Das vierzehende Capitel.

Es werden vorgebracht drey erschröckliche Straffen, über drey Beicht-Vätter ergangen, weilen sie mit denen Beicht-Kindern, nicht nach ihrer Schuldigkeit seynd verfahren.

[971] Vor etlich wenig Jahren, wie mehrer Bücher-Schreiber solches erzählen, die angezogen werden von Pater Alphonso Andrada, truge sich zu nachfolgende Geschicht mit einem Hoch-Edlen Herrn. Dieser hatte einen Beicht-Vatter, welcher seinen Gelüsten sehr beliebig ware. [971] Dann die auferlegten Buß-Werck waren nicht scharf noch bitter, sondern sehr annehmlich, seine Wort schneideten nicht, weder brenneten, sondern waren gar zu freundlich, ohne alle Straffung der Boßheit: folgends lebte dieser Cavalier ein dermassen freyes Leben, den Sünden und Wollüsten ergeben, ohne allen Vorsatz von der Boßhaftigkeit abzustehen, dahero waren seine Beichten, die er verrichtet, kraftloß, ungültig. GOtt der HErr kürtzet ihme die Jahr seines Lebens ab, zu verdienter Straf der übel angewendten Zeit. Er müßte also in frühen Jahren eines unzeitigen Tods sterben; der Beicht-Vatter aber folget ihm aus Verhängnuß GOttes in wenig Tägen hernach. Es begabe sich, daß des verstorbenen Cavalier seine Frau, nach guter Gewohnheit, ihr Gebett in ihrem Bett-Stübel verrichtete: da siehet sie gähling die Gestalt eines erschröcklichen Manns, mit flammenden Feuer umgeben, dieser truge auf seinen Schulteren einen anderen Mann, gleichermassen voll mit Feur, darüber diese Frau ein grossen Schröcken eingenommen. Jener, welcher auf des andern Schulteren getragen wurde, redet sie mit diesen Worten an: förchte dir nicht, dann ich thue dir zuwissen, daß ich dein gewester Ehemann bin; aber dieser, welcher bezwungen ist mich zu tragen, der ist mein gewester Beicht-Vatter: weilen dieser zu Zeiten meines Lebens ein Theil war meiner Sünden, die er von meinem Mund ohne Widerredung und Abstraffung angehöret, ohne Auferlegung heylsamer Buß, und mich vor anderen sündlichen Fall nicht behütet: ja was noch mehr ist, er hat meinen bösen Neigungen und Frechheiten zu viel nachgesehen, und disfalls mir gebahnten breiten Weeg zur Höllen zubereitet. Dahero nach meinem Ableiben befahle GOtt der Gerechte, er soll mir Gesellschaft leisten in der Peyn, deswegen leydet er gleichfalls das was ich muß leyden. Nachdem er dieses geredet, ist das Gesicht beyder verdammten Seelen verschwunden. Hierdurch wurd diese Frau schmertzlich betrübet, und zugleich unterrichtet, sich keinem solchem Beicht-Vatter zuvertrauen, welcher mit sanfter Lieblichkeit, und gar zu vielen Ubersehen in das äusserste Elend verführen möchte.


Obangezogene Bücher-Schreiber bezeugen von einem anderen Hoch-Adelichen Herrn, welcher sein Leben in der muthigen Freyheit, und in dem Laster-Feld der fleischlichen Wollüsten herum geschweiffet, ohne alle Verhinderung des Beicht-Vatters, deme alles bewußt, aber alles gleichgültig gewesen. Der Lebens-Faden dieses Cavalliers wurde abgeschnitten, er sturbe: und wo er unter die Erden begraben worden, da sprung er einsmahls aus dem Grab herauf, das war in der Kirchen, gehet dem Beicht-Vatter zu, welcher sich eben zu dieser Stund, samt etlichen anderen alldorten befande, und redet ihn mit nachfolgenden Worten an: warum [972] hast du mir die Wahrheit nicht vorgesagt? warum hast du mehr als sich gebührte, meine Sünden übersehen? du hast mir nicht geholffen ein vollkommene gute Beicht zu machen, die Absolution, welche du über mich ausgesprochen, war übel: ich waltzte fort in dem Luder meiner Sünden: deshalben bin ich ewig verworffen, zu den immerwährenden Flammen des höllischen Feuers. Nun so ist es ein gerechte Sach, weilen du ein Theil bist gewesen meiner Sünden, so solst du auch ein Theil werden meiner Peynen: da er dieses geredet, greiffet er ihn gewaltthätig an, ziehet ihm Haut und Haar von dem Kopf, schindet ihm den Leib bis auf die Füß. Der elende Beicht-Vatter tobet und wütet in seinem Schröcken u. Schmertzen: und fanget an noch lebendig zu leyden die Peyn der Verdammten, stirbt endlich in diesem Jammer, und fahret nach seinem unglückseeligen Beicht-Sohn in die Höllen, wo heraus nie kein Erlösung zu hoffen.


