Sechzehende Begebenheit.

Clotildis, Königin in Franckreich, Wittwenstand, Betrübnuß, und Ableiben.

[521] Diese heilige Königin, so Clodoväi des ersten Königs in Franckreich Gemahlin ware, hatte oftermahlen mit grosser Andacht von GOtt mannliche Erben zu Fortpflantzung der Catholischen Religion begehrt; und obwohlen sie in diesem Fall ein gute Meinung gehabt, hat sie doch aus göttlicher Verhängnuß (welche ihre Auserwählte in dem Feur der Trübsal zu probiren pflegt) an ihren Söhnen ein starckes Fegfeur ausstehen müssen. Sie beflisse sich zwar solche in der Jugend zu aller Andacht und Gottsforcht zu erziehen; weilen sie aber nach des Herrn Vatters (nemlich Clodoväi) Humor mehr zum Kriegen als Betten geneigt, waren, so bald sie erwachsen, und aus der Frau Mutter Zucht und Aufsicht kommen, haben sie solche Händel angefangen, welche Ihro das Hertz in tausend Stuck hätten zertheilen mögen.

Es begabe sich, daß Sigismund König in Burgund, deme Clotildis einen Theil des Reichs erhalten, sich nach dem Ableiben seiner Gemahlin, von welcher er einen jungen Printzen, mit Namen Sigericus, erzeugt hatte, in ein Cammer-Dienerin verliebt hatte, die er auch endlich zur Ehe genommen, wiewohl mit grossem Unwillen Sigerici seines Sohns, als welcher nicht gedulten könnte, daß diese Dienerin in denen königlichen Kleideren seiner verstorbenen Frau Mutter wie ein Pfau sich spreitzte, und spiegelte. Als solches die Dienerin (als nunmehr Sigerici Stief-Mutter) vermerckt, fassete sie einen solchen Haß wider ihn, daß sie sich entschlossen, ihn durch ein falsche Anklag hinzurichten. Klagt ihn alsobald bey Sigismund seinem Herrn Vatter an, als stellete er ihme nach dem Leben: Sigismund mit unordentlicher Liebe und Ehrgeitz damahlen verstrickt, glaubte dieser Schwätzerin ohne weitere Nachfrag, liesse ein stattliche Mahlzeit zurichten, und nachdem er diesem seinem unschuldigen jungen Printzen tapfer mit Trincken zugesprochen, liesse er ihn durch gewisse bestellte Diener in ein Kammer führen, als solten sie ihn auskleiden, und zum Schlaffen befördern, mithin aber erbärmlich erdroßlen, und ums Leben bringen. Nachdem diese Mordthat geschehen, Sigismund aber in sich selbst gangen, und der Sach was bessers nachgefragt, befande er, daß er seinen Sohn unverantwortlicher Weis als einen unschuldigen hätte lassen [521] hinrichten, welches ihme nunmehr hertzlich leid ware: bekennete offentlich sein schweres Verbrechen, und thate darüber sehr strenge Buß; GOtt aber, der gemeiniglich die Sünd zwar nachlasset, ihme aber die Straf vorbehaltet, liesse ihm durch seinen nächsten Bluts-Verwandten das Reich samt dem Leben benehmen, allen denenjenigen zu einem Exempel, die sich von unordentlicher Liebe und Ehrgeitz verblenden lassen.


