55. Ecce iterum Maevius

[472] In Knittel-Versen.


Als nach dem Fall des Lobesans

Ein Philipp herrschte nach dem Hans;1

Als man verundeutscht frembde Wörter,

Und in dem Reimen ward gelehrter:

Da Brandmarckt' alle Dichterling'

Ein Kayserlicher Palatin,

So woll die Blinden als die Lahmen,

Mit einem Funckelneuen Nahmen.

Itzt da der Streich nichts mehr vermag,

So kommt ein neuer Dudelsack,

Und machet sich ohn' all Erröhten,

Zugleich zum Pfaltzgraf und Poeten.

Nimmt selber einen Nahmen an,

So gutt als er ihn machen kan;

Und der verneute Meister-Sänger

Wächst eine gantze Sylbe länger.2

Kriegt' er nicht einen in der Tauff?

Warum nimmt er den andern auff?

Ich merck' es: Er hat zwey Gesichter,

Eins als ein Christ, eins als ein Tichter.

Der eine Nahm' ist abgenützt,

Den andern nimmet er zum Staat an;3

Und segnet sich mit beyden itzt4

Vor'm Hoffmanswaldau, und dem Satan.


Fußnoten

1 Ein Philipp herrschte nach dem Hans. Weil man Könige und Fürsten bey dem blossen Tauff-Nahmen nennet; so wäre es unbillig wenn man die berühmte Hans Sachs und Philipp von Zesen, als Fürsten der Deutschen Pritschmeisterey, mit jenen nicht auf einen gleichen Fuss setzen solte.


2 Wächst eine gantze Sylbe länger.. Sintemahl der eigne Nahm nur von zwey Sylben; der angenommene aber von dreyen ist. Der Schlich ist gutt, und, wie es scheinet, so ist er schon in Augustus Zeiten unter den Römischen Pritschmeistern im Schwange gewesen, wie aus folgenden Worten zu ersehen;


Quis, nisi Callimachus? Si plus adposcere visus

Fit Mimnermus: et optivo cognomine crescit.


Horat. Ep. 2. 1. 2.


Das angenommene Wort ist auch von dreyen Sylben, und fängt sich gleichfals mit einem M. an: so dass hieraus erhellet, dass grosse Leute, ohngeachtet sie über tausend Jahre von einander unterschieden sind, dennoch allezeit mit einander sympathisiren.


3 Zum Staat an. Wie man zuvor Dichterling mit Palatin; also hat man hier, um einen Reim auf Satan zu finden, so gar aus zwey einsilbigen Wörtern einen Weiblichen Reim gemacht: so dass wenn man die Worte: Staat an: liesst, der Accent auf die Penultima muss gesetzet werden. Nun bin ich versichert, dass kein geschickter Leser sich an diese Reime stossen werde; sintemahl dieselbe der Kunst gemäss, und ein unterscheidendes Zeichen der Knittel-Gedichte sind. So gar, dass wer dergleichen Verse aus Kurtzweil schreibet, nicht allein dieselbe nicht vermeiden; sondern mit allem Fleiss aufsuchen muss.


4 Und segnet sich mit beyden itzt etc. Sintemahl ein schlimmer Poet sich eben so sehr vor einem Hoffmanswaldau; als ein guter Christ vor dem Satan zu fürchten hat. Die Vergleichung ist etwas seltsam; aber je abentheurlicher dieselbe ist, je besser schicket sie sich zu einem Knittel-Gedicht.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 472.
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