[18] 1.
Auf der Hochzeit ist mir keine Lust,
Als die bloße Courtesie bewust,
Wann die Mädgen und Studenten
In der bunten Reihe stehn,
Und mit süssen Complimenten
Endlich auff den Tantz-Platz gehn.
2.
Da ist Freude, da ist Lustigkeit,
Da vergisst man alles Hertzeleid:
Leib und Seele kommt zusammen:
Mancher giebet nur die Hand,
Und wird durch die Liebes-Flammen
Unversehens angebrannt.
3.
Wie liebäugelt mancher Courtisan
Eh er sich ins tantzen finden kan.
Seht wie kömmt er auffgezogen,
Mäulgen geben darff er nicht,
Weil sie mit dem Ellenbogen!
Ihn in das Gesichte sticht.
4.
Endlich kömmt die Fiedel auf den Platz,
Da erwischt ein jeder seinen Schatz:
Dieser geht als wie auff Kohlen,
Der macht einen blossen Paß,[18]
Jener schneidet Capriolen,
Dieser knickt ohn Unterlaß.
5.
Mancher setzt die Beine gar zu krumm,
Einer springt nur umb das Mädgen rumm,
Dieser tantzet im Gewichte,
Jener schont die neuen Schuh,
Dieser kehrt ihr das Gesichte,
Jener gar den Fertzer zu.
6.
Wann ein Mädgen in der Einsammkeit
Stille sitzt und welcke Rüben schneidt,
Kommen bald die Tütschemütter,
Und erwischen mit Verdruß
Irgend einen armen Ritter
Der die Lücke büssen muß.
7.
Also wird das liebe Geld verthan,
Biß man keinen Tantz mehr zahlen kan,
Da spricht man es sey zu späte,
Giebt zum Abschied einen Kuß,
Weil man doch auff die Karrete,
Noch zwey Groschen wagen muß.
1.
Lustig ihr Mädgen die Hochzeit ist auß,
Wandert mit euren Bedienten hinauß,
Lasset euch aber beyleibe nicht hertzen,
Gehet fein leise, die Mutter die wacht,
Lasset die Kerlen ein andermahl schertzen
Hätten sie vormahls sich lustig gemacht.
2.
Gehet geschwinder ihr Kindergen ihr,
Leget euch nieder und schlaffet darfür,
Sehet die armen verliebeten Schafe,
Sind sie nicht truncken, sie stehen gar kaum,
Springet inzwischen und tantzet im Schlafe,
Morgen erzehlet den lustigen Traum.
3.
Gehet und leget euch immer zur Ruh,
Hört ihrnoch lange den Ständigen zu?
Sehet die Mutter die legt sich ans Fenster,
Nehmet euch besser im Finstern in acht:
Wünschet ihr niedlichen Gassengespenster
Allerseits eine geruhige Nacht.
Buchempfehlung
Camilla und Maria, zwei Schwestern, die unteschiedlicher kaum sein könnten; eine begnadete Violinistin und eine hemdsärmelige Gärtnerin. Als Alfred sich in Maria verliebt, weist diese ihn ab weil sie weiß, dass Camilla ihn liebt. Die Kunst und das bürgerliche Leben. Ein Gegensatz, der Stifter zeit seines Schaffens begleitet, künstlerisch wie lebensweltlich, und in dieser Allegorie erneuten Ausdruck findet.
114 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro