich die gestrige Zeitung nicht gelesen?

WALTER. Nein!

GIEBEL. Da steht es drin. Peter!

BEDIENTER tritt näher.

GIEBEL. Gib dem Herrn so ein Blatt.[51]

BEDIENTER zieht mehrere Zeitungsblätter hervor und gibt ihm eins

WALTER O, ich danke!

FLINT tritt zu ihm. Was für Bücher befehlen Sie denn?

GIEBEL sieht ihn an. Ey nun, gedruckte.

FLINT. Ganz wohl, aber in welchem Fache?

GIEBEL gleichgültig. Mir gleichviel.

FLINT erstaunt. Sie werden doch eine Gattung lieber als die andere lesen?

GIEBEL. Ich lese gar nicht.

FLINT. Sie sind vermuthlich zu sehr beschäftigt?

GIEBEL Ich bin gar nicht beschäftigt.

FLINT. Und lesen dennoch nicht?

GIEBEL. Es macht mir Langeweile.

FLINT. Ja so.

GIEBEL sieht ihn an. Ich bin reich.[52]

FLINT. Habe es vermuthet.

GIEBEL. Habe mir ein prächtiges Haus erbaut.

FLINT. Also lieben Sie die Baukunst?

GIEBEL. Warum nicht gar – das ist ja ein Handwerk.

FLINT. Das wird jede Kunst, die man ohne Talent treibt.

GIEBEL. Das Haus ist auch schon eingerichtet. Luster, Spiegel, alles nach dem neuesten Geschmack.

FLINT. Ich zweifle nicht.

GIEBEL. Schöne Bücher - Schränke –

FLINT. Sie wünschten daher –

GIEBEL. In die Schränke Bücher.

FLINT. Also – eine Bibliothek?

GIEBEL. Recht – eine Bibliothek.

FLINT lächelnd. Das Wort umfaßt viel.

GIEBEL grob. Ich kann viel bezahlen.[53]

FLINT. So war es nicht gemeint, ich wollte nur damit sagen, welchen Character die Bibliothek haben soll?

GIEBEL sieht ihn an. Character? eine Bibliothek ist ja kein Mensch?

FLINT. Ob sie für eine Dame oder für einen Mann eingerichtet werden soll?

GIEBEL. Ey nun – für mich!

FLINT. Da dürfen die Classiker nicht fehlen.

GIEBEL. Was sind das für Herrn?

FLINT. Alte Schriftsteller, die –

GIEBEL. Was? alte Bücher? Die würden in den neuen Schränken gut lassen. Nein, die lassen Sie mir weg.

FLINT. Aber Jeder, der Geschmack zeigen will –

GIEBEL. Muß neue Bücher lesen. So viel habe ich, seit ich vornehm geworden bin, schon gemerkt, daß der Geschmack neu seyn muß.

FLINT. In manchen Dingen wohl, aber –

GIEBEL. In allen Dingen, und in Büchern auch. Kommt man wohin, wo ein Buch auf dem Tische liegt, gleich ist es die erste Frage, ist es neu?[54]

FLINT. Das dürfte wohl auch oft sein größter Werth seyn.

GIEBEL. Ich habe mir sagen lassen, daß ihr Herren darum immer das künftige Jahr auf ein Buch setzt, obgleich es schon in diesem Jahre fertig geworden ist.

FLINT lacht. Kommt man hinter unsere Schliche?

GIEBEL. Nein, alte Bücher lasse ich mir nicht aufhängen, alle müssen von heuer seyn.

FLINT. Dann dürften Sie dem jungen Wein gleichen; der kitzelt wohl den Gaumen, aber gesund ist er nicht.

GIEBEL. Was braucht denn ein Buch gesund zu seyn?

FLINT. Wenn auch nicht für den Körper, doch für den Geist.

GIEBEL. Alle gleichen Einband, prächtig.

FLINT. Wie sie befehlen; aber das kostet –

GIEBEL. Geld? Ruft. Peter!

BEDIENTER. Euer Gnaden!

GIEBEL. Laß dem Herrn einen Geldsack da.


Bedienter setzt einen Sack ab, Walter und Flint sehen einander an.
[55]

FLINT. Darf ich um Ihren Nahmen bitten?

GIEBEL vornehm. Pamphilius, Edler von Giebel.

FLINT. Sie sind der Glückliche –?

GIEBEL mit zufriedenem Lächeln. Der eine halbe Million gewonnen.

FLINT. Jetzt begreife ich. –

GIEBEL. Kommt Ihnen der Verstand? mir ist er mit dem Gelde auch gekommen.

FLINT. Ein solches Glück –

GIEBEL. Unter Hunderttausenden der Einzige – bilde mir auch etwas darauf ein.

FLINT. Haben Sie Frau und Kind?

GIEBEL. Wer wollte sich damit scheren?

FLINT. Also – Geld vollauf, aber keinen Freund

GIEBEL. Wer sagt Ihnen das? Zwölf Zimmer in der Reihe, und alle wimmeln von meinen Freunden.

FLINT. Das sind die rechten nicht.[56]

GIEBEL. Nicht die rechten? Sie glauben wohl, daß es arme Schlucker sind? Nein, meine Freunde kommen in Kutschen gefahren.

FLINT. Glaub' es wohl.

GIEBEL. In acht Tagen gebe ich ein großes Gastmahl, da müssen die Schränke gefüllt seyn.

