Das erste Capitel.

Erste Freuden-Geschicht.

[810] Margaretha von Cortona, bittet GOtt um Gnad, ihre Sünd zu erforschen, auf daß sie ein vollkommene Lebens-Beicht verrichte.


Margaretha von Oddo genannt, gleichwie Magdalena von Betania ein Meer-Fräule vieler Anreitzungen, wird nach sündhaft zugebrachten neun Jahren gleichförmig ein Büsserin. Ihr holdseelige Gestalt, ansehnlicher Kleyder-Pracht, liebreiche Art, waren nicht wenigen ein seidener Fall-Strick, forderist einem Edel- Mann, dene sein Reichthum muthig, die Freygebigkeit aber angenehm gemacht. Demnach sie die Geschanck angenommen, hat er ihren Willen und Hertz eingenommen, daß sie mehr diesen, als andere Liebhaber zugelassen. Einsmahls gieng dieser Cavalier mit keinem Diener, sondern von seinem Hund begleitet, aus: wird unversehens von einem seiner Feid erlaueret, angefallen, und um sein blühendes junges Leben gebracht. Der Mörder, demnach er die unreine Seel in Abgrund gejaget, wirft den Leib unter einen Scheitter-Hauffen, dieser soll die Mordthat bedecken, auch dem im Himmel schreyenden Blut das Maul stopfen. Uber ein Zeit kommet der verlassene Hund nach Haus, heulet und klaget, will weder mit Liebkosen erlustiget, oder befriediget werden: er fasset, und ziehet Margaretham bey ihrem Rock leitet, und führet sie auf das Ort, allwo der todte Leib unter dem Scheitter-Hauffen verborgen: da fand sie den Schatz ihrer unziemlichen Lieb; der entseelte Leib kommet ihr ehender mit dem Gestanck in die Nasen, als mit seiner Wunden, und Abscheulichkeit in die Augen. Margaretha ertatteret darüber, der unbußfertige Verstorbene verwundet ihr Hertz zur Buß, der todte Leib macht ihr graußlich alle Menschen-Lieb, und erweckt in ihr einen Geist allen Wollüsten abzusagen.

Sie verfüget sich in ihres Vatters Haus schamroth und reumüthig: ihr Herr Vatter vermerckt, und erforschet [810] die Ursach ihrer Traurigkeit, nimmt sie, gleich dem gütigen Vatter, welcher den verlohrnen Sohn aufgenommen, vätterlich an: entgegen wolte die Stief-Mutter keinen solchen Schand-Fetzen leiden, verstosset sie aus dem Haus, daß sie von Lavian nach Cortona entweichen müssen. Allem ihren Geschmuck, ihre adeliche Kleyder, und Bequemlichkeiten achtet sie nicht, verlasset alles, allein betrachtet sie, der begangenen Sünden loß, und in Kraft wahrer Buß der göttlichen Gnaden fähig zu werden. Zu Cortona bey den minderen Brüderen St. Francisci Ordensbeichtet sie von gantzem Verlauf ihres Lebens. Aber, in nicht wenig Stucken ermanglet bey ihr die Vorbereitung zur Beicht: gleichwie manche Kauf-Leut Pausch-weis handlen, also wolte sie den Schulden-Last ihrer Sünden abhandlen, ohne genaue Erforschung aller sündlichen Gedancken, Wort und Werck auch Unterlassung vieler guten Werck: was massen der Kirchen-Rath von Trient Sess. 14. Can. 7. erforderet. Man soll alle und jede Todsünd erforschen, auch deren Umständ, welche die Sünd unterscheiden: also ist nothwendig, in der Vorbereitung zur Beicht, dieses alles wohl bedencken.

