[80] 1.
Ach Rosilis du süsses Kind
Wie bistu gegen mir gesinnt,
Darff ich dich länger lieben?
Wie oder soll ich deinen Sinn
Nicht mehr damit betrüben,
Auff deinen Willen zieh ich hin,
Nur mach es nicht so ungewiß,
Ach Rosilis.
2.
Ach Rosilis zu deiner Pein
Will ich dir nicht behülfflich seyn,
Sollst du deßwegen leiden,
Daß ich bißweilen umb dich bin,
So will ich dich zwar meiden:
Jedoch erkläre deinen Sinn,
Gefällt dir jenes oder diß
Ach Rosilis.
3.
Ach Rosilis wie war ich doch
So wunder-seelig als ich noch
Dich friedlich konnte küssen,
Nunmehr vor einer langen Zeit
Hast du dich ändern müssen,
Als ich in meiner Sicherheit
Mir in die Karte sehen ließ,
Ach Rosilis.
4.
Ach Rosilis dasselbe mahl
Hab ich nicht eine schlechte Qual
In deiner Brust vermehret,
Und mir war auch nicht wohl dabey
So bald als ich gehöret[80]
Daß ich mit dir verrathen sey,
Du weist den Jammer der mich stieß
Ach Rosilis.
5.
Ach Rosilis wie hab ich mich
Seit dieser Zeit so wunderlich
Mit List an dich gestohlen,
Man dörffte zwar zu mir und dir
Die Häscher langsam holen,
Jedoch der Neid tritt uns dafür
Und gibt uns manchen scharffen Biß,
Ach Rosilis.
6.
Ach Rosilis nun last uns auch
Ein übel-angenommner Brauch
Gar kaum beysammen stehen,
Doch soll diß schöne Liebes-Band
So bald nicht untergehen:
Ich bleibe noch in deiner Hand
Mein Kind und liebe dich gewiß,
Ach Rosilis.
7.
Ach Rosilis nun gute Nacht,
Mein grosses Ungelücke macht
Daß ich dich muß verlassen,
Doch eh ich dein vergessen will
Werd ich mich selbsten hassen,
Du bleibst mein angenehmes Ziel,
Mein Trost, mein Leben, mein Geniß,
Ach Rosilis.
8.
Ach Rosilis ich werde nun
Mit dir nicht mehr so freundlich thun,
Wer weiß wann ich dich wieder
In gutem Glücke sehen kan,
Indessen nimm die Lieder
Vor ein bewährtes Zeugnüß an,
Dein Daphnis liebet dich gewiß,
Ach Rosilis.
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