In der Zeit, da das Königreich Hispanien von den Mohren übergwältiget worden, wurden Histori-Bücher geschrieben von Geschichten des Königs Don Roderici, welcher der letzte aus dem Gothischen Geschlecht gewesen. In einem aus diesen Büchern, welches hoch berühmet, und Rasis genennet wird, zu Toleto im Jahr 1549. gedruckt, und zufinden in dem Bücher-Saal, des Catholischen Königs der Spanischen Königreich Philippi des vierdten: da findet man folgende wunderliche, und erschröckliche Begebenheit.

Als Don Rodericus der König im Feld-Lager sich befande, samt allem seinem Kriegs-Volck, nicht weit vom Fluß Guadalere genannt, und wider die Mohren etliche Scharmüntzel versucht: einesmahls gegen dem Abend begibt sich dieser König aus seinem Gezelt in Begleitung Geistlicher und weltlicher Hof-Herren, welche dem König beygewohnet. Augenblicklich erhebet sich ein Sturm-Wind, welcher in Ansehen aller, die Erden mehr als zehen Klafter tief eröfnet, viel Staub und Sand, als wie ein dunckles Gewülck in die Höhe, bis zu dem Ort, wo der König war, getrieben, ihme vom Haupt seinen Hut, und von seiner Seiten zwey Bischöf hinweg gerissen, nemlich den Bischof von Jaen, und den Bischof von Iliberia. Alle stunden in gleichem Schröcken, und Verwunderung erwartend, was endlich daraus soll werden: sie sehen, wie diese Bischöf in dem Gewülck in die Höhe geführt wurden, und förchteten ihnen ein gähen Herunterfall, oder ein besorgliche Verzuckung. Nach einer halben Stund, durch welche dieser Sturm-Wind in der Höhe geschwebet, leget er sich, und beyde entführte Bischöf leget er zur Erden, auf jenes Ort, wovon er sie genommen: doch waren sie gantz ausgemerglet, daß sie nicht leichtlich, auch von denen Bedienten konten erkennet werden. Nichts mehr als ihre Hemder hätten sie am Leib, ihr Angesicht war [973] ungestalt entfarbet, die Glieder ohne Kraft erliegend, zerkreilet und verwundt waren ihre Leiber, als wann sie durch Distel und Dörnern wären geschleifet worden, sie lagen unempfindlich, ohnmächtig, kein Athem konte man in diesen spühren, und wurden anfänglich für tod angesehen. Die fürnehmste Herren des Königreichs verfügten sich zu diesen, wurffen auf sie ihre Mäntel, um dero unbeschreibliche Blösse zubedecken. Eben auch diese waren in Zweifel, ob sie tod, oder ob noch ein Leben in ihnen zufinden, versuchten dieses zu erkennen, erkennten auch, daß noch ein wenig Hitz und Athem übrig, liessen sie derowegen erheben, und in das Königliche Gezelt übertragen, da sie gelabet, und mit Artzney-Mittel also gestärcket wurden, daß sie nach einer Stund zu sich selbsten kommen.


Der König befragte diese, wegen des Verlaufs, welcher sich mit ihnen zugetragen, was doch die Ursach seye dieser seltsamen Begebenheit, sie sollen diese offenbaren, und was der erschröckliche Sturm-Wind, den alle gesehen, bedeutet?

Der Bischof von Jaen, welcher des Königs Beicht-Vatter gewesen, beredet diese Frag mit folgenden Worten, welche aus der Histori nach alter Weis zu reden, zur grössern Glaubwürdigkeit und Bekräftigung einfältig seynd übertragen worden. Herr ich versichere dich, daß GOtt dem höchsten HErrn wohlgefallen habe, dem Teufel Erlaubnuß zu geben über mich, durch eine halbe Stund, mich mit vielen Ublen zu versuchen, doch daß er mich nicht um das Leben brachte. Und dieses alles darum, weilen ich dir nicht auferlegt hab die Buß über deine Sünd, welche ich vernünftig hätte auferlegen sollen: ich nicht also mit dir geredet in der Beicht, wie es die Schuldigkeit erforderte, dahero hab ich von dir den Last deiner Boßheit nicht hinweg genommen; ich erfordere von dir nichts mehr, als was du selbsten vorgebracht, da ich doch für gewiß gewußt, daß du etliche Sachen ausgelassen hast zu beichten, und hast mir mehrmahlen gelaugnet die Sünd etlicher deiner Bedientē, welche dir übersehen, und nicht verbesseret hast: du vermeinest nicht ein Schuldigkeit zu seyn, etliche in Verträulichkeit zu entlassen, welche kein anders Absehen gehabt, als ihren eignen Nutzen; dahero wurden andere Leut von diesen schwärlich belästiget, und ich, der ich dieses gewußt, hab dir nicht auferlegt zur Buß, du soltest diesfalls vorsehen. Dieses seynd die Ursachen, daß ich ein halbe Stund so viel Peyn und Qual hab ausstehen müssen, dergleichen ich nicht glauben kan, daß jemahlen einem lebendigen Menschen auf der Welt möchten angethan werden. Ich verwundere mich jetzund nicht mehr, als daß ich diese Wort, welche ich geredt hab, aussprechen können, und merck es wohl mein Herr, wann ich so viel gelitten, wegen deren Ursachen, die [974] ich wenig oder nichts geachtet: was soll der, welcher ein grösseren Sünden-Last auf sich hat, nicht förchten?