Margaretha vermeynt es doch aufrichtig, verharret schlecht gekleidet in äusserlicher und innerlicher Buß, und bereuet täglich knyend unter einer Bildnus des gecreutzigten HErrn ihre Sünd, bittet inniglich die grundlose Barmhertzigkeit um Gnad. Die Bildnus des Gecreutzigten beweget sich, und sie höret darvon ausgehen eine himmlische zu ihr sprechende Stimm, was begehrest du Armseelige? mit zerknirschtem demüthigen Hertzen antwortet Margaretha, nichts begehre ich, als dich allein mein HErr JEsu! Gleich gieng in ihrer Seelen auf die Morgenröth tröstlicher Hofnung, sie habe Gnad gefunden, dieweilen sie recht und vollkommentlich gebeichtet. Aber hinführo etwas vertreulicher in der Andacht war ihr Begehren und Wunsch vom Himmel, nicht mehr armseelig, sondern ein Kind GOttes genennet zu werden. Gar bald widerredet der gecreutzigte HErr dieses ihr Begehren: Du bist annoch ein böses Kind, armseelig, so lang du nicht vollkommentlich von gantzem deinem sündlichen Leben beichtest. Ach! was ist doch dieses? gnadenreicher Heyland, ist dann meine gethane Beicht nicht vollkommen verrichtet worden? heulet und klaget sie voller Schröcken: also wohl bin ich arm und armseelig, nothdürftig und elend: O Liecht der Welt, der du die Finsternus vertreibest, JEsu der du alles erkennest, und ansihest, deinen Augen ist nichts verborgen, erkläre mir die Finsternus aller meiner schweren Sünden, auf daß ich durch eine vollkommene Beicht recht gereiniget, deiner Erbarmung würdig, dein liebes Kind und Tochter möge genennt, und angenommen werden. Dieses[811] war ihr flehentliches Bitten, Kraft dessen sie nach Begehren erlanget eine innerliche Erleuchtung den abscheulichen Wust aller ihrer Sünden zu erkennen.

Gleichwie das Natter-Gezücht, oder Schlangen-Brut, weilen es oft still, sich nicht viel rühret, und beweget, mehrmahlen ohngeachtet, ohne genaues Nachsehen übersehen wird, also werden auch manche Sünden aus Mangel der genauen Erforschung übersehen, indem sie annoch in dem Grund verbleiben, nicht ausgetilgt, mit der Zeit zu nagenden Würmen erwachsen.

Mit aufgebutzter Hoffart und beliebter Geilheit schleichen hinein Aergernussen, Anreitzungen, Wächlichkeiten, Verschwendung, Frechheiten, etc. und noch mehr dergleichen Sünd, welche, wann man gleich die Hoffart und Geilheit beichtet, verschwiegen bleiben.

Margaretha in genauer Nachforschung ihres Gewissens, erkennet und unterscheidet alle ihre Sünd, verfüget sich bald auch zur Beicht. Beichtet acht Täg hindurch täglich ein geraume Zeit; ihr Beichtvatter Frater Juncta Benagnates (welcher ihr Leben beschrieben) bezuget, daß ihr Bericht ein wunderlich erleuchte Beicht gewesen. Sie wurde gereiniget durch die Buß und Kraft der Loßsprechung, als in einer Wiedergeburt neu gebohren.

Zu Steiffung dieser ihrer vollkommenen Beicht wollte sie ihr Hertz mit dem Heiligthum des Hochwürdigsten Sacrament des Altars versieglen. Es geschiehet; sie empfahet mit Andacht den zarten Fronleichnam unsers HErrn, und gleich höret sie eine göttliche Stimm in ihrem Hertzen erschallen, Margaretha mein liebes Kind. Dieses war der gewünschte Morgen-Stern ihrer Freud und innerlichen Vergnügung. Demnach verbliebe sie in strenger Buß, beichtet sehr oft mit beflissener Vorbereitung und Erforschung ihres Gewissens. Sie sturbe im Jahr 1297. den 22. Hornung. Im Tod wurde ihr Angesicht holdseelig, und gleichsam Englisch rein; es wurde ein lieblicher Geruch gespühret, und eine gewisse sehr tugendliche Persohn sahe, wie die Seel Margarethä zur selben Stund mit etlichen aus dem Fegfeur erlösten Seelen gen Himmel gefahren. P. Joan. Bolandus Tom. 3. Februar.

Hie vermercke, das Aug sihet nichts ohne Liecht, also auch der Verstand, welcher das Aug der Seelen ist, sihet nichts ohne göttliche Gnad, welche den Menschen erleuchtet. Dannenhero erleuchte O GOtt unsere Finsternus. Dieses ist das Liecht, welches jenes Weib, welche ihren Groschen verlohren, anzündet, durchsuchet, und kehret alle verborgene Winckel aus jenen wiederum zu finden. Luc. 15. v. 8. Also durchsuche dein Gewissen, bevor der HErr selbsten ankomme, die Stadt Jerusalem, das ist aller und jeder Menschen Thun und Lassen mit Lucernen zu erforschen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 810-812.
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