Sieben und zwantzigste Begebenheit.

Ein unschuldiges Kind wird von einem Diener nach ausgesprochenen heiligsten Namen JEsus dem Teufel aus denen Klauen gerissen.

[567] In Schlesien hatte ein Edelmann etliche Gäst zu einer guten Mahlzeit in sein Schloß eingeladen: als aber die Stund herbey kommen, und schon alles aufs beste zubereitet ware, hatten sich alle, weiß nicht aus was Ursachen, entschuldiget; daß also kein eintziger aus ihnen erschienen ist. Weßwegen der Edelmann sich sehr erzörnt, und endlich aus heftigem Grimmen in diese Wort ausgebrochen: Wann keiner mit mir diese Mahlzeit will einnehmen, so kommen dann alle Teufel daher, und seyen meine Gäst. Darauf gienge er vor Unmuth aus dem Haus, und begabe sich in die nächste Kirch, wo der Pfarrer noch in der Predig begriffen ware. Diesem höret er eine Weil zu, damit sein noch in vollem Zorn aufwallendes Gemüth in etwas besänftiget wurde. Unterdessen aber langten in dem Vorhof des Schlosses etliche Reuther an, welche sehr wild, und gantz schwartz aussahen, und die gemeine menschliche Grösse weit überstigen. Diese redeten den ihnen entgegen kommenden Diener an, und befahlen, er solle seinem Herrn ihre Ankunft an deuten, und sagen, die eingeladene Gäst wären nunmehro vorhanden; sollte sich also nacher Haus verfügen, und sie, seinem Versprechen nach, bewürthen. Der Diener merckte gleich, daß hinter diesen Gästen nichts gutes stecke. [567] Lauft also gantz erschrocken nach der Kirch zu seinem Herrn, und kündigt ihm an, was für fremde Herren nunmehr in seinem Schloß angelangt wären. Der Edelmann dieses hörend wußte ihm selbst weder zu rathen, noch zu helfen; zeigte also diesen urplötzlichen Zufall der so unverhoften, aber doch sehr behutsamen eingeladenen Gästen noch unter der Predig seinem Pfarrern an, und ersucht ihn um einen heilsamen Rath, wie er sich in dieser Sach verhalten sollte. Der Pfarrer macht deswegen seiner Predig bald ein End, und befihlt, daß alle Innwohner des Schlosses, sich sollten geschwind aus dem Schloß begeben, und selbiges gleichwohl denen höllischen Gespensteren überlassen, damit sie nicht etwann von ihnen am Leib ergriffen, und weiß nicht, was für einen grossen Schaden leiden müßten. Lauften derohalben alle in grosser Eil und Schröcken davon, so gut ein jeder vermöchte. Aber keiner so wohl aus den Knechten als Mägden gedachte an das junge in der Wiegen liegende und schlaffende unschuldige Kind des Edelmanns, welches allein in dem Schloß, und höchster Gefahr seines Lebens gelassen wurde. Unterdessen nahmen die teuflische Gäst das gantze Schloß ein, fiengen an sich zur Tafel zu setzen, und machten sich dem Ansehen nach lustig: holten eine Tracht über die andere von den Spissen und Häfen aus der Kuchel in die Tafel-Stuben hinauf, und verführten ein solches Schreyen und Johlen, daß die gantze Nachbarschaft sich darüber höchstens entsetzte. Sie begaben sich mithin zu denen Fensteren in unterschiedlichen Gestalten der Bären, Wölfen, Katzen, und abscheulichen Larven-Gesichter; zeigten dem zulauffenden Volck auf die Gassen hinunter gesottene und gebratene Speisen von Fleisch und Fisch, als wann sie alle darzu einladen wollten. Dieses sahe jedermann nicht ohne grossen Schröcken an, samt dem anwesenden Pfarrern und Edelmann; welcher letztere endlich ingedenck ware seines lieben Kinds, und fienge an die Haus-Bediente zu fragen, wo das arme Tröpflein wäre? Niemand wollte darauf antworten, dieweil solches aus Unvorsichtigkeit daheim in der Wiegen ware gelassen worden, welches dann dem Vatter in diesem so entsetzlichen Zufall ein neue und gröste Kümmernuß verursachte. Kaum ware diese Sorg in dem vätterlichen Hertzen entstanden, wurde schon das Kind auf dem Arm eines Teufels zu dem