Nr. 1. Introduktion.

[3] Adam geht auf und ab und streicht Messer. Lux kommt aus der hintern Stube.


LUX mit Behagen.

Es ist gewiß und wahr:

Gesegnet ist dies Jahr

Für Doktor und Barbierer!

ADAM bei Seite.

Er foppt die ganze Welt,

Der alte Pflasterschmierer,

Er prellt' die Leut' um's Geld,

Der dumme Dorfbarbierer.

LUX Adam bemerkend.

Steht Er schon wieder müßig da?

ADAM.

Ich schleife meine Messer ja!

LUX barsch.

Bedien' Er seine Kunden,

Und schleich' Er nicht umher!

ADAM für sich.

Er brummt zu allen Stunden,

Der alte Zottelbär.


Margarethe tritt auf.


LUX.

Ach, Frau Schmiedin! grüß Euch Gott!

MARGARETHE weinend.

Ach! Herr Lux, mein Mann ist todt!

LUX erschrocken.

Was, todt? Hat er auf mein Geheiß

Auch Schinken brav gegessen?

MARGARETHE.

Ach ja! Er aß ihn centnerweis.

ADAM lachend bei Seite.

Haha, der hat sich todt gefressen.

LUX.

Ich stehe da verwund'rungsvoll

Und weiß nicht, was ich sagen soll.[3]

ADAM. MARGARETHE.

Da steht er ganz verwund'rungsvoll

Und weiß nicht, was er sagen soll.


Peter tritt auf.


LUX ihm entgegen.

Herr Schneidermeister! was bringt Er!

SCHNEIDER.

Herr Lux! ich komm' voll Freude her,

Ich bin ihm höchst verbunden,

Mein Fieber ist verschwunden.

LUX selbstgefällig.

Da hört Sie's selbst, Frau Margareth,

Wie meine Kunst von Statten geht.

SCHNEIDER.

Da half nicht Pulver oder Saft,

Schon sank mein Muth danieder,

Drauf' aß ich Schinken, neue Kraft

Gab mir dies Mittel wieder.

LUX.

Da hört Sie's selbst, Frau Margareth,

Daß meine Kunst mit Ruhm besteht.

O esset Schinken nur, das ist die beste Kur.


Zu Adam.


He, Adam, geschwind mein Protokoll!

ADAM für sich im Abgehen.

Das ist von Albernheiten und Schinkenflecken voll.


Kommt mit dem Buch zurück.


LUX schreibt in's Buch.

O du göttliches Rezept.

Welches jede Krankheit hebt.

Schinken, merkt es Euch, Ihr Leut'!

Und posaunt es weit und breit,

Sind für Schneider unentbehrlich,

Und für Schmiede höchst gefährlich.

MARGARETHE.

Traurig ist mein Witwenstand!

ADAM UND PETER.

Ach der Tod löst jedes Band!

LUX zu Margarethe.

Munter, Weibchen, wohlgemuth!

Weint nicht um den Mann, er ruht.

ADAM UND PETER.

Munter, Weibchen, wohlgemuth!

Es giebt wack're Männer,

Frische Heirath macht das gut,

Glaubt, ich bin ein Kenner.[4]

SCHNEIDER.

Euer Mann war ja schon alt!

MAGARETHE.

Und von häßlicher Gestalt.

LUX.

Trinken konnt' er auch recht schön.

MARGARETHE.

Oft konnt' er vor Rausch nicht steh'n.

ADAM. SCHNEIDER.

Nun, so quält Euch nicht mit Fleiß,

Es kann Euch nicht fehlen;

Männer gibt es dutzendweis

Ihr dürft ja nur wählen.

ALLE VIER.

Statt weinen muß man lachen

Und nur bald Hochzeit machen;

Es sei nun wie es sei,

Vorbei ist halt vorbei.

Dialog.


LUX. Ja, meine liebe Frau Margarethe, Sie ist noch ein wack'res Weibchen, Sie wird gewiß noch einen wackern Mann finden, mit dem sie glücklich leben kann.