Die Erben Clodoväi (die Söhn Clotildis) hatten allbereit das Reich unter einander vertheilt; weilen aber ihrem Sinn nach solches zu eng ware, gedachten sie selbiges so weit zu erstrecken, als sie mit ihren Waffen gelangen möchten. Dahero, als Clodomirus der Erstgebohrne die Beschaffenheit des Burgundischen Reichs verkundschaftet, bezoge er selbiges mit einem grossen Kriegs-Heer; und weilen er einen schlechten Widerstand funde, bemächtigte er sich dessen mit leichter Mühe, bekame Sigismundum gefangen, und führte ihn mit sich zuruck nach Orleans. Entzwischen hielte sich Godemarus ein Bruder Sigismundi mit etlichen Regimenteren in denen Bergen auf, und als er vermerckt, daß die Frantzosen zuruck gezogen, und ein kleine Guarnison hinterlassen, überfiele er sie, schluge sie aufs Haupt, und machte sich zum König. Als solches Clodomirus verstanden, liesse er alsbald vor grossem Grimmen Sigismundum samt seiner Gemahlin und Kinderen, die er von ihro erzeuget, enthaupten, und dero todte Leiber in ein tiefen Brunnen werfen; zoge mit seinen Völckeren eilends auf in Burgund, selbiges ihme auf ein neues unterwürfig zu ma chen. Die Burgunder, als sie dessen Bericht bekommen, zogen ihme entgegen, passeten ihme auf, und als sie ihn in einem Scharmützel unbekannter Weis niedergemacht, im Ausziehen aber der Kleideren an seinem langen Haar erkannt, haben sie ihm das Haupt abgeschlagen selbiges auf eine Lantzen gesteckt, und seinem Kriegs-Heer für ein Schauspiel vorgewiesen; hierauf aber den Weeg wiederum zuruck genommen.

Dieser leidige Fall betrübte diese fromme Königin Clotildem sehr, weilen sie diesen Erstgebohrnen Clodomirum mit sonderbarer Sorg auferzogen; vornemlich aber, weilen sie vernommen, daß er also grausam mit Sigismundo, und denen seinigen verfahren, und darauf unversehener Weis ums Leben kommen wäre. Darum sie nicht wenig seiner Seeligkeit halben in Sorgen stunde: Sie tröstete zwar sich selbst, als viel ihr möglich, und bewafnete sich wider andere dergleichen Zuständ, welche sie vorsahe.

Clodomirus hinterliesse drey junge Printzen in einem sehr zarten Alter, diese nahme die heilige Clotildis zu sich, damit sie solche in aller Frommkeit und Tugend möchte auferziehen. Vornemlich aber, weilen sie sahe, daß sie gute Naturen, und bishero einen guten Grund zu der Frommkeit gelegt [522] hatten. Dannenhero sie ein grosse Hofnung auf sie setzte, als welche die Catholische Religion, so von Clotilde mit grosser Mühe in Franckreich gepflantzet worden, erhalten solten. Indeme sie aber mit solchen Gedancken umgienge, machten ihnen Childeberrus und Clotarius, ihre Söhne gantz andere; indem sie muthmasseten, ihre Frau Mutter unterstunde sich diese junge Encklen in dem Reich vorzuziehen. Dannenhero sie sich aus teuflischer Eingebung und grossem Ehrgeitz entschlossen solche mit guter Gelegenheit aufzureiben, und aus dem Weeg zu raumen. Die unschuldige junge Printzen hielten sich bey ihrer Anfrauen Clotildis als junge Hüntein unter denen Flüglen der Bruthennen auf, die allen Fleiß anwendete, damit sie ihro nicht zu weit aus denen Augen kämen, und unter Böse gerathen möchten. Diese sonderbare Sorg ware vorgemelten zweyen Brüderen wohl bekannt, dahero sie unter dem Schein, ihren Encklen ein Recreation zu machen, solche auf eine kleine Zeit von ihrer Clotilde zu sich begehrt. Die fromme Königin, so ihro die grausame Mordthat, welche sie an ihnen vollziehen wolten, nicht einbilden könnte, bewilliget es ihnen, aus Beysorg, wann sie ihnen solches abschluge, sie möchten darüber entrüstet werden: Jedoch empfande sie alsbald darüber einen innerlichen Schröcken.

Die unschuldige Printzen giengen mit lachendem Mund gleichsam als drey junge Lämmlein zu dem Schlachtbanck, in der Hofnung, sich bey ihren Herren Vetteren, von welchen sie also freundlich eingeladen worden, lustig zu machen. Diese eitle Freud aber ward alsbald verkehrt in ein grosses Leid; dann so bald sie denen grausamen Tyrannen unter die Händ kommen, schickten sie einen Diener mit einem Dolchen, und einer Scheer zu ihrer Frau Mutter, der Heil. Clotilde ab, welcher sie befragen solte, was ihr lieber wäre, ihre drey Encklen tod, oder wie Mönchen geschoren zu sehen.

