Dritter Unform.

Eine Magd beichtet also:

[1011] O du ewiger Allmächtiger GOtt!

Ich hab gebrochen dein Gebott;

Ich hab der Sünd so viel gethan,

Daß ichs nie all gedencken kan:

Doch komm ich jetzt zum rechten Mann,

Der mir von Sünden helffen kan:


In Namen GOttes des Vatters, und des Sohns, und des Heil. Geists, Amen.


Vor drey Wochen hab ich das letzte mahl gebeichtet. Ich gib mich schuldig, daß ich hoffärtig bin, ehrwürdiger Herr. Ich gib mich schuldig, daß ich neydig bin, ehrwürdiger Herr. Ich gib mich schuldig, daß ich geitzig bin, ehrwürdiger Herr. Ich gib mich schuldig, daß träg bin, ehrwürdiger Herr. Es schilt eine, es flucht eine. Es ist eins zornig, es ist eins ungedultig; es gibt eins denen Kindern Ubernähmen. Ich hab etwann böse Gedancken gehabt; ich hab etwann übel nachgeredt. [1011] Ich stihl gern; ich bin gern unzüchtig; ich sing gern Buhl-Lieder, ich lauf gern denen Buben nach. Ich hab Hex geschworen, ich hab Narr geschworen, ich hab Teufel gescholten, ich hab Wetter gescholten, ich hab Hagel gescholten. Ich gib mich schuldig aller tödlichen und läßlichen Sünden, die ich weiß, und die ich nicht weiß. Ich hab gesündiget wider GOtt, wider meinen Nächsten, und wider mich selbsten: wider die zehen Gebott GOttes, wider die fünf Gebott der Christlichen Kirchen; in denen fünf Sinnen meines Leibs. Es sündiget eins alle Tag, alle Stund. GOtt sey mir gnädig, hier zeitlich, und dort ewig, Amen.


Was ist auf diese Beicht zu halten?


Antwort. Diese Dienst-Magd hat viel Fehler und Ungeschicklichkeiten in ihrer Beicht begangen.

1. Weilen sie etliche Sprüch, und Wörter gar zu oft widerholet, und also die Beicht also mercklich lang, und verdrüßlich gemacht. Zudem hat sie einen seltsamen, und ungereimten Vorspruch, ja auch einen nichtswürdigen Nachspruch gebraucht, indem sie sich aller tod- und läßlichen Sünden hat angeklagt: behüt uns GOtt vor einer so grossen Boßheit! wann es wahr ist, daß du, mein Magd so viel gesündiget hast, was muß ich dir für ein Buß auferlegen? tausend Psalter, sieben hundert Fasten, sechs und zwantzig Disciplin werden nicht erklecken. Mein! wie kanst du alle Stund sündigen? was thust du dann wann du schlaf fest? die Calvinisten sagen, daß alle unsere Werck Sünden ja Tod-Sünden seyn; bist du dann auch mit dieser Ketzerey beschmitzt?

2. Weilen sie gesagt, ich gib mich schuldig, daß ich hoffärtig bin, geitzig bin, neidig bin. Item ich schilt gern, ich bin gern unzüchtig, etc. Bist du dann auch jetzt, da du dieses redest, hoffärtig geitzig, neydig? hast du dann auch jetzt in dem Beicht-Stuhl ein Lust zu stehlen, oder unzüchtig zu seyn? ey das nicht, sagst du, es wäre grob gefehlt. Also, mein Magd, mußt du dich nicht anklagen, daß du würcklich sündigest, sondern, daß du gesündiget hast; du hättest nicht sollen sagen, ich bin hoffärtig, sondern ich bin hoffärtig gewesen: nicht ich bin geitzig, sondern ich bin geitzig gewesen. Du hättest nicht sollen sagen: ich stihl gern, sondern ich hab gestohlen wenig oder viel. Du hättest nicht sollen sagen, ich bin gern unzüchtig, sondern du hättest sollen sagen: ich hab wider die Reinigkeit also, und also gesündiget, etc.

3. Weil sie gesagt: es schilt eine, es gibt eins den Kinder Ubernähmen etc. Mein Magd sag mir her, was ist das für eine, wer ist dieses eins? ist es dein Schwester, oder dein Bruder? dein Vatter, oder dein Mutter? wann du dieselbe bist, so sage es fein redlich, und sage in dem Beicht-Stuhl fein unerschrocken, ich hab gescholten; ich hab denen Kindern Ubernähmen gegeben.

4. Ist diese Beicht ungeschickt, [1012] weilen sie dieses Wörtlen: etwann, öfters hat eingemischt, und also hat diese Magd ihr gewisse Sünden in dem Beicht-Stuhl ungewiß und zweifelhaftig gemacht. Dann dieses Wörtlein etwann heißt eben so viel, als vielleicht, und also wann du sagest: ich hab etwann übel nachgeredt, so heißt es so viel, als: ich hab vielleicht übel nachgeredt. Das heißt, sich ja unter einen Zweifel anklagen. Wann du ein Sünd gewiß gethan hast, so mußt du nicht hinzusetzen dies Wörtlein etwann. Dann solte solches geschehen, so wurdest du nicht beichten dein Sünd; und wann dieses Wörtlein etwann bey einer jedwederen Sünd solte stehen, könt schier der Beicht-Vatter zweiflen, ob er dich solte absolviren: weilen er konte gedencken, du habest gar kein Sünd gethan.

5. Ist diese Beicht ungeschickt, weil diese Magd gesagt; ich hab Hex geschworen, ich hab Narr geschworen, etc. Ich hab Teufel gescholten, ich hab Wetter und Hagel gescholten etc. Diese Magd muß fürwahr nicht wissen, was eigentlich schwören, und was schelten heisse. Magd mercke es wohl: Schelten ist so viel; als GOttslästeren, oder von GOtt, oder von seinen Heiligen: oder von andern Heil. Sachen übel, spöttlich, schändlich oder verächtlich reden, oder gedencken, und sich in solche Gedancken wissentlich verwilligen, etc. ect. das heißt schelten: Schwören aber heißt hauptsächlich GOtt in einer Sach zu einem Zeugen nehmen etc. also ist es klar, daß du nicht in deiner Beicht sollest gesagt haben: ich hab Teufel, Wetter, und Hagel gescholten. Dann wann du das Wort Teufel, oder Wetter, oder Hagel etc. im Zorn mit einem Wunsch geredet hast, so hättest du in dem Beicht-Stuhl sagen sollen: ich hab mir selbst (oder anderen) im Zorn ein grosses Ubel gewunschen. Seynd aber gemeldte Wort nur pure zornige Wort gewesen ohne Wunsch, so wäre es genug gewesen, wann du gesagt hättest: ich habe zornige und schädliche Wort ausgestossen.

Zudeme ist es auch klar, daß du nicht in der Beicht hättest sagen sollen; ich hab Hex und Narr etc. geschworen, sondern ich hab andern Ubernähmen gegeben.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 1011-1013.
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