[122] Doch wir werden nicht lange schlaffen, denn es gibt schon etwas neues zu schreiben. Eurylas hatte die Qvitten zu sich genommen, und mochte etliche Trüncke Bier drauff gethan haben, also daß er vocation kriegte, das jenige zu verrichten, welches der Römische Keyser in eigener Person, und nicht durch einen Ambassideur, thun muß. Nun muste er den Gang hingehen, und ward beim Mondenscheine gewahr, daß ein Mann, der bey Tische erbar genug außgesehen, sich zu der Magd gefunden, und ihr mit so freundlichen Worten begegnete, als hätte er[122] ein Lüstgen, die Holländische Manier zu versuchen. Eurylas behorchte sie ein wenig, und nach abgelegter Expedition kam er in die Kammer und erzehlte es seinen Schlaffgesellen. Gelanor empfand in seinem Gemüthe einen sonderbahren Abscheu, und sagte, pfuy dich an mit der Pestie. Muß der Kerle nicht ein Narr seyn, daß er offentlich zwar die Erbarkeit spielen kan; heimlich aber sich an einen solchen Schandnickel henckt, die doch nichts anders ist als communis matula da Kutscher und Fuhrleute ihren überflüssigen Unflath hinschütten. Denckt denn der böse Mensch nicht zurücke, daß er zu Hause eine Frau hat, die mit solcher Untreu höchst beleidiget und betrogen wird? Und ich halte nicht, daß er hier vielmehr delicatesse wird angetroffen haben, wo ihn die närrische Einbildung nicht secundirt hat, daß er im Finstern Kühmist vor Butter angegriffen. Er fuhr in dieser Rede fort biß ihm der Schlaff den Mund verschloß. Früh konte er die Schande noch nicht vergessen, und als der Wirth in die Stube kam, sagte er, wie daß er von der Magd dergleichen Leichtfertigkeit in acht genommen, welche nicht dörffte ungestrafft bleiben. Der Wirth lachte, und gab zur Antwort, er könte die Mägde nicht hüten, wann sie ihre Arbeit thäten, wäre er zu frieden: wolten sie im übrigen die Nacht sonst anwenden, und ein Trinckgeld verdienen, so gienge ihm an der Tags Arbeit nichts ab. Und darzu wolten sie sich etwas zimmern lassen, möchten sie zusehn, wo sie einen Ammendienst antreffen, er wolte sehen, wo er andere Mägde kriegte. Gelanor verwieß ihm, daß er hierinn dem Ampte eines rechtschaffenen Haußvaters nicht nachkäme, indem er von GOtt darzu gesetzt wäre, daß er in dem Hause alles erbar und züchtig regieren solte. Auf die Masse würde er selbst nicht viel besser als ein Huren Wirth. Der rümpffte die Nase, und sagte, wenn er so scharff verfahren wolte, würde er wenig Gesinde behalten. Gelanor sagte weiter, wenn es ja mit den Mägden nicht so viel zubedeuten hätte, so wäre es doch zu beklagen, daß manch unschuldiges Blut durch solche Betzen in sein zeitlich und ewigs Verderben gestürtzet würde. Absonderlich wäre es schrecklich, daß sich auch Ehemänner auß solchen Mistpfützen[123] ableschen wolten. Der Wirth zog die Achsel ein, und meinte, man dürffte in dieser Welt nicht alles so genau suchen, es wäre der gemeine Lauff also, und welcher ohne Sünde wäre, möchte den ersten Stein auf solche Leute werffen. Es wären in der Stadt wohl vornehmere Leute, die dergleichen Sachen thäten, und die es als hochvernünfftige Menschen nicht thun würden, wenn es wahr wäre, daß man eben um einer solchen Lust willen müste zur Höllen fahren. Gelanor sagte darauff; es ist nichts desto besser, daß vornehme Leute, durch ihr ärgerlich Exempel, den andern Anlaß zu sündigen geben; doch wenn der Teufel die Grossen hohlen wird, so mögen die kleinen sehen, hinter welchem sie sich verstecken wollen: Entweder Gott muß zum lügner werden, oder die Worte stehen noch feste, daß die Hurer und Ehebrecher Gott richten wird, und daß diejenigen, welche die Wercke des Fleisches vollbringen, das