2. Der ungedultige Liebhaber

[42] 1.

Ich hab ein bißgen lieb gehabt,

Vnd habe meinen Sinn gelabt,

Doch nun wil ich mich selbst verstöhren.

Denn weil es gleich am besten schmäckt

Vnd wann man noch die Finger leckt,

Da ists am besten auffzuhören.


2.

Es ist doch lauter Kinderey

Mit der verliebten Löffeley:

Wie müssen wir die Zeit verderben,

In leerer Furcht und Hoffnung stehn,

Vnd manchen Gang vergebens gehn,

Eh wir ein bißgen Gunst erwerben.


3.

Vnd wann sie nun erworben ist,

So währt es eine kurtze Frist,

Biß wir sie wiederum verschütten,

Ein Schritt, ein Wort, ein eintzig Blick

Treibt alle Freundlichkeit zurück,

Vnd da hilfft kein Genade bitten.


4.

Die Mädgen wollen lustig seyn,

Drum lieben sie uns auff den Schein,

Der blossen Zeit-vertreibung wegen:

Doch weil es nur am Glücke liegt,

Daß man sie bey der Laune kriegt,

So kömmt man offt gar ungelegen.


5.

Vnd wann wir noch so sicher seyn,

So stellt sich gar ein ander ein,

Der lernt zu erst die Bahne brechen,

Hernach sucht er Gelegenheit[42]

Durch seine schlaue Freundlichkeit

Vns unvermercket abzustechen.


6.

Da geht das Grillen-fangen an

Wie man den Causenmacher kan,

Bey guter Zeit zurücke treiben,

Doch dessen allen ungeacht,

Ob man sich noch so mausig macht,

Muß er im Sattel sitzen bleiben.


7.

Was hat man dann numehr davon

Als allenthalben Spott und Hohn,

Und tausend Sorgen in den Hertzen?

Ade du lebendiger Tod,

Ich will hinfort mit deiner Noth

In meiner vollen Freyheit schertzen!


8.

Drum lob ich eine Compagnie,

Da wir biß an den Morgen früh

Auff gute Treu und Freundschafft sauffen:

Fürwahr eh ich das Liebes-Spiel

So eyffrig wieder spielen will,

Eh wil ich auß der Stadt entlauffen.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 42-43.
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