Zweyter Auftritt

[128] Rath Blümlein. Die Vorigen.


BARONINN. Ah – da kommt mein guter Engel!

BABETTE für sich. Gott behüte mich vor dem Himmel, in dem die Engel so aussehen. Ab.

BLÜMLEIN. Guten Morgen, meine schöne Baroninn! Wie geht es, wie steht es? Komme zu fragen, was heute geschieht? Nun – war das gestern ein Soupée? seit Jahren wurde nicht so gekocht, und nicht so gegessen.

BARONINN. Ich habe den ganzen Abend nichts, als eine Tasse Thee getrunken.

BLÜMLEIN. Welche Enthaltsamkeit! Alle gute Bissen, welche die Erde hervortreibt, welche auf ihr herumlaufen, und welche in den Lüften herum fliegen, waren auf dem Tisch. Ich habe keine Schüssel verachtet, freundlich von jeder genossen, und wäre die kalte Pastete nur um etwas größer gewesen, ich hätte mich ganz in sie einlogirt. Nein, alles, was recht ist, die Frau führt eine Küche –

BARONINN. Nun, ich dächte doch, daß sich die Köchinn der Frau von Scholl mit meinem Koch nicht messen kann.[128]

BLÜMLEIN. Ihr Koch hat im Olymp gelernt, der kocht für Götter; und die Himmlischen essen wohl gut, aber selten. Die menschliche Natur will stündlich etwas haben, der Gaum will oft flattirt seyn, die Bemerkungen, die er macht, sind so vorüber schlüpfend, man muß öfter auf dieselbe Sache zurück kommen, um ihren wahren Werth zu erkennen. Und Sie, verzeihen Sie mir, meine Gnädige, aber Sie lassen jetzt sehr selten decken.

BARONINN. Sie müssen doch gestehen, daß sich die gute Frau sehr lächerlich gemacht.

BLÜMLEIN. Das ist in der Ordnung – die Leute haben gegessen, getrunken, und die Frau vom Haus ausgelacht.

BARONINN. Ein solcher Aufwand! wer ist denn die Frau von Scholl?

BLÜMLEIN. Ja, das bitte ich Sie, wer ist die Frau von Scholl?

BARONINN. Wenn ich wieder sagen wollte, was ich gestern von ihr gehört –

BLÜMLEIN. O sagen Sie, reden Sie – ich habe noch allerley Besuche zu machen, und bin um Neuigkeiten verlegen.

BARONINN. Hernach. – erst muß ich von mir mit Ihnen sprechen.

BLÜMLEIN. Ein Gegenstand, an dem die Verleumdung mit Ehrfurcht vorübergeht.

BARONINN. Wissen Sie also, warum ich gestern mitten in dem Schlaraffenleben so leblos da saß? – mein Geld ist ausgegangen.

BLÜMLEIN. Wenn es nur wieder kommt.[129]

BARONINN. Leider bin ich mit meinem Vermögen fertig, aber es ist nicht meine Schuld.

BLÜMLEIN. Weiß, weiß, die Schuld lag am Vermögen. Wäre es größer gewesen, wären Sie wohl noch ein Weilchen damit ausgekommen. Gräfinn Halbern leidet an demselben Übel, und ich fürchte, incurabel, der Geldmangel ist wirklich eine Damenkrankheit geworden.

BARONINN. Die stolze Gräfinn Halbern – ei – seht doch, ist sie auf dem Grund? was wird sie anfangen?

BLÜMLEIN. Was werden Sie anfangen?

BARONINN. Meine Töchter haben Geld.

BLÜMLEIN. Für Sie unangreifbar, ungenießbar –

BARONINN. Meine Lage ist entsetzlich.

BLÜMLEIN. Das glaube ich. Ein Mensch ohne Geld ist ein Körper ohne Seele, alle Lebensgeister kommen ins Stocken. Wundre mich nur, wie Sie sich noch so aufrecht halten, nicht ins Bette begeben, nicht um den Doctor schicken.

BARONINN. Sie sind mein Doctor, meine einzige Stütze –

BLÜMLEIN. Lehnen Sie sich nicht zu stark auf mich, wir möchten beyde fallen.

BARONINN. Auf Sie hab' ich mein Vertrauen.

BLÜMLEIN. Das erleichtert allerdings die Cur. Also – den Puls hätte ich gefühlt, er geht schwach, braucht Reitzmittel, Stärkung. Jede Krankheit ist ein Bestreben der Natur, einen unnützen Stoff los zu werden; was könnten wir also mit Erfolg fort schaffen? – etwa Ihren Schmuck?

BARONINN. Keinen Stein davon.[130]

BLÜMLEIN. Hartnäckige Patienten sterben lieber, als daß sie einen nöthigen Schnitt ertragen.

BARONINN. Dieser träfe gerade das Herz.

BLÜMLEIN. Aber ohne Operation ist an keine Hülfe zu denken. Das wäre eine Radicalcur; – Gräfinn Halbern hat sich dazu entschlossen.

BARONINN. Die Unglückliche!

BLÜMLEIN. Und mit einer Ruhe, mit einer Fassung, die mir bey meiner langen Praxis noch nicht vorgekommen. Blümlein, sagte sie, Sie kaufen manchmahl so altes Zeug, es unterhält Sie, es umfassen zu lassen; ich will das geschmacklose Wesen nicht mehr tragen; was geben Sie für den Plunder? – Ich suchte meine besseren Augen, besah und erwog, schätzte, und kaufte. Das setzt mich auch außer Stand, Euer Gnaden mein kleines Capital anzubiethen; ja selbst, wenn Sie sich auch zu einer solchen Erleichterung entschlössen, ich müßte dafür einen andern Käufer suchen.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 2, Wien 1817, S. 128-131.
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