Sieben und dreyßigste Begebenheit.

Ein Kayserlicher Trabant weißt seine Mauserey mit einem artigen List zu entschuldigen.

[584] Zu Zeiten Kaysers Leonis, dieses Namens, zu Constantinopel hatte sich zwischen ihm, und seiner Leibwacht folgendes zugetragen. Es hatte dieser Kayser, da er bey nächtlicher Weil aus dem Beth aufgestanden, und sich für das Vorzimmer hinaus begeben, nicht ohne Mißfallen vermercket, daß alle 12. Soldaten, so die Wacht zu halten bestellt waren, sich von der Faulheit tief haben einschläfferen lassen. Darumen er dann zu allen Zwölfen herum geschlichen, und einem jeden ein gewisses Stuck Gold an [584] die Seiten geleget, daraus sie hernach schliessen können, daß solches von dem Kayser selben, nicht zur Beschänckung ihrer Wachtbarkeit, sondern zur Beschämung ihrer Schläfrigkeit müsse geschehen seyn. Einer jedoch aus ihnen, ob er sich schon stellte, als wäre er nicht weniger, als andere seine Mit-Gesellen in tiefem Schlaf vergraben, nahme doch alles wohl in Acht, und nachdem der Kayser wiederum abgetretten, schliche er zu allen in der Stille herum, und klaubete alles Gold fein sauber zusammen. Des anderen Tags wartete der Kayser mit Verlangen auf das Geschrey, so hiervon, wie er nicht zweifelte, zu Hof erschallen wurde. Aber es ware alles still. Eilf Soldaten wußten nichts um alles das, was sich zu Nachts mit ihnen begeben; der 12te aber hielte es für unnöthig, von seiner Mauserey laut zu schreyen. Endlich begehrt der Kayser von diesen seinen Soldaten zu wissen, ob ihnen in vergangener Nacht nicht ein absonderliches Glück zugestanden wäre? Und da die Eilf von nichts zu sprechen wußten, fallet dieser dem Kayser zu Füssen, und spricht also: Großmächtigster Gebieter! ich werde von unterthänigster Schuldigkeit gedrungen, deroselben mein Hertz zu eröfnen. Es ist mir in verwichener Nacht in dem Traum vorkommen, als ob ein hochansehnliche Person, so mich was übernatürliches zu haben gedunckte, mir und meinen 11. Gesellen einen Schatz einlegte, und zwar einem jeden ein gleich-schwere Gold-Müntz. Weilen wir dann eben unser 12. waren, so befande ich mich aus sonderbarer Andacht gegen den 12. Apostlen angetrieben, alle 12. Stuck gantz ehrenbietig aufzuheben, und zu mir zu nehmen. Lebe also der tröstlichen Hofnung, Ihro Majestät werden mich, weil es um die Ehr der Heil. Apostlen zu thun ist, meines Glücks halber nicht verdencken, sondern genehm halten, worzu mir mein Traum in dieser Nacht geholfen hat. Also redete beyläufig dieser Trabant: und ob schon der Kayser wohl merckte, daß deme nicht also wäre, liesse er ihme doch den List gefallen, und endigte sich also die gantze Sach in ein allgemeines Gelächter. Knellinger S.J. in Festivali Conc. de S. Barthol.


Also hat die Wachtbarkeit schon vielmahl grosses Glück; die Schläfrigkeit aber viel Uebels mit sich gebracht. Absonderlich, wann wir reden wollen von der geistlichen Schläfrigkeit der Seelen; dann wo diese einmahl einreisset, geht es zu, als wie auf einem Acker, den man ungebaut stehen laßt. Was wird er anders herfür bringen, als Unkraut? Also auch bringt ein schläfrige Seel, die keinen Fleiß anwendet, sich im Guten zu üben, nichts anders herfür, als Unkraut allerhand Sünden und Laster. Man sagt sonst im Sprüchwort: Faulkeit lohnet mit Armuth. Also auch folget einer schläfrigen [585] Seel auf dem Fuß nach Armuth an Verdiensten, mit welchen sie den Himmel hätte verdien können: so ja zu bedauren ist.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 584-586.
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