Auf welches die gottselige Königin gantz erschrocken geantwortet: Ich will sie lieber todt, als geschorne Mönchen sehen. Diese Antwort haben ihr etliche übel ausgelegt, und darfür gehalten, sie wäre aus einem Ehrgeitz angetrieben worden, als hätte sie diese junge Printzen ihren eigenen Söhnen in dem Reich vorziehen wollen: Welcher aber diese Wort recht erwegen, und nach Meinung der heiligen Clotildis verstehen will, wird befinden, daß sie habe andeuten wollen, man solle diese junge Printzen nicht wider ihren Willen in einen geistlichen Orden zwingen, sie wolle lieber, daß solche wohl sturben, als in einem geistlichen Stand übel lebten. Der Diener, so seiner Herren Neigung wohl wußte, brachte ihnen diese Antwort zuruck, nicht aber ohne erdichteten Zusatz, welcher das grausame Vorhaben mercklich beförderte.

Clotarius, als wäre er vom Teufel besessen, ergreift Theobaldum den Erstgebohrnen Printzen, wirft ihn auf den Boden, und stosset ihme den Dolchen, [523] den er darzu gerüstet, durch den Leib. Als solches Guntarus der andere junge Printz sahe, warfe er sich Childeberto seinem Vettern zu Füssen, wendete sich mit einem erbärmlichen Geschrey zu ihm, umfienge seine Knie, und sprach: Ach Herr Vetter! erhaltet mich doch bey dem Leben? ach! was hab ich verschuldet. Childebertus zitterte, und seufzete über solche Wort dermassen, daß, obwohlen er zu dieser Mordthat den Anschlag gegeben, zum Mitleiden bewegt wurde. Dannenhero er seinen Bruder gebetten, er wolte weiters nicht fortfahren. Clotarius aber grimmiger als ein Tigerthier gabe ihm zur Antwort: Wie Bruder! wilst du mich an dieser That anjetzo verhindern, zu welcher du selbst den Anschlag gegeben hast. Stosse ihn alsbald hinweg, oder ich durchstosse beyde mit einander. Childebertus ab solcher Grimmigkeit erschrocken, stoßt das arme Herrlein von sich hinweg, und übergiebt es diesem Hencker, welcher selbiges ohne alle Erbärmnuß alsbald erdroßlet hat.


Unter diesen jungen Herrlein ware Clodoaldus der jüngste von einem guten Freund des Clodomiri heimlich entzogen, und in einen geistlichen Ordens-Stand gebracht, in welchem er zu solcher Vollkommenheit gelangt, daß er alle Scepter, Cronen und Eitelkeiten dieser Welt (von welcher bishero ein unzahlbare Menge der Menschen unter falschen Schein zeitlich und ewig betrogen worden) mit grosser Starckmüthigkeit williglich verachtet, und dardurch würdig worden allhier in dieser Welt als ein Heiliger verehrt, und in dem Himmel ewig gecrönt zu werden. Und dieser ist der heilige Claudius, der nicht weit von Paris noch zu unseren Zeiten verehret wird.