Nach also beschlossener Rede des Bischofs von Jaen fanget auch an der Bischof von Iliberia die Frag des Königs zu beantworten. Aus drey Ursachen, sprach er: hat GOtt dem Teufel zugelassen mir die Peyn durch diese Zeit anzuthun, und wäre nicht die Fürbitt des H. Petri und Pauli gewesen, so wäre Leib und Seel gestürtzet worden in die Höllen. Aber in Anhörung dieser Fürbitt hat mir GOtt auf fünfzehen Stunden Buß zu thun, das Leben gefristet. Die Ursachen waren diese: die erste, weilen ich als Bischof viele köstliche, und nicht nothwendige Kleydung, welche fürwitzig und eytel anzusehen waren, gekauft, mich zu prächtig gehalten, meine Diener aber und die arme Leut nothleydend und bloß herumgehen lassen? die andere, weilen ich zu kostbarliche Mahlzeiten angestellet, sorgfältig, daß alles wohl geschmack zum besten zubereitet wurde, mit Verschwendung so vieler theuren Speisen und köstlichen Getrancks; die dritte war, weilen ich einem aus meinen Bedienten zu viel Gewalt überlassen, in Erforderung der Rendten, und daß er in Beherrschung deren zu klug und zu handhäbig gewesen, kein Allmosen ausgespendet, und den nothleydenden Armen keine Hülf geleistet.


Es ist die gründliche Wahrheit, daß der Bischof alsobalden diesen seinen Diener zu sich beruffen lassen, ihm sein Thun scharf verwiesen, und den letzten Willen anbefohlen, benanntlich alles und jedes, seinen gantzen Reichthum denen bedürftig verlassenen und nothleydenden Armen ab und auszutheilen. Der Bediente aber wolte solches zu sehr empfinden, und in Ansehung, daß sein Herr bald mit Tod abgehet, schwöret er hoch und theuer, daß dieser von seinem Herrn jetzt benannte Reichthum auch halben Theil nicht vorhanden wäre. GOtt der HErr aber straffet plötzlich mit Donnerstreich vom Himmel herab diesen Lugner, und verzehret ihn zu Staub und Aschen, in Beywesenheit des Königs und des Volcks. Ein heylsame Forcht wurde also dem König eingejagt. Er fanget an zu beweynen seine Sünd sorgfältig, daß die getrohete Straf ihne nicht überfalle. Man truge die zwey Bischöf in ihre Wohnung, welche nachfolgenden Tags mit Erzeigung wahrer Reu und Buß seynd verschieden.


Drey jetzt vorgetragene Straffen GOttes, hab ich bey mir gefunden gut zu seyn der Gedächtnus einzudrucken. Nicht blind sollen die Beichtvätter darein gehen, sondern die Augen eröfnen, und sicher wandlen, nach Schuldigkeit ihrer Verwaltung, weilen dann diesen von GOtt vertrauet seynd die Schlüssel, denen die Himmels-Porten, die ihnen beichten, zu eröfnen, so sollen sie es wohl beobachten, daß sie solche nicht auschliessen. GOtt bedauret in dem Klag-Lied [975] seines Propheten (Thren. 2. v. 14.) sie haben dir deine Missethat nicht geoffenbahret, damit sie dich zur Buß bewegen: Et non aperiebant iniquitatem tuam, ut te ad pœnitentiam provocarent. Dem Beichtvatter stehet es zu der Beichtkinder Gewissen bestermassen zu reinigen, absonderlich, wann diese unwissend seynd, und niemand haben, der ihnen den Weeg der Seeligkeit weiset, und sie einführt zu der wahren Reu und Leyd der Sünden, und in die Verbesserung ihres Lebens, da sie ihnen steif vornehmen, nimmer GOtt zu beleydigen. Dieses soll geschehen mit eyferigem Zusprechen, mit beweglichem Antrieb zu dem guten, sie sollen auch im Gebett diese anvertraute Seelen mehrmahlen, ja inständig GOtt befehlen, und mit einem auferbäulichen Wandel ihnen vorleuchten.


Sehr übel wäre es bestellet mit denen Beichtvätteren, wann sie gleich wurden seyn dem Tauf-Wasser, welches das Kind abwaschet, und darauf selbsten auf die Erden in den Staub rinnet, und zu einem Koth wird, oder gleich denen Zimmer-Leuten, welche die Archen des Noe gezimmert, andere zu erretten, indeme sie doch nicht seynd errettet worden, sondern in dem Sündfluß untergangen, oder gleich demjenigen Stern, der die weise drey König, den eingemenschten GOtt anzubetten, begleitet, und eingeführt hat: er aber ist selbsten daraussen geblieben.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 971-976.
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