5.

Wie Gottlieb ernstlich den Fridberten nach seinem son fragen thet und inen seinem zuchtmeister von neüwem befalh.

[18] Gottlieb der ritter, nachdem und er vernam, das sein son sich einer anderen gesellschafft underziehen thet, ward er von hertzen seer bekümmert, fragt weiter und sagt: ›Fridbert, mein lieber son, wie das mein son Wilbald sich ander gesellschaff underzücht und dich verlasset? Die sach můß nit recht zůgon. Habt ir euch mitnander gezancket? Das solt du mir sagen.‹ – ›Ach nein, lieber herr,‹ sagt Fridbert, ›dann das er sich zů einem bösen jungen gesellet, welcher gar schnöder stück pfleget, so einem frummen knaben nit gezimmen.‹

›Wer ist derselbig?‹ sagt der ritter. Antwurt Fridbert: ›Er ist eines metzgers son und heißt mit namen Lottarius. Sein, gröste tuget ist anders nichts, dann liegen, schlecken und stelen, die knaben von den tilgenden zů den lastern zů bringen. Den hab ich heüt mit worten gestrafft, er solle mir meinen lieben[18] brůder unverfürt lassen und seine bůbenstuck sunder inen vollbringen. Darauff hat er mich so gröblich außgangen, mir mein vatter unnd můter irer armůt halben fürgeworffen, mit treuworten dermassen angefaren, das ich ihm als dem sterckisten hab müssen platz geben.‹

Spricht der ritter: ›Was sagt mein son Wilbald darzů?‹ – ›Grar nichts,‹ sagt Fridbert, ›dann das er mit lachendem angesicht umbwandt, ein lange gerten in seiner rechten haltend, mit welcher sie der zeit haller und pfennig auß einem runden krütz oder ring schussen. Sie gebrauchen sich auch beyweilen der wirffel und karten; dann diser Lottar nimmer auff der gassen funden wirt, er hat zům wenigsten karten oder würffel im bůsam.‹

Von solichen worten ward Gottlieb nit ein wenig bekummert, fieng also gantz mit zorniger stimm an zů Felixen, welcher beider jungen zuchtmeister was, zů reden, sagt also: ›Felix, mein vertrauwen und