Wer mag ihme nun die grosse Schmertzen, so die betrübte Clotildis empfunden, als sie diese unmenschliche That ihrer ungerathenen Söhnen vernommen, nach Genügen einbilden? in Bedencken, daß diese heilige Königin einen unaussprechlichen Haß auch wider die mindeste Sünd hatte; anjetzo aber sehen mußte, daß sich diese ihre Söhn also schwerlich vergriffen, und die göttliche Majestät also sehr beleidiget hatten. Obwohlen aber ihro solche leidige Zuständ tief zu Hertzen giengen, erhielte sie doch die innerliche Ruhe des Gemüths, ergabe sich in den göttlichen Willen, und erkennte seine wunderbarliche Vorsichtigkeit. Sie selbst begabe sich an den Ort, allwo diese grausame That verübt worden, legte die Leiber der unschuldigen Kinder zusammen, damit sie ehrlich begraben wurden, und sprach: Ach liebe Kinder! ich beweine eueren Tod nicht so sehr, weilen ihr in euerer Unschuld, wie der gerechte Abel von dieser Welt zu den himmlischen Freuden verhoffentlich zu eurem Anherrn gefahren; sondern vielmehr die unverantwortliche Mordthat euerer nächsten Bluts-Freunden, welche euch also erbärmlicher Weis als gottlose Cain und Herodes haben hingericht. Sie mögen sich nun befinden, wo sie wollen, [524] so wird ihnen der nagende Wurm ihres lasterhaften Gewissens eine schlechte Ruhe lassen. Sie sollten aufs wenigst ihrem lieben Herrn Vatter mildseeligster Gedächtnus solche Unehr nicht angethan, eueren zarten Gliederen, und unserm hohen Alter verschont haben. Oder wann sie diese grausame Mordthat haben vollziehen wollen, hätten sie solches in meiner Gegenwart thun sollen, auf daß ich zum wenigsten euere Aeugelein beschliessen, euch zusprechen, und euere letzte Wort hätte aufzeichnen mögen. Ach! ich hab nicht vermeynt, daß, als ihr vor wenig Stunden bey mir Abschied genommen, es das letztemahl seyn wurde. Man hat euch gewaltthätiger Weiß ehender in die andere Welt geschickt, als ihr die Boßheit dieser erkennt habt. Darum ihr glückseelig, und auf Erden aller Trübseeligkeit enthebt seyd; Lasset mich als euer betrübte Anfrau befohlen seyn, auf daß ich euch mit der Begräbnus die gebührende Ehr anthun möge. Auf diese Wort liesse sie die Begräbnus ihres Herrn Gemahls eröfnen, und als sie ihn noch unverweesen befunden, fienge sie an starck zu weynen, und sprach: Ach! hochgeehrter Herr Gemahl, wie sehr habt ihr mich in diesem Leben geliebt; ach wann wollet ihr mich einmahl zu euch beruffen? hier sehet ihr euere Encklen, welche in ihrer Unschuld mordthätiger Weiß von ihren nächsten Bluts-Befreundten unseren Söhnen hingerichtet worden. Ach wie glückseelig seyd ihr, daß ihr vor einem so erbärmlichen Schauspiel eueren Abtritt von dieser Welt genommen habt. Meine Sünden seynd allein die Ursach, daß mir GOtt also lang das Leben fristet, damit ich solche durch dermassen grosse Schmertzen abbüssen, die ich mir niemahlen hätte einbilden können. Ich will sie noch weiters mit Gedult übertragen, so lang es ihme wird gefällig seyn.


Diese Heil. Königin verharrete gleichsam Tag und Nacht bey dieser Begräbnus, damit sie aber solchen grossen Schmertzen in etwas mildern, und GOtt ihrem HErrn desto besser dienen möchte, hat sie sich endlich entschlossen, den königlichen Hof zu verlassen, und sich nacher Touron zu dem Grab des Heil. Martini zu begeben, allwo sie vielmehr ein Englisches als menschliches Leben zu führen angefangen. Obwohlen aber die grosse Glückseeligkeiten einen Menschen, so in der Gottesforcht wohl gegründet ist, nicht leichtlich stürtzen mögen, verändern sie doch bisweilen denselben, und machen ihn in etwas empfindlich. Dann gleichwie ein Immlein in dem Hönig, so es gemacht, nicht also behutsam kan umgehen, daß es nicht bisweilen die Flügelein darein fallen lasse; also auch geschiehet es nicht leicht, daß ein fromme GOtt-lieben de Person lang in zeitlichen Ehren und glückseeligen Stand lebe, und darab nicht ein eyteles Wohlgefallen und sinnliche Ergötzlichkeit bisweilen empfinde; so bald aber sie mit einer Wiederwärtigkeit heimgesucht wird, [525] gehet sie in sich selbsten, lernt sich erkennen, und suchet in dem innersten Kämmerlein ihres Hertzens GOtt den HErrn.


