34. Die Bussfertige Magdalena[267] 1

Dass Magdalena jetzt bis auf den Todt verwundt,

Aus Reu', als vor aus Brunst, durch den beschleimten Mund

Die aus der tieffen Brust gehobne Seufftzer weltzt;

Dass sie in Thränen jetzt zerfliesst, wie sie vor dem

In unfruchtbaren Tau vergebner Lust2 zerschmeltzt';

Und ihr Gesichte selbst, dass sie so angenehm

Zuvor durch Schmincke macht', in ihrer Wuht zerfleischt,

Kommt von der Seele her, die nichts was mässig heischt:3

So zeitig in der Brunst,4 in Reu und Leid so heiss,

Dass sie das Ende hier, dort nicht den Anfang weiss;

Ohn' allen Vorgang dort, ohn' alle Nachfolg' hier,

Der Weiber ärgste Schand', und ihre grösste Zier;

Ermüdet, und doch nicht ersättigt5 in der Brunst,

Und Trostloss in der Buss', ob gleich gewiss der Gunst;

Verschwendend in der That in ihrem Ubermuht,

Verschwendend nach dem Schein,6 indem sie Busse thut.


Fußnoten

1 Man will hoffen, dass diese ausgearbeitete Uberschrifft keinem nachdencklichen Leser zu lang scheinen werde, weil der Verstand darinnen gar nicht aufgehalten wird, sondern fast in jeden zwey Versen voll ist. Man hätte mit leichter Mühe kürtzer sein können.


2 In unfruchtbaren Tau vergebner Lust. Diese Worte lassen sich besser verstehen als erklären. Nam quædam satius est causæ destrimento tacere, quàm verecundiæ dicere, Quintil in Cont.


3 Kommt von der Seele her, die nichts was mässig heischt. So dass man ihr diese Worte des Vellejus Paterculus mit folgender kleinen Veränderung zueignen kan: Nihil in vitâ nisi immodicum aut fecit, aut dixit, aut sensit. Lib. I. in vit. Scip.


4 So zeitig in der Brunst. Wie die offenhertzige Metze im Petron. Arbiter, welche von sich selber sagte: Dii me perdant, si memini me fuisse virginem.


5 Ermüdet und doch nicht ersättigt. Diese Worte sind dem Iuvenalis abgelehnet, welcher von der Messalina saget: Et lassata viris, nec dum satiata recessit. Boileau nennt dieses eine verschmitzte Nachfolge der Alten in seinem Remerciment à Messieurs de l' Acad. Franc. und verschweiget gantze Oerter die er Hauffenweise in seinen Gedichten den alten Poeten abgestohlen. Wir Deutschen aber sind hierinnen mit den Frantzosen nicht einer Meinung; und das ist vielleicht die Ursach, dass er unsre Deutsche Musen vor einfältig hält, wie ans folgenden Versen, die er auf den armen Chapelain gemachet, zu ersehen.


Ainsi, sans m'accuser, quand tout Paris le joue,

Qu'il s'en prenne à ses vers que Phebus desavoüe,

Qu'il s'en prenne à sa Muse Allemande en Francois.


Satyr. IX.


6 Verschwendend nach dem Schein. Denn es wurde ihr gesaget, dass sie das kostbare Oel, mit welchem sie unsers Heylands Füsse wusch, lieber hätte verkauffen sollen, und hernach das Geld davon den Armen geben.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 267.
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