11. Das unempfindliche Hertze

[124] 1.

Ich wolte mich gerne verlieben,

Fürwahr ich kan nur nicht,

Der Kützel ist lange vertrieben

Der junge Leuthe sticht,

Ich seh die Mädgen an,

Als wie ein alter Mann.


2.

Die Pfeile der lieblichen Blicke

Sind viel zu stumpff vor mich,

Die Reden, die niedlichen Stricke,

Ziehn ab und schämen sich,

Weil ihre leise Krafft

So wenig Nutzen schafft.


3.

Die Rosen der zierlichen Wangen,

Die Lippen von Rubin,

Die geben sich selber gefangen,

Je mehr sie sich bemühn,

Je mehr ist ihre Last

Mir eitel und verhast.


4.

Die Reihen der artigen Hände,

Die Alabaster-Haut,

Da mancher Verliebter kein Ende

Zu seiner Wohllust schaut,

Dieselben kommen mir

Todt und verdorben für.


5.

Die Freude der reitzenden Ballen,

Die wunder-schöne Brust,

Mag andern Personen gefallen,

Ich hasse diese Lust,

Und die Gelegenheit

Zu solcher Eiterkeit.


6.

Sie mögen ihr Angesicht weiden,

Noch hundertmahl so schön,

Sie mögen sich butzen und kleiden

Und vor den Spiegel stehn,

Nunmehr so bleib ich schon

Am liebsten weit darvon.


7.

Drum weichet ihr zarten Gesichter,[125]

Blickt mich nicht weiter an,

Mein Hertze sey zwischen uns Richter,

Daß ich nicht lieben kan,

Bemüht euch anderswo,

Ich bleibe lieber so.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 124-126.
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Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

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