Auf solche Weis verhielte sich die H. Clotildis, nachdem sie den Hof verlassen, und sich in ein Einöde begeben, allwo die Berg und Thäler, Flüß und Wälder sie zu dem Lob GOttes ermahneten. Dieses Leben kame ihr nach einer solchen Unruhe, in welcher sie sich bey Hof befande, nicht anderst vor, als das Himmel-Brod, dessen sie in der Stille mit grosser geistlicher Ergötzlichkeit genosse. Sie redete allda mit ihrem Schöpfer, gleichsam wie Moyses, von Angesicht zu Angesicht, und reinigte ihre Seel mit steten Zäheren, damit sie destoweniger in der andern Welt abzubüssen hätte.


Diese gottseelige Königin, so vor diesem ihrem Stand gemäß in Silber und Gold aufgezogen, gienge jetzt in einem wollenen Rock daher; die zuvor von dem Glantz der Edelgesteinen scheinte als die Sonn, hatte jetzt ihren Lust in denen Buß-Kleyderen; die sich zuvor beflissen ihre natürliche Schönheit zu behalten, damit sie ihrem Herrn Gemahl gefalle, schiene jetzt vor strengen Bußwercken gantz eingefallen, und ungestaltet; die vorhin zu Hof gewöhnlich mit königlichen und Fürstlichen Personen handlete, hatte jetzt ihre Ergötzlichkeit mit Wittfrauen, Waisen, und Armen; gienge gewöhnlich zu Fuß in die Kirchen, es wäre dann Sach, daß ihr solches die Leib-Artzten wegen Schwachheit des Leibs verbotten. Dero zuvor viel Hof-Herren und Damen stets auf den Dienst warteten, lage jetzt schier ohne Unterlaß bey denen Füssen der Armen, welchen sie als Eben-Bilderen GOttes Gutes thate. Die sich zuvor der königlichen Einkünften annahme, beraubte sich anjetzo auch der nothwendigen Sachen, damit sie denen Dürftigen möchte zu Hülf kommen. Die zuvor ihre Ergötzlichkeit in Erbauung schöner Palläst gehabt, richtete anjetzo, so viel ihr möglich war, Kirchen und GOttes-Häuser auf. Diese Heil. Fürstin schiene damahlen gleich dem Mond, wann er in der Finsternus steht, dieweilen sie gegen der Erden gantz dunckel und verfinstert war; gegen dem Himmel aber nur desto mehr schimmerte und glantzte.


Indeme sie dieser süssen Ruhe genosse, kame ihr abermahl ein leydige Zeitung, die sie wider nach Hof berufte, damit sie den Mißverstand, der sich zwischen ihren zweyen Herren Söhnen erhoben, und in einen gefährlichen Krieg ausbrechen wollte, stillen und aufheben sollte. In dieser neuen Trübsal verfügte sich die so sorgfältige Mutter zu der Begräbnus des Heil. Martini, und sprach mit heissen Zäheren: mein GOtt und HErr! dir ist mein Hertz bekannt, daß ich nicht aus Forcht der Arbeit, noch Mangel des Hertzens mich von Hof begeben, sondern allein, weil ich ein Mißfallen ab dem üblen Verhalten meiner Söhnen[526] hatte, denen ich kein anderes Mittel zu helffen wußte, als das Gebett, so ich für sie zu verrichten im Sinn gehabt; Dannenhero liege ich allhier vor der Begräbnus eines von deinen grösten Heiligen, und bitte dich durch seine gröste Verdienst, du wollest dich über meine ungerathene Söhn erbarmen, sie vereinigen, und Gnad verleyhen, damit sie ihren Fehler erkennen, alle Gewaltthätigkeit abstellen, und die Unterthanen im Frieden regieren. Wann es dein göttlicher Will ist, daß ich mich wider nach Hof begeben, und sie vereinbahren solle, will ich dieses von Hertzen thun, und mich zu deiner Ehr, und allgemeinem Ruhstand des Reichs aufopffern, weilen ich aber vernünftig vermuthe, ich werde in dieser Sach durch mein Gegenwart wenig ausrichten, bitte ich dein unermessene Güte, du wollest allhier mein Gebett aufnehmen, und mich an diesem Orth zu deinem Dienst erhalten.


Höchlich ist es zu verwundern, daß (wie von männiglich beobachtet worden) zu der Zeit, in welcher die Königin diesem Gebett oblage, beyde Söhn und König, so allbereit zu Feld gezogen, ihre Absehen geändert, Bottschaften zueinander geschickt, die den Frieden behandlen sollten, welcher auch damahlen im Feld beschehen, und ausgeruffen worden, worauf beyde Kriegs-Heer ohne Blutvergiessung und mit allem Vergnügen wieder nach Haus gezogen. Als solches die Heil. Clotildis vernommen, danckte sie GOtt, und fuhre in ihrer Weis zu leben bis in ihr hohes Alter beständig fort. Endlich aber, als sie durch ein Offenbahrung den Tag ihres Ableibens erkannt, berufte sie ihre zwey Söhn Childebertum und Clotarium zu sich. Unter diesen beyden ware Clotarius der grausamste; dahero er auch vom Pabst Agapeto wegen vielen grossen Verbrechen gezüchtiget worden, als welcher ihme ein offentliche Buß auferlegt hat; Nachdeme sie nun beyde ankommen, redete sie Clotildis mit folgenden Worten an.


Ich war beynahe Willens ohne euer Vorwissen aus dieser Welt zu scheiden, nicht zwar, daß ich einen Widerwillen gegen euere Person trage, sondern wegen etlichen Verbrechen, welche ohne Buß nicht mögen gerechtfertiget werden. GOtt weiß es, daß, obwohlen ihr den gebührenden Respect, den ihr mir aus natürlichem Gesatz schuldig waret, beyseits gesetzt, ich doch niemahlen mein mütterliches Hertz von euch abziehen hab mögen, welch es ich auch mit mir bis in das Grab tragen will. Ich hab euch zwar vor euer Geburt oft und starck von GOtt dem HErrn hegehrt, weilen ich aber in diesem Fall etwas ungestümmer gewesen, hat er mich billich hernach gezüchtiget. So kan ich mir auch nicht einbilden, daß jemahlen ein Mutter solchen Fleiß in Erziehung ihrer Kinder angewendet habe, als ich mit euch, damit ihr einmahl dem Reich mit Ehren und Nutzen vorstehen möchtet. Ich hatte die [527] Hofnung, daß wann ihr mit der Zeit zu euerem Verstand kommen wurdet, ihr solche Gutthaten mit Danck erkennen; vornemlich aber nach dem schmertzlichen Hintritt eueres Hochgeehrten Herrn Vatters mildseeligster Gedachtnus, ihr mir ein Trost in meinem Wittibstand und hohen Alter seyn wurdet. Allein in diesem habt ihr mich sehr betrogen, indem ihr euch dermassen vergriffen, daß ich es lieber stillschweigend übergehen, als die alte Wunden erneuern will.