FLINT. Aber – wenn Ihnen auch der Inhalt der Bücher gleichgültig ist, so muß ich doch von ihrer Anzahl unterrichtet seyn.

GIEBEL ruft. Peter!

BEDIENTER tritt hervor. Euer Gnaden!

GIEBEL. Gib das Maß her.

FLINT erstaunt. Von den Büchern?

GIEBEL. Von den Schränken. Peter gibt ihm ein weißes Band. Da – drey Ellen hoch, zwey Ellen breit.

WALTER zu Flint. Das ist das erste Mahl, daß wir unsere Bücher nach der Elle verkaufen.

GIEBEL grob. Jeder kauft, wie er es braucht.

FLINT hat ihm das Band abgenommen. Ich will es besorgen.[57]

GIEBEL. Sie sind mein Mann! Schlägt ihn auf die Schulter. und – wenn ich zufrieden bin; ich lade den Tag nach meiner großen Tafel zu den Ueberbleibseln einige Menschen, arme Verwandte – können auch kommen.

FLINT. O ich danke!

GIEBEL. Können auch kommen. Machen sich da die Mühe mit den Büchern, und ich weiß wohl, daß das bey uns reichen Leuten so Sitte ist. – Jede Mühe wird mit einer guten Mahlzeit vergolten.

FLINT. Ich erstaune, Sie in den Gebräuchen der feinen Welt so gut unterrichtet zu finden.

GIEBEL. Habe mir gleich einen Kammerdiener angeschafft, der bey einigen reichen Leuten diente, die nacheinander zu Grunde gegangen sind. Der gibt mir beym Aus- und Anziehen einigen Unterricht.

WALTER zu Flint. Wie auch er zu Grunde gehen wird.

GIEBEL. Wissen Sie, was mir bey meinem vielen Gelde die größte Freude macht?

WALTER. Daß Sie gute Werke üben.

GIEBEL. Gute Werke? nun ja – nebenbey. So habe ich dem Waisenbuben, der mir das große Loos gezogen, sechs Thaler geschenkt.[58]

FLINT. Nur sechs? und der Gewinn betrug?

GIEBEL vor Freude aufschreyend. Eine halbe Million!

FLINT. Da war das Geschenk in keinem Verhältniß.

GIEBEL. Wie so?

FLINT. Sechs Thaler, und eine halbe Million!

GIEBEL. Er hat die sechs Thaler nicht verdient.

FLINT. Mein Herr –

GIEBEL. Er hat's ja nicht mit Willen gethan. Hätte der Spitzbube nicht, wie er so blind hinein tappte, es auch für einen Andern heraus holen können?

FLINT lacht. Ja, wenn Sie so –

GIEBEL. Es gab einige empfindsame Seelen, die da meinten, ich hätte den Bengel an Kindesstatt annehmen sollen; aber wer wird sich bey dem vielen Gelde eine solche Last aufbürden.

FLINT. Freylich!

GIEBEL. Nein, für das hergelaufene Gesindel thue ich nichts – aber, daß die Leute, die sonst von mir nichts[59] wissen wollten, mich jetzt wie ihresgleichen behandeln, wenn sie mich sehen, schon von weitem den Hut abnehmen; das, Herr, das erquickt, das erfreut.

FLINT. Mir ist das sehr begreiflich.

GIEBEL vertraut. War bis auf 12 Groschen herabgekommen, und jetzt Mit gemeiner Freude. der große Kerl geht hinter mir her. Deutet auf Peter.

FLINT. Es ist wirklich –

GIEBEL. Zum Närrisch-, zum Rasendwerden. Manchen armen Teufel hätte es um den Verstand gebracht, mich nicht! Das Glück weiß seine Kinder schon zu finden. Herr! der nicht die Freude erlebt, sich als ein armer Schlucker zu Bette zu legen, und mit einer halben Million wieder aufzustehen, der erlebt nichts auf der Welt. – Aber ich muß fort – es gehen immer Leute ab und zu, die mein Haus und die Einrichtung besehen; und ich komme gar zu gern dazu, wenn sie vor meinem Gold und Silber so mit offenem Maule da stehen.

FLINT. Und Sie beneiden.

GIEBEL. Recht, und mich beneiden. Sehen Sie, das, das ist das große Glück auf der Welt, von Reich und Arm, von Jung und Alt so beneidet zu werden. Nun – vergessen Sie nicht, sechs Schränke, drey Ellen hoch, zwey Ellen breit. Neue Bücher,[60] der Einband prächtig, und – bey dem großen Mittagessen ein Gast an meinem Tisch. Vertraut. Dürfen auch einstecken, wird genug da seyn; und – was meinen Sie, für die armen Teufel dort, jedem eine Flasche Champagner. – Sie lassen mich leben! hoch! ja, ja – er wird geschickt, er wird geschickt. Ab durch die Mitte, sein Bedienter folgt.

FLINT lacht. Kommen denn heute in diese Niederlage der menschlichen Weisheit lauter Thoren?

WALTER. Ein herrliches Geschäft – alles, was nur heuer gedruckt ist, bringen wir an Mann.

FLINT. Solche Käufer wären nöthig, damit der Verbrauch mit den ungeheuren Erzeugnissen des Jahrhunderts gleichen Schritt halten könnte.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 13, Wien 1834, S. 51-61.
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