[20] 1.
Sprecht mich nicht weiter an
Um ein verliebtes Lied,
Denn ich bin außgethan
Wo Lust und Liebe blüht,
Das Gras ist abgemeyht,
Die Rosen sind vergangen,
Der Winter führt das Leid
Und hat sich angefangen.
2.
Ich fühle keine Lust
Die mich zum Versen treibt,
Weil meine kalte Brust
Unangefochten bleibt:
Das harte Silber fleust
Nur bey der grossen Hitze,
Und der Poeten Geist
Wird nur im Lieben nütze.
3.
Wie kan ich itzt betrübt
Und wieder frölich seyn,
In dem mir nichts beliebt
Von Anmuth oder Pein.
Soll mein erfrornes Hertz
Von Glut und Flammen singen,
Und soll der kalte Schertz
Die spröde Feder zwingen?
4.
Ach nein die Aloe,
Der Zucker und Zibeth,
Macht weder wohl noch weh,
Wann der Geschmack vergeht.
Man muß die Eitelkeit
Der Liebe noch ertragen,
Will man von Freud und Leid
Gereimte Reimen sagen.
5.
Der ist fürwar nicht klug,
Der ohn ein Seitenspiel,
Durch einen Selbst-Betrug,
Verschwiegen tantzen will:
Und so wird mein Gedicht[21]
Ein schlechtes Vrtheil fühlen,
Wo die Begierden nicht
Die Sarabande spielen.
6.
Geh zarte Poesie,
Du bleibst mir unbewust,
Geh meine süsse Müh,
Itzt meine saure Lust,
Ich schreibe was ich kan,
Ihr aber meine Brüder,
Sprecht mich nicht weiter an,
Umb Schertz- und Liebes-Lieder.
Buchempfehlung
Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.
128 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro