6.

Wie Angliana, des graffen tochter, nach gewonheit allem hoffgesind das newjar gab, allein Lewfriden, des kuchenbůben, vergessen thet, davon er hertzlichen betrübt ward.

[280] Es begab sich gleich im selbigen winter, demnach jetzund das newjar kummen was, junckfraw Angliana allem hofgesind, demnach sie gewont war, das newjar gab, einem jeden, demnach er geadelt und mit einem ampt versehen was; und dem wenigsten under den stalbůben ward ein schönes schnauptüchlin oder fatzennetlin. Dise lieffen nach empfangner gab zůsamen, yeder zeiget, was im die junckfraw verehrt hatt.

Von ungeschicht fügt sich, das der gůt Lewfrid auch zůgegen was; von dem begerten sie sein newjar auch zů sehen. Er aber hatt leyder nichts empfangen, kond derhalben nichts zeigen. Jedoch wolt er daß in keinem unmůt auffnemen; dann er gedachte: ›Wer weyßt, die junckfrauw mag mich nit kennen. Ich will mich ir aber zů gesicht fügen; wer weyß, sie möcht mich in gnaden erkennen.‹ Also fügt sich Lewfrid offt mit fleiß auff weg und strassen, da er gedacht Angliana herkommen solt; aber alles umbsunst was, dann sie seinen gar kein acht nam. Das dann den gůten jungen hertzlichen betriebet; darzů hat in Cupido mit seinem geschoß verwundet, also das er in grosser einbrünstiger liebe gegen junckfrauwen Angliana entzindet ward. So starck ward daß feür in im auffflammen, das er kein stund noch tag, ja keinen augenblick hingan ließ, in dem er nit die schöne der junckfrawen auffs höchst ermessen unnd bedenken ward.

Eines tags hat Lewfrid all sein geschefft gar zeitlich nach seines meisters befelch außgericht. Alles hofgesind kam zůsamen in der grossen hoffstuben; dann es waß auff einen sontag gar grausam kalt. Als sie sich jetzund umbsahen, den meisterkoch und seinen underkoch in der stuben fanden, aber Lewfrid niergens umb die weg was, nam es sie alsam wunder. Sie fragten den meisterkoch nach im. Der sagt: ›Sicher, ich weyß nicht von im zů sagen. Dann sobald und er sein gescheft verricht hat, ist er auß der kuchi gangen; wohin, ist mir nit zů wissen, dann das ich gedenck, er etlicher seiner gescheft halben in die statt gangen sey.‹

Es hatt aber gar ein ander gestalt umb Lewfriden: sein gemüt was im hart beschwert. Er saß in dem garten an einer verborgnen statt, sein jamer und leyd mit im selbs klagende; dann er sunst niemans in dem vertrauwen wolt. Lewfrid[281] fieng an mit im selb zů reden und über daß unstet wanckelbar glück zů klagen: ›O glück,‹ sagt er, ›wie bist du so wanckelmütig gegen mir! Du hast mich in meiner kindheit auß meines vatters armen, mit stro gedeckten hüttlin genummen, in welchem mir vil baß gewesen wer, so ich der zarten und siessen tag nit empfunden hett. So wer ich jetzund meins vatters oder eins andern hirten diener. Der versehe mich mit speiß und kleidung; die frischen und lauteren quellen weren mir lustig zu trinken, deßgleichen die feiste unnd süsse milch von geissen und khüen. Jetzund für ich zu mittem tag auß mit dem viech; so dann die son zů gnaden gon wolt, für ich wider heim, vertrib die zeit biß zům nachtmal in der warmen stuben oder bey dem fewr. Des morgens wer mir ein kleine müh unnd arbeit, so ich in den wald gieng, des dürren holtz mir zů einer fart zůsammenraspelt; so ich das zů hauß brecht, würt das mal darmit gekochet. Summerszeit aber würdt es noch ein bessere gestalt mit mir haben; dann in anfang des glentzen mag ich wol sprechen, das kein volck under allen begangenschafften mer kurtzweil, freud, lust und wunn hat dann die hirten im feld. Jetzund sehend sie die wunder gottes, wie die laublosen beum, die gleichsamm, als wann sie dürr weren, im windter erscheinen, ihr laub wider herfürbringen mit süssem geschmack und schöner blůßt. Was soll ich sagen von dem lieblichen gesang der vogel, welche mit zitterender stimm zusammensingen unnd je einer den andren meynt zů übersigen! Die lustbarkeyt der vilgeferbten bliemlin mit unaußzalbaren gestalten, die geben den anschawenden auch nit wenig ergetzlicheyt, wolust und freud. Diser ding aller můß ich armseliger Lewfrid beraubt ston. Daran ich aber niemant dann dich, o glück, zů schelten weyß, dieweil du mich bey meinem lieben herren unnd ernerer nit erhalten wöltest. Hey, warumb hast du mich dann auß meines vatters hauß genommen? Darzů hast du nit ein vernůgen gehabt ann dem, das ich von meinem herren so reülich und wol erzogen worden bin, sonder hast mich in meiner jugent under meines gelichen knaben zů einem könig und regierer haben wöllen; welche regierung ein ursach ist alles meines trübsals, in welchem ich jetzund gantz hart verstrickt und gefangen bin. Ach[282] mir armen betrübten jungen! Wer ist doch in aller welt, der mich trösten mag, dieweil ich gegen deren, so mich vor allem hoffgesind außgeschlossen und veracht, bin in also grosser lieb entzünd, dieweil doch nimmer müglich sein mag, das sie mir in all meinem leben ein freundtlichs wort zusprechen würt! Dann sunst begert ich anderst nicht, dann in irem dienst zů leben und zů streben. Was bedarff sie aber meines dienstes, ich, der eins armen hirten son und von dem nidristen stammen geboren! Ir stond doch vil ritter, graffen, freyen und edelleut zů irem dienst, deren sie genůg find, so das mit grossen freuden begeren zů thůn.‹

Dergleichen klag hat der gůt jüngling gar vil, trib das so lang mit im selb, biß er vor frost nit mehr in dem garten bleiben mocht. Darzu kam jetzund die zeit, das er sein geschefft in der kuchen versorgen solt. Er ging ganz trostloß auß dem garten an sein arbeyt. So man in fraget, wo er gewesen wer, gab er zů antwort, er were in der statt spatzieren gangen, die lustigen gebew der burger zů beschawen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 280-283.
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