Ihr habt euch unterstanden euer Reich durch den Raub anderer Völckeren zu vermehren, und euern Thron mit der Mordthat euerer nächsten Blutsfreunden zu befestigen; in diesem aber grob gefehlt, dieweil ihr in dem ersten wider alle Billichkeit, in dem andern aber wider das Gesatz der Natur gesündiget. Ich bezeuge anjetzo, indem ich den gefährlichen Weeg zu meinem Schöpfer und Richter antrette, ihme von allen meinen Wercken Rechenschaft zu geben, daß ich lieber wollte an euch zwey arme fromme Bauren, als lasterhafte König erzogen haben. Sehet ihr nicht, daß die köstliche Edelgestein an euern königlichen Cronen wegen euerer unmenschlichen Grausamkeit ihren Glanz verlohren? Wann ihr einmahl in diesen Stand werdet gerathen, in welchem ich mich anjetzo befinde, was wird euch euer Purpur-Kleyd, so ihr mit unzahlbaren vielen Lastern bemacklet habt, nutzen, als daß ihr es mit einem andern verwechslet, aus welchem aller Orthen die erschröckliche höllische Flammen häuffig herfür brechen, welches euch so wenig verzehren, als die Ewigkeit ein End nehmen wird.


Derohalben ihr meine liebe Herren Söhn, gehet um GOttes Willen in euch selbst, erkennet einmahl euere grobe Verbrechen, thut wahre Buß, und kehret wieder auf den rechten Weeg, welchen ihr verlassen habt. Nehmet ein Exempel ab euerem Herrn Vatter mildseeligsten Angedenckens, was massen ihm die göttliche Vorsichtigkeit sein Reich erweitert, erhalten, und befestiget hat. Sehet hingegen die unglückseelige Könige, unsere Blutsverwandte, was gestalten sie der ihrigen entsetzt worden, weilen sie nemlich denen Sünden und Lasteren ergeben waren. Der kleine Schatten wahrer Andacht, welchen ihr noch behalten, hat bishero die göttliche Rach, so euch gleichfals euer Reich entziehen wollen, ingehalten; wofern ihr aber von euerm unbußfertigen Leben nicht werdet abstehen, wird sie der Gerechtigkeit den Lauf lassen, weilen ihr die Barmhertzigkeit so oft verachtet habt.


So wäre dann endlich dieses mein Rath, daß ihr euch wieder miteinander brüderlich vertragen, und in guter Verständnus leben sollet: dann wann ihr mit dem Hertz entzweyet seyd, wird euer Reich nicht lang bestehen mögen. Ertheilet eueren Unterthanen die Gerechtigkeit [528] beschweret sie nicht mit neuen Anlagen, und erhaltet sie im Frieden. Hiemit nimme ich von euch den Abschied; lasset euch in euerem Gebett meine Seel befohlen seyn, den Leib aber legt in die Begräbnus eueres Herrn Vatters: dieses ist mein letzter Will.


Indeme die Heil. Königin ihren Söhnen also zusprache, sahe sie, daß selbige, die sonst härter als ein Marmel-steinene Saul zu bewegen waren, anfiengen bitterlich zu weynen, und sie ihro gern wolten antworten, solches aber wegen Uberfluß des Schmertzens, und der Zäheren nicht konten: aufs wenigist knyeten sie bey dem Beth nieder, kußten ihr die Hand, und nahmen also von ihr den Abschied. Hierauf liesse sie den Fürhang zwischen ihnen, und allen weltlichen Sachen vorziehen, damit sie desto ruhiger allein mit GOtt ihrem HErrn handlen möchte; und als sich die Schwachheiten vermehrten, thate sie mit halb-gebrochener Stimm die Bekanntnus des wahren Catholischen Glaubens, und bezeugt, daß sie in diesem sterben wolle. Alsdann begehrt sie die Heil. Communion, und letzte Oelung, welche sie mit gröster Andacht empfinge. Die übrige kurtze Zeit ihres Lebens brachte sie in dem Gebett und Lob GOttes zu. Endlich überantwortete sie ihre H. Seel ihrem Schöpfer den 13. Tag des Brachmonats um die erste Stund in der Nacht, indem sie jenen Versicul aus dem 24. Psalmen Davids sprache; zu dir, O HErr! hab ich meine Seel erhebt: mein GOtt! auf dich vertraue ich, lasse mich nicht zuschanden werden.