Fenster getragen, und allen auf der Gassen versammleten Leuten mit grossem Hertzen-Leid der Eltern gezeigt. Der Vatter über diesen so erbärmlichen Anblick gantz erstaunt, könte ein Zeit lang kein Wort sagen: endlich aber redete er einen aus seinen Dieneren, deme sonst etwas besonders könte anvertraut werden, an, und ersucht ihn, er möchte doch das Hertz fassen, und dieses verlassene Tröpflein den höllischen Raub-Vöglen aus den Klauen reissen; solche Gutthat sollte ihm reichlich vergolten werden. Wann er aber so viel Hertz [568] nicht hätte, sollte er wenigst sagen, wie die Sach anzugehen, und das Kind in die Sicherheit zu stellen wäre? der Diener antwortete darauf mit diesen Worten: Mein Herr! ich will mich und mein Leben GOtt dem Allmächtigen befehlen, und im Namen des HErrn mich unter die höllische Gespenster hinein wagen, damit ich dem unschuldigen Kind zu Hülf komme, und selbiges durch die göttliche Gnad aus dem Gewalt der Teuflen reisse. Wegen solchem Anerbieten und hertzhaften Willfährigkeit freuete sich der Edelmann sehr, und bate den Diener noch einmahl, er wollte sich doch in diesem zwar schwehren, jedoch Gott gefälligen Liebs-Werck brauchen lassen, worzu er ihm von GOtt dem Allmächtigen alles Glück, Heyl und Seegen wünsche. Der Diener begehrte gleich darauf von dem Pfarrern den Priesterlichen Seegen, und sprache alle Gegenwärtige um ihr Gebett an. Auf dieses hin gehet er keck in das Schloß hinauf, und fallt vor der Tafel-Stuben, allwo die Teufel sich beysammen aufhielten, auf seine Knye nieder, befihlt sich noch einmahl in den Schutz GOttes, und eröfnet unerschrocken die Thür. Aus denen Teuflen sassen etliche an der Tafel, andere giengen in der Stuben auf und ab, oder krochen wie die Schlangen, und anderes Ungeziefer herum. Aber so bald sie den Diener erblickt, lauffen sie alle zu ihm hin, und fragen mit ungeheurem Geschrey, was er hier mache? Der Diener schwitzte zwar vor Schröcken, wurde doch von GOtt also gestärckt, daß er denjenigen Teufel, so das Kind auf dem Arm truge, unerschrocken angeredt, und selbiges von ihm abgefordert. Allein der Teufel weigerte sich, und sagte: Dieser Raub ist nun mein, will solchen dein Herr haben, so komme er selbst, und nehme sein Kind aus meinem Gewalt. Mit dieser Antwort aber ware der Diener nicht zufrieden, sondern redete den Teufel mit hertzhaftem Gemüth also an: Ich verrichte das Amt, so mir aufgetragen worden, und worzu mich GOtt beruffen hat, dieweil ich weiß, daß ihm solches angenehm ist, derohalben vertraue ich auf die Gnad und Kraft GOttes, und nehme dir in dem Namen unsers HErrn JEsu Christi das Kind aus deinen Klauen, welches von mir alsobald seinem Vatter wird zugestellt werden. Mit diesen Worten legte der Diener Hand an, und reißte das Kind mit Gewalt zu sich, welches ihm auch der Teufel überlassen mußte, und wurde nach von dem Diener ausgesprochenen und von ihnen angehörten Namen JEsus so kraftlos, daß selbige nichts als drohen könnten, wie daß sie ihn in viel 1000. Stuck zerreissen wollten, wofern er mit dem Kind davon lauffen wurde. Allein sie könnten weiter keinen grössern Gewalt brauchen, sondern mußten dem Diener den Sieg gewonnen geben, welcher alsobald mit dem Kind aus dem Schloß auf die Gassen dem Vatter zugeeylet, und solches ihm gantz frisch und gesund in die Schooß gelegt hat. Die Teufel hatten sich zwar noch etliche [569] Tag in dem Schloß sehr ungestümm aufgehalten, seynd aber hernach alle verschwunden, und könnte der Edelmann mit allem Haus-Gesind seine alte Wohnung wiederum ruhig besitzen. Delrio S.J.P. 1. Sect. 1. & lib. 1. de lamiis, c. de malitia diaboli.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 567-570.
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