MARGARETHE. Ich bin nur gekommen, meine Schuldigkeit – Gibt ihm Geld.

LUX. Nachbarliche Freundschaftsdienste – Er steckt hastig das Geld ein. Befehle Sie, Frau Margarethe, über mich bei Tag und Nacht zu allen Stunden.


Margarethe geht ab. Lux begleitet sie bis zur Thür.


ADAM für sich. Geld ist unsere Loosung! Wer im Rohre sitzt, hat gut Pfeifen schneiden.

PETER. Auch ich, Herr Lux, will erkenntlich sein. Er bezahlt Lux.

LUX nimmt schnell das Geld. Laß Er es sein, lieber Peter! Wenn ich meinem Nächsten dienen kann, geschieht es auch aus gutem Herzen. Esse Er nur wacker Schinken, das ist eine Universalmedizin für alle Krankheiten. Es lacht mir das Herz im Leibe, wenn ich daran denke, daß ich der Erfinder[5] dieses Arcanums bin. Leb' Er wohl, lieber Herr Peter! Ich habe dringende Geschäfte! Ihr Diener, Herr Peter! Gehorsamer Diener!


Peter ab.


LUX. He, Adam! Wie lange steht Er noch und streicht Messer? – Wie stehts mit den Barbierkunden?

ADAM. Schlecht – Ist bald geschliffen. – Ein willig Pferd muß man nicht übertreiben. – Nur Geduld! – Ein Keil treibt den andern. Ich muß zum Richter nach Zaundorf.

LUX. War Er denn nicht gestern dort?

ADAM. Ich habe mich verspätet. Wer gern zankt, findet leicht Ursache.

LUX. Was war's weiter?

ADAM. Ich verweilte mich beim Verwalter, das war gut; der alte Martin, der Scheundrescher, stieg auf den Heuboden; vermuthlich hatte er ein Glas zu viel getrunken, und das war gut; der Kopf war ihm schwindlich, er fiel auf die Tenne herab und schlug sich ein Loch in den Kopf; das war gut.

LUX. Narr, das war nicht gut.

ADAM. Ich legte ihm warmen Wein auf, das war gut. Der besoffene Kerl war aber grob und hieß mich einen Esel, das –

LUX einfallend. Das war gut!

ADAM. Ich wurde toll und lief davon.

LUX. Wo bleibt aber die Bezahlung? Dummkopf! – Man kann seinen Nebenmenschen dienen – aber für Geld. Steht Er bei mir umsonst in Brod? Solche Schlingels könnte ich genug haben.

ADAM brummt für sich,. Drei Schüsseln gibt er leer, und in der vierten ist nichts drin.

LUX. Ich glaube, Er brummt noch?

ADAM. Ein Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird.[6]

LUX. Geh' Er, bedien' er Seine Kunden fleißiger, oder ich jage Ihn seiner Wege. Adam geht. Noch ein Wort! Wer war gestern hier, indem ich im Schlosse barbierte?

ADAM. Der Herr Joseph, – und das war gut.

LUX. Der Müßggänger schwärmt stets um mein Haus herum. Hat er mit Suschen gesprochen?

ADAM. Gelegenheit macht Diebe. Gestohl'nes Gut schmeckt besser. Er kam herein und grüßte mich; das war gut; dann schlich er zu Suschen, küßte ihr höflich die Hand, und das war gut.

LUX. Höll' und Teufel mit Seinem verdammten »das war gut!« Die Maulaffen sollen nicht Hände küssen, ich will diese Leckerei durchaus nicht dulden! Vom Kleinen steigt man zum Größten. – Kerl, Du jagst mir die Galle in's Blut! Ich möchte rasend werden! Ich berste noch vor Zorn und Ärgernis.

Quelle:
Johann Baptist Schenk: Der Dorfbarbier, von Joseph Weidmann, Leipzig [o. J.], S. 3-7.
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