Zehender Aufftrit.


[147] Die Vorigen. Blandina.


BLANDINA. Ihr Mägdel seyd ihr bald richtig? Ihr solt flugs in die Stube kommen. Was ihr da erfahren werdet / das dürfft ihr ietzo nicht wissen. Doch die Herren verzeihen meiner Grobheit / daß ich sie verstören muß.

BALDUIN. Meine Frau hat in ihrem Hause zu befehlen.

DONAT. Und durch die Ankunfft so einer lieben Person können wir nicht verstöret werden.

BLANDINA. Sie verzeihen nur den losen Kindern / daß sie fort müssen. Was vorgehet / das geschiehet vielleicht ihres bestens wegen. Geht geht ihr Mägdel / die alten Herrn sind auff guten Wege. Wo ihr zu langsam kommt / haben wir gedoppelte Mühe.


Villenchen und Urselchen gehn ab.


BLANDINA. Sie werden bey den groben Keulen gar lange Weile gehabt haben.

BALDUIN. Der geliebtesten Frau Mutter beliebt nur also zu schertzen.

DONAT. Oder wir sollen so viel draus verstehen / daß die lieben Kinder bey uns lange Weile gehabt haben.

BLANDINA. Nun nun / wir wollen nicht gar zu tieff in die Schrifft mit einander kommen. Ich dencke die Kinder werden mit einander so erzogen seyn / daß ein ehrlicher Mensch mit sie auskommen kan.

BALDUIN. Ach ja die Aufferziehung ist Lobens werth / und eine Hand / welche das meiste dabey gethan hat / muß man küssen.

BLANDINA. Meine Hand hat nicht viel gethan. Doch der liebe Gott hat das Gedeyen gegeben.

BALDUIN. Das Gedeyen ist ohne Zweiffel auf das andächtige Gebeth der Frau Mutter erfolget.

BLANDINA. Ach ja ich bete gar fleissig / der liebe Gott soll mir einen frommen Eydam bescheren.

BALDUIN. Liebste Frau Mutter / wofern sie darum gebeten hat / so wird sie an meiner wenigen Person nicht betrogen seyn. Sie beliebe nur zu befehlen / worinn ich ihre Affection sonst verdienen[148] kan: Ich will erweisen / daß ich allemahl den Titul eines gehorsamen Sohnes verdienen werde.

BLANDINA. An unsern armen Orte wissen wir nicht / was befehlen ist

BALDUIN. Wir sind ehrliche Leute. Was das Hertze meinet / das muß die Zunge reden. Ich halte / so eine Wolthat verdienet wohl eine Auffwartung. So ein liebes Kind hätte ich in der gantzen Welt nicht gefunden / und so eine liebe Frau Mutter hätte mir das Glücke sonst nicht zugewiesen.


Er umfasset sie.


BLANDINA weinet. Ach so kan einer redlichen Mutter das Hertze genommen werden!


Sie will sich die Augen wischen / und läst das Schnuptuch fallen: Balduin greifft darnach.


BLANDINA. Ach nein / ach nein / ich lasse es nicht geschehen.

BALDUIN. Es ist meine Schuldigkeit.

BLANDINA. Ich kan mir das Schnup-Tuch schon selber auffheben.

BALDUIN. Aber nun soll sie ein getreuer Sohn der Mühe überheben.

BLANDINA. Ach er verzeihe mir doch / daß ichs geschehen lasse.

BALDUIN. Die Ehre und der Danck ist meine / daß sie es hat geschehen lassen.

BLANDINA ad Spect. Ach ihr Leute / was vor feine Menschen hat uns der liebe Gott zugewiesen! Ja ja es thut einer Mutter sanffte / wenn sie von ihrem zukünftigen Schwieger-Sohne so bedienet wird. Er solls auch wieder um mich zu geniessen haben. Mich deucht / wenn sie bald im Anfange so freundlich thun / so kan man sie hübsch nach der Hand ziehen / daß sie nicht aus dem Geschirre schlagen.

BALDUIN. Nun meine liebste Frau Mutter / hat sie sonst was zu befehlen?

BLANDINA. Weil er mich so beständig Frau Mutter heist / so verzeihe er mir doch / daß ich spreche / Herr Sohn / ich hätte was zu gedencken.

BALDUIN. Soll es etwan im Vertrauen geschehen?

BLANDINA. Ach nein / es gehet den Herrn auch an. Sie haben sich alle beyde meiner Tochter und meiner Muhme wegen lassen anmelden. Nun hat es bey den alten Herren wol ein bißgen harte gehalten /[149] aber wenn sie noch Lust haben / so können sie morgen auff das Rath-Hauß kommen / und um das Bürger-Recht anhalten: Damit sollen sie erkennen / was Mütterliche Liebe und Treue zu bedeuten hat.

BALDUIN. Ich erkenne den gütigen Rath mit demüthigen Dancke.

DONAT. Und weil ich in dieser Recommendation mit eingeschlossen bin / so muß ich mit einer schuldigen Erkäntnüß zugleich erscheinen.

BLANDINA. Die Herren wissen genung: Nun muß ich sehen / was die Männer machen. Sie geht ab.

DONAT. Die Sache läufft noch glücklich genung. Die Regel bleibt doch wahr. Wer die Tochter haben will / der halt es mit der Mutter.

BALDUIN. Weil das Glücke nicht besser kommen will / so muß es gut seyn. Die Leute seyn vor uns zu simpel: Aber was wollen wir machen?

DONAT. Es ist besser in einem kleinen Städtgen fett gelebt / als in einer grossen Stadt hunger gelitten.

BALDUIN. Wäre das liebe Hunger leyden nicht erdacht worden / die gute Frau Blandina hätte die Worte nicht von mir kriegt.

DONAT. Was hilffts? Zufriedenheit und Gedult helffen uns aus vieler Ungelegenheit. Wir wollen sehen / daß wir auff dem Rath-Hause morgen fortkommen.

BALDUIN. Wo wir noch ein Examen aus Münsteri Cosmograpfie ausstehen sollen / so wird uns das Bürger-Recht theuer ankommen.

DONAT. Zum wenigsten werden sie uns mit dem Lateinischen nicht verrathen / und unsere Kunst wird in der Frau Mutter Sprache müssen gethan seyn.


Sie gehn ab.


Quelle:
Komödien des Barock. Reinbek bei Hamburg 1970, S. 147-150.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Paoli, Betty

Gedichte

Gedichte

Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.

278 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon