6. Phillis muß einen haben, der wie Milch und Blut aussieht

[63] 1.

Maedgen must du mich betrüben,

Kanst du meinen treuen Sinn

Nicht ein bißgen wieder lieben,

Weil ich doch dein Diener bin?

Ach es kommt mir nicht so gut,

Ich bin nicht wie Milch und Blut.


2.

Bring ich gleich die jungen Tage

Mit verliebten Sorgen zu,

Hab ich doch vor meine Plage

Keine vielgewünschte Ruh,

Denn es kömmt mir nicht so gut,

Ich bin nicht wie Milch und Blut.


3.

Das ist noch mein Ungelücke

Und die allerschwerste Pein,

Daß ich meinen Feind erblicke

Wo ich gerne wolte seyn,

Diesem kömmt es nun so gut,[63]

Denn er ist wie Milch und Blut.


4.

Niemand darff dir zu Gefallen

Einen Liebes-Trempel gehn,

Denn der Esel ist für allen

Doch in deinen Augen schön,

Ach es kömmt ihm trefflich gut,

Weil er ist wie Milch und Blut.


5.

Nun ich bin ohn allen Zweiffel

Auch nicht eine Fleder-Mauß,

Ich seh auch nicht wie der Teuffel

Oder sonst ein Wetter auß,

Alles alles wäre gut,

Wär ich nur wie Milch und Blut.


6.

Ach wer will mich schöner mahlen

Kommt ihr Meister kommt hieher,

Gerne will ich euch bezahlen,

Wann es tausend Tahler wär,

Trauet mir, mein Geld ist gut,

Mahlt mich nur wie Milch und Blut.


7.

Nun da wil ich brave stutzen

Als ein Kerl von Raison,

Da will ich mich besser butzen

Als ein kleiner Fürsten-Sohn,

Dann da werd ich gleich so gut,

Wann ich bin wie. Milch und Blut.


8.

Doch dieweil ich mehr begehren

Mehr von Hertzen wünschen kan,

Als mein Glücke wil gewähren,

Seh ich meinen Unstern an,

Ach es kömmt mir nicht so gut,

Ich bin nicht wie Milch und Blut.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 63-64.
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