Die Histori meldet, daß die Kammer in welcher sie verschieden, alsobald mit einem grossen Liecht erfüllet worden, und ihr Leichnam einen sehr lieblichen Geruch von sich gegeben habe, woraus die Anwesende ihre grosse Heiligkeit abgenommen. Sie wurde nach ihrem Begehren neben ihrem Herrn Gemahl zu denen Füssen der H. Genovevä beygesetzt, welches sie für eine grosse Gnad erkennt, daß sie ihre Ruhestatt bey einer solchen Heiligen haben möchte. Ihre Gedächtnus wird in gantz Franckreich sehr ehrlich gehalten, und von dem gemeinen Volck unter dem Nahmen der Heil. Glothen verehrt. Caussinus in seiner Heil. Hof-Haltung, anderten Theil, 4. Buch, 9. Cap.


Aus diesem allem haben die Elteren zu ersehen. 1. Wie sie sich mit Clotilde in leydigen Zuständen in dem göttlichen Willen ergeben, und seine wunderbarliche Vorsichtigkeit erkennen sollen, wodurch sie die innerliche Ruhe des Gemüths erhalten werden. 2. Wann ihre etwann ungerathene Kinder weder um gute, noch ernsthafte Wort etwas geben wollen, kein kräftigeres Mittel seye, als selbige in dem Heil. Gebett GOtt eyserig anbefehlen, und inständig bitten, daß er ihren bösen und erharteten Willen [529] durch sein kräftige und alles vermögende Gnad erweichen, und zum Guten neigen wolle. Und da muß man nicht aussetzen, bis man von GOtt erhört wird; die Beständigkeit des Heil. Gebetts bringt alles zu wegen.


Anmerckung.

Clotildis ware ein Encklein Gundebaldi Königs in Burgund, welcher ihren Herrn Vatter Chilpericum und dessen Gemahlin grausamst hatte hinrichten lassen, da Clotildis noch ein zartes Jungfräulein war. Wann sie nun an den Tod ihrer lieben Elteren gedachte, könte sie sich zwar der bitteren Zäheren nicht enthalten, doch fande sie keinen grösseren Trost, als in den 5. allerheiligsten Wunden unsers lieben HErrn.

Mein GOtt und mein HErr! sprache sie, ich erkenne, und lobe deine göttliche Vorsichtigkeit, die mich in diesem Alter, in welchem andere Jungfrauen auf denen Rosen pflegen spatziren zu gehen, mit Gallen und Wermuth vätterlich abspeiset. Du hast gar wohl erkennt, daß mein Ubermuth auf ein solche Weiß solte abgestraft werden, damit ich deiner unendlichen Gerechtigkeit genug thäte. Meine Augen schwimmen ohne Unterlaß in den Zäheren wegen der grausamen Mordthat, so an meinem Herrn Vatter und Frau Mutter verübt worden; und obwohlen ich alle Nächt gantze Bäch der Zäheren vergiesse, mag doch deren nicht ein eintziges Tröpflein ihre Leichnam berühren. Dein Nahm, O HErr! werde zu jederzeit geheiliget: von dir begehre ich allein Kraft und Stärcke, damit ich dieses, was du billich über mich verhängest, mit Gedult über tragen möge. Es will sich nicht geziemen, daß ich in dieser Welt ohne Creutz lebe, weilen ich siehe, daß dein gantzes Leben ein immerwährendes Creutz gewesen. Man spricht mir zwar zu, ich solle des Leyds vergessen, und mich nach der Welt-Lauf fröhlich machen: wie ist es aber möglich, daß ich neben den Babylonischen Wasser-Flüssen die Freuden-Gesang des himmlischen Jerusalems singe. Dannenhero ich all mein Freud und Ergötzlichkeit in dieser Welt bey denen Füsse meines gecreutzigten HErrn suche, und bekenne, daß ich die übrige Zeit meines Lebens allein nach seinem allerheiligsten Willen beschliessen möge.

Ach was für Wort von einem zarten Jungfräulein! mit was Verstand, Demuth und Resignation begleitet! mit Gold und nicht mit Dinten verdienen sie geschrieben zu seyn.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 521-530.
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