Reich Gottes nicht ererben sollen; aber wer bedenckt diß schreckliche Gericht? und gleichwohl bilden sich die unverständigen Blindschleichen groß Glück ein, ja Gott hat es wohl Ursache, daß er euch freundlich tractiren solte, indem ihr mit seinen Geboten so höfflich wisset ümbzugehen: Blitz und Donner, Pestilentz und theur Zeit, Krieg und Blutvergiessen hättet ihr verdienet, wann nicht etliche arme Kinder, die vielleicht ihr Brod vor den Thüren suchen, durch ihr Vater unser den Himmlischen Vater noch bewegten, daß er umb zehen Gerechter willen dieses Sodoma nicht verderbte. Der Wirth, der sonst im Geschrey war, nicht daß er wie Elisabeth unfruchtbar, sondern daß er hier und da gar zu fruchtbar wäre, hatte keinen Gefallen an der Predigt: Stellte sich derhalben, als müste er weggehen und fragte kürtzlich, ob sie noch etwas zu bestellen hätten. Gelan. begehrte man möchte ihm doch einen Schneider verschaffen, der mitgienge, wenn sie zu Kleidern einkaufften. Der Wirth versprach einen köstlichen Meister in einer halben Stunde mit zubringen. Indessen legte sich Gelanor und Florindo an das Fenster und sahen, was auf der Gasse neues vorlieff, weiln ein vornehmer Fürst gleich fort gereiset, dem zu ehren etliche Compagnien Bürger auffgezogen waren: die schossen in der[124] zurückkunfft ihre Musqueten loß, und platzten, daß es vor frembden Leuten eine Schande war. Unter andern wolte ein armer Tagelöhner, der vor einen andern Bürger auffzog, seine Büchse auch versuchen: Aber als er es knallen hörte, erschrack er so hefftig, daß er die Büchse in die Pfütze fallen ließ. Florindo fieng an zu lachen, daß der Narr nicht sein Platzen bleiben liesse, wann ers nicht besser gelernet hätte, doch hatte Gelanor gar andere Gedancken dar bey, der sagte: Mein Florindo, was wolt ihr den armen Menschen außlachen, der ehe hat schiessen wollen, ehe er es gelernet hat? Geht es nicht in der gantzen Welt also her, daß einer ein Ampt begehrt, darauff er sich sein Lebetage nicht geschickt hat: Gott gebe er lasse darnach die Büchse fallen, oder lasse sich vor die Ohren schlagen, daß ihm der Kopff brummt. Ich kenne Priester, die wenig an das Predigen gedacht haben: wie viel sind Juristen, die ihren Volckmann nicht eher auffgeschlagen, als biß sie keine Bratwurst im Hause gehabt, und auß Noth advociren müssen? da wird ein Professor Mathematum, der sich bey Antritt der Profession den Euclidem erst kauffen muß. Ein ander wird Professor Poeseos der sich selbst verwundert, wo er zum Poeten worden, und dem die sämptlichen Studenten nachsingen.
Quid mirum? Si septipedem versum facit ipse Professor.
Wie sich mancher Officirer in den Krieg schickt, ist mehr als zu bekandt. Wie mancher Kauffmann mit seinem Sonnen-krämgen zu rechte kommt, das sieht man alle Tage. Absonderlich ist in dem Bücherschreiben so eine Menge, die fast im Franckfurter Catalogo nicht mehr Raum hat, und doch wenn man die Liederlichen Tractaten mit den stoltzen Titeln ansieht, so hätte mancher mögen zu hause bleiben, ehe er in der That erwiesen, daß er sich zum Bücherschreiben schicke, wie die Kuh zum Orgelschlagen. In solchen Reden vergieng eine Stunde nach der andern, und verwunderten sich alle, wo doch der Schneider blibe. Endlich kam er, und entschuldigte sich, er hätte gerne eher kommen wollen; allein es sey ihm im Heraußgehen zuerst eine alte Frau begegnet, und weil er auß der Erfahrung wüste, daß solches lauter Unglück bedeute,[125] so habe er nothwendig müssen zurückegehen. Gelanor lachte über die Entschuldigung, und weil es bald Tischzeit war, bestellte er den Schnipschnap nach der Mahlzeit wieder zu sich.