Dritter Auftritt

[233] Grundmann, Ferdinand


GRUNDMANN nach einer Pause. So habe ich Herrn Bilau lange nicht gesehn.

FERDINAND. So hart –

GRUNDMANN. So felsenfest –

FERDINAND. Unerbittlich. –

GRUNDMANN. Unerweichlich –

FERDINAND. Zu dem Aeußersten –

GRUNDMANN. Entschlossen.

FERDINAND. Wie? Sie glauben, er könnte –

GRUNDMANN. Das Geschäft eingehen, selbst noch eine Frau zu nehmen? Bin es überzeugt.

FERDINAND. Drohung, leere Drohung.

GRUNDMANN. Halte es für volle Gewißheit.[233]

FERDINAND. Die Heirath wäre –

GRUNDMANN. Abgeschlossen.

FERDINAND. Nimmermehr – nimmermehr.

GRUNDMANN. Steht zu erleben.

FERDINAND schreit. Grundmann!

GRUNDMANN. Belieben?

FERDINAND. Kommen Sie her, sehen Sie mich an – grade heraus, was halten Sie von der Sache?

GRUNDMANN. Lieber Herr Bilau –

FERDINAND. Weichen Sie mir nicht aus.

GRUNDMANN sieht ihn an, seufzt. Ach – Sie sind zu bedauern.

FERDINAND. Um Gotteswillen!

GRUNDMANN leise. Ich könnte – ich weiß. Schlägt sich auf den Mund. Pfui, du alte Plaudertasche, kannst nicht schweigen?

FERDINAND dringend. Sie sollen reden, alles sagen, was Sie wissen.

GRUNDMANN. O, ich weiß –[234]

FERDINAND. Was?

GRUNDMANN. Nichts Herr Bilau, nichts Will gehn.

FERDINAND. Hat mich denn alles verlassen! – Keinen Vater, keinen Freund!

GRUNDMANN schleicht sich auf den Zehen näher. So hören Sie denn – es ist im Werk –

FERDINAND. Was ist im Werk?

GRUNDMANN. Ich habe abgerathen – aber er will –

FERDINAND. Was will er?

GRUNDMANN. Sie alteriren sich –

FERDINAND. Nein, nein. Hält mit Mühe an sich.

GRUNDMANN. Sie sind zu heftig.

FERDINAND zwingt sich. Ruhig – sehen Sie, ganz ruhig. Er ballt das Tuch zusammen.

GRUNDMANN leise. Sie kommt noch heute an.

FERDINAND. Wer?

GRUNDMANN wie oben. Die Braut.[235]

FERDINAND schreit. Die Braut?

GRUNDMANN hält ihm den Mund zu. Stille, stille –

FERDINAND zwingt sich ruhig zu scheinen. Nur weiter, weiter; ich kann alles hören – Sie sehen ja, ich bin ruhig, bin auf alles gefaßt.

GRUNDMANN. Auf alles? Das ist gut, denn es kömmt ärger, immer ärger.

FERDINAND aengstlich. Grundmann –

GRUNDMANN. Es ist eine sonderbare Grille.

FERDINAND. Welche?

GRUNDMANN. Daß er – es ist unglaublich –

FERDINAND wieder heftiger. Was?

GRUNDMANN. Das er ein armes Bauermädchen vom Pfluge weg –

FERDINAND. Was sagen Sie da?

GRUNDMANN. Die Wahrheit.

FERDINAND. So weit könnte er sich vergessen?[236]

GRUNDMANN. Hat sich schon vergessen, alles richtig.

FERDINAND. Nimmermehr.

GRUNDMANN. Beide Partheien stehen schon gleichsam an dem lauten Ja.

FERDINAND. Grundmann! – Mein Glück, mein Leben, meine Ehre liegt jetzt in Ihren Händen.

GRUNDMANN. Kostbare Artikel.

FERDINAND. Reden Sie mit meinem Vater – er muß böse Rathgeber haben.

GRUNDMANN. Leute die ihn aufhetzen.

FERDINAND. Sein Sie mein guter Engel, bringen Sie ihn von diesem Entschluß ab. – In seinen Jahren eine solche Heirath, es ist eine Thorheit –

GRUNDMANN. Eine Beschimpfung.

FERDINAND. Die ganze Stadt wird davon reden. – Wenden Sie dies Unglück von unserm Haus; Sie sind sein Freund, reden Sie mit ihm, sagen Sie ihm, daß ich immer ein gutes, folgsames Kind war.

GRUNDMANN. Will den Artikel herausstreichen.

FERDINAND. Daß ich sterbe, wenn er –[237]

GRUNDMANN. Will von dem zeitlichen Hinscheiden sprechen, will alles thun, was zu Ihrem wahren Glücke beitragen kann; – aber, wenn alles fruchtlos ist, und er, wie ich fürchten muß, auf seinem Entschlusse beharrt, wie dann?

FERDINAND. Dann – dann –

GRUNDMANN. Dann retten wir des Vaters Ehre durch einen festen, männlichen Entschluß, reißen das Herz los, wo es nicht glücklich werden soll, reichen mit des Vaters Seegen einem braven Mädchen unsre Hand, ja – Sie bringen uns die Braut ins Haus, auf Ihre Hochzeit wird getanzt, der Sohn ist Bräutigam und nicht der Vater – und Grundmann sitzt im Winkelchen bei einer Flasche, läßt Braut und Bräutigam und seinen Prinzipal hoch leben. Er ist ein Ehrenmann, er lebe hoch! Ab.

FERDINAND ruft ihm nach. Bringen Sie mir Antwort, bald – mich verzehrt die Angst. Geht herum. In welcher Lage bin ich! – Die Räthin ist unerbittlich, Rosaliens Leichtsinn ängstet mich, die Schüchternheit ihrer Schwester stößt alle Freier zurück, Rosaliens Munterkeit zieht jeden an. Dort ist noch an keine Hochzeit zu denken – hier will man, daß sie morgen schon gefeiert werde. – Was soll ich thun?[238]


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neueste Schauspiele. Band 9, Berlin 1821, S. 233-239.
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