Das erste Capitel.

Die Straf der Sünd wird nicht allzeit gäntzlich mit der Sünd vergeben.

[874] Diese auferlegte Buß ist ein erfüllender Theil dieses Sacraments: solche wird auferlegt, dieweil nicht allemahl mit Vergebung der Sünd die Straf vergeben, sondern mit Vergebung der Todsünd, die ewige in ein Zeitliche verändert wird.

Dem ersten Menschen ist zwar die Sünd, aber nicht die Straf vergeben worden: Es wurd ihme gesagt: im Schweiß deines Angesichts wirst du dein Brod geniessen. Dem Volck, welches wider GOtt den HErrn in der Wüsten gemurret, ist die Sünd, nach flehentlichen Begehren Moysis, nachgelassen, aber die Straf vorbehalten worden: Ausser Josue und Caleb, soll niemand das gelobte Land betretten. Von begangenem Ehebruch, und Mordthat wird König David loßgesprochen, dannoch ist die Straf nicht ausgeblieben, das liebe Söhnlein mußte in unzeitigen Tod verblühen. Dannenhero, damit die vorbehaltene zeitliche Straf leichtlich in wenigen abgebüsset werde, wird aus Anordnung des HErrn, denen Beichtenden einige Buß auferleget: Nach Ermahnung des gesammten Kirchen-Raths zu Trient, welcher den Beichtvättern mit diesen Worten zuspricht Sess. 14. c. 8. Die Priester des HErrn, sollen den Büssenden nach Maaß der Sünd, so viel es seyn, taugliche und heilsame Buß-Werck, wie es die Bescheidenheit, und GOtt der heilige Geist eingeben wird, auflegen damit sie nicht, indem sie sehr geringe Buß-Werck gegen sehr schweren Sünden auflegen, fremder Sünden theilhaftig werden. Es stehet bey dem weisen Mann Ecclesiastico cap. 5. v. 5. geschrieben: de propitiato peccato noli esse sine metu: Von wegen vergebener Sünd, sey doch nicht ohne Forcht, nimm an die vom Beichtvatter auferlegte Buß, verrichte selbige, wann sie schon beschwerlich, so ist sie doch heilsam.

Sehr schwere Bußwerck wurden vor Zeiten den Büssenden gegeben.

B. Petrus Damiani I. 1. Epist. 10. erzählet, daß er mit einem Pilgram geredet, welcher vom Priester, nach verrichter Beicht die Buß empfangen, seine übrige Leb-Zeiten in immerwährender Klag, und steter Pilgerfahrt zuzubringen. Sein Verbrechen bekennet er ohn allen Scheu, und schätzet sich einer viel grössern Buß werth und schuldig. Meinem guten Freund, sprach er, hab ich kein Hülf geleistet, als ungefähr auf dem Weeg, da er von einer zweyköpfigen Schlangen, gerungen, einen Kopf mit einer Axt, welche er in der Hand gehabt abgehauet, darauf die Schlang heftig ergiftet, ihn umwunden, in ihr Höle unter die Erdenge schlossen: Er schrye jämmerlich [875] zu mir, aber vergebens um Hülf, die Forcht, welche in mir war, hat aller Freundschaft vergessen. Oft betrachte ich, spricht Petrus Damiani, als sehete ich diesen Menschen mit der Schlangen beysammen unter der Erden, kein Mittler ist darbey, keine Errettung ist zu erwarten, O steinhartes Hertz, welches sich nicht erweichet. Die Sünd dieses Büssers konnte genugsame Entschuldigung vorwenden, dieweilen in augenscheinliche Gefahr sich begeben, keine Schuldigkeit ist, dann der Schröcken in dergleichen Begebenheiten findet keinen Rath, doch beichtet er dieses ohne Entschuldigung, und nimmet an die Buß ohne Widerredung.

Johann Guarrin, wegen zweyer Todsünden, welche er nach vielen Jahren seines Einsidler-Lebens zu Rom gebeichtet, erhielt diese Buß so lang auf Händen und Füssen, gleich einem unvernünftigen Thier zu kriechen, bis ihme GOtt anzeigen wird, daß ihm auch die wohlverdiente Straf seiner Sünd vergeben seye, welches nach sieben Jahren durch ein unmündiges Kind wunderlich geschehen. Paulus Segneri in pœnit. inst.

Auch groß und gewaltige Herren, haben groß und gewaltige Bussen angenommen. Kaysers Theodosii kundbar schwäre Sünd, mußte mit kundbarer schwehrer Buß abgestraffet werden. S. Ambrosius Mayländischer Bischof heisset ihn, demnach er seine Schuld bekennet, dieweilen er gleich wie David gesündiget, auch wie David büssen. Abbt Romoaldus mit heiligem Eyfer bewafnet, befahl dem beicht- und büssenden Kayser Otto, dem Dritten dieses Namens, mit blossen Füssen bis auf den Berg Gargano zu wallfahrten. Johannes Ertz-Hertzog von Oesterreich, demnach er seinen Herrn Vettern Kayser Albrecht den ersten ermordet, wird vom Pabst Bonifacio dem Achten mit dieser heylsamen Buß abgestraft, ohne Zulassung weltlicher Freuden, in Mönch-Kleydung zu leben: büsset derowegen sein Sünd zu Pisa bis ans End. Henricus der andere dieses Namens König in Engelland, dieweilen er den Ertz-Bischof zu Candelberg Thomam in der Kirch hinrichten lassen, nach Bereuung und Bekanntnuß seiner Sünd, ergibt sich der verordneten Abstraffung, entblösset seinen Rucken, wird erstlich vom Bischof, folgends von 80. Geistlichen gegeißlet. Potamio einem Bischof zu Bracara, dieweilen er ein Weibs-Person berühret, wurd vom zehenden Kirchen-Rath zu Tolet zur Buß auferlegt, nimmermehr sein Leben-lang einiges hohes Priester-Amt, sondern die gering und niderste Kirchen-Dienst verrichten, O tempora! O mores! O ausgewechslete Zeiten! O veränderte Sitten. Der Zeit scheuet man, die grosse und kaum verrichtet man die kleine Bussen. Jenige, welche diese und dergleichen auferlegte Sünden-Straf von Priestern angenommen, haben glücklich nach dem Schifbruch, die andere Tafel erreichet und ergriffen, bis daß sie angeländet, in die Sicher- und Seeligkeit gekommen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 874-876.
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