1. Auff einen alten Tantz-Knecht

[158] 1.

Ach weh! mir armen Junggesellen,

Wir werden gar zu langsam klug,

Weil wir uns thum und alber stellen,

So fährt die Zeit den schnellen Flug,

Eh wir uns eigentlich besinnen,

Mit aller Lustigkeit von hinnen.


2.

Der Anfang von den jungen Jahren

Sol auch der liebe Wachsthum seyn,

Da sol das zarte Volck zu paaren,

Die stillen Küsse von sich streun,

Da sol die junge Sehnsucht spielen,

Und Flammen in der Seele fühlen.[158]


3.

Gleichwie ein Schäfgen seiner Weyde,

Begierig nachzugehen pflegt,

So sucht die Jugend ihre Freude,

Da wird nichts übels außgelegt,

Da schnäbeln sich die glatten Mäulgen,

Und plücken ihre Mertzen-Veilgen.


4.

Doch, wann man schon an seinen Wangen

Den Bart mit tausend Stacheln fühlt,

Und hat es noch nicht angefangen,

So hat man mehr als halb verspielt,

Und will man mehr auff Kurtzweil harren,

So wird man mehrentheils zum Narren.


5.

Es heist die Blumen sind vergangen,

Die Knospe sol zu Samen stehn,

Und wann man alles kan erlangen,

So muß man ins Gefängnis gehn,

Da sich das Elend in den Decken

Der eitlen Liebe sol verstecken.


6.

Wohl dem, der seinen Liebs-Beruffe

Still und gehorsam folgen lernt,

Eh ihm der Jugend letzte Stuffe

Von der Gelegenheit entfernt,

Da kriegt man Sorgen mit den Jahren,

Und muß die Lust dann ewig spahren.


7.

Wann ich mich hin und her besinne,

So hab ich auch die Zeit verseumt,

Und finde was an meinem Kinne,

Daß sich zu keiner Liebe reimt,

Drum wünsch ich offt in diesem Stücke

Ach hätt ich noch zehn Jahr zurücke.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 158-159.
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