8. Das umgekehrte Kartenspiel

[19] 1.

Wann wir die eitlen Sachen

Der süssen Löffeley

Uns etwas kundbar machen,

So ist die Fantasey,

Wo man die Warheit sagen wil,

Ein umgekehrtes Karten-Spiel.


2.

Ein Spieler wirfft die Blätter

So eyferig auß der Faust,

Das manchem das Geschmetter

Lang in den Ohren saust,

Ein Buhler giebt in stiller Ruh

Den höchsten Trumpf verschwiegen zu.


3.

Ein Spieler will gewinnen,

Und wann es doppelt steht,

So richtet sein Beginnen

Sich eintzig auffs Labeth:

Ein Buhler nimmt sich schlecht in acht,

Ja er verspielet mit Bedacht.


4.

Ein Spieler mischt die Karten,

Biß er das höchste Blat

Nach viel versuchten Arten

In seinen Händen hat:

Ein Buhler wünscht in seiner Pein

Nur das geringste Blat zu seyn.


5.

Ein Spieler wird verdrossen

Und meint es sey geschehn,

Wann seine Spielgenossen

Ihm in die Karte sehn:

Ein Buhler zeiget seiner Zier

Die Blätter ungebeten für.


6.

Wiewol bey solchen Händeln

Geht der Verlust noch hin,

Man mag gleich alles vertendeln

So hat man doch Gewinn.

Denn der verspielt bleibt immer reich

Und der gewinnt, verspielt zugleich.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 19-20.
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