Vier und achtzigstes Exempel.

Ein Heydnischer König in Bulgarien wird durch ein Gemähld, in welchem das letzte Gericht mit allen Umständen so förchtlich als künstlich entworffen war, also erschröckt, daß er sich zum Christlichen Glauben bekehret hat.

[381] Zur Zeit der Kayserin Theodorä, so mit ihrem jungen Printzen das Constantinopolitanische Reich verwaltete, begabe sich ein frommer Ordens-Mann, Methodius genannt, so ein Italiäner und Kunstreicher Mahler ware, an den Königlichen Hof der Bulgaren, welchen der König mit Namen Bogoris, sehr freundlich und liebreich, obwohlen noch ein Heyd, und der Christlichen Liebe unerfahren, empfangen hatte. Man hatte zwar unterschiedliche Mittel, diesen König zu dem Christlichen Glauben zu bekehren, angewendet; aber alles umsonst, dieweil er in den weltlichen und sinnlichen Eytelkeiten dermassen vertieft war, daß er den vernünftigen Ursachen, die man ihme vortruge, kein Gehör gabe. Gleichwie man aber gern siehet, was man liebt; also befahle er Methodio, er solle ihm in seinem neuen Pallast ein sonderbahres Kunst-Stuck von einem Gejagd (dann ihme nichts über hetzen und jagen ware) verfertigen, unterweilen aber etliche erschröckliche Figuren einmischen.


Methodio fiele alsbald ein gutes Concept ein, diesem hartnäckigen Heyden ein heylsame Forcht einzujagen. Nahme den Pensel in die Hand, und an statt des Gejagds fienge er an das letzte Gericht auf das künstlichste zu mahlen. In diesem ware der Himmel mit schwartzen Wolcken umhenckt, aus welchem ein zorniges Wetter herfür brache. Das Meer mit blutigen Wellen erschröcklich anzusehen; aus der Erden schlugen aller Orthen feurige Flammen herfür; in der Mitten sasse der strenge Richter in seinem Thron, auf einem Regenbogen, mit einer unzahlbaren Menge der Englen umgeben; vor dessen Füssen lagen die von den Todten auferweckte Menschen auf ihren Knyen zitterend, und mit einem erbärmlichen Anblick den Ausspruch ihres ewigen Heyls, oder Unheyls erwartende. Unten her erwarteten die Teuffel in unterschiedlichen Gestalten der Vöglen, Thieren, und Meer-Wunder, auf das allergrausamst gemahlet, mit ihren Hacken, Zangen, Ketten und Klauen des Richters Befehl, damit sie ihren Grimmen wider die Verdammten auslassen möchten. Aus dem höllischen Rachen brache ein feuriger Strom, samt einem dicken Rauch herfür, der sich ansehen liesse, als wollte er den Himmel verdecken, und die Erde mit Gift anfüllen.

Indem er dieses Kunst-Stuck verfertigte, wurde er zu unterschiedlichenmahlen [382] von dem König befragt, wie ihm die Arbeit von statten gienge? ob er sie bald vollenden werde? er aber hielte ihn so lang er konnte, auf; damit die Wirckung desto kräftiger wurde, mit Vermelden, daß er ein solches Kunst-Stuck zurichte, dergleichen er sein Lebtag niemahl gesehen; er auch selbsten niemahl unter Handen gehabt habe.


Endlich ware der Tag, an welchem das Werck seinen Meister sollte zu erkennen geben, bestimmt. Der König erschiene samt seinem gantzen Hof. Jederman laufte zu, und wollte seinen Fürwitz an diesem Kunst-Stuck büssen. Als man den Vorhang wegzoge, und die Arbeit sich sehen liesse, stunde der König samt seinen Hof-Herren eine gute Zeit mit Verwunderung darvor. Endlich wendete er sich zu dem Mahler, und sprache: was ist dieses vor ein Gejagd? hierauf nahme Methodius Gelegenheit, ihme das letzte Gericht, die Straf der Gottlosen, und die Belohnung der Frommen zu erklären, welches er also beweglich vorbrachte, daß sich der König in kurtzer Zeit ergabe, das Heydenthum verliesse, und den Christlichen Glauben bekennete.


Wann nun die Farben und die Gemähld eine solche Wirckung haben, was wird dann erst die wirckliche Eröfnung des letzten Gerichts selbsten thun? O GOtt! wie leichter kan man sich dieses einbilden, als mit Worten aussprechen. Causinus Tom. 1. in gemelter Hofhaltung.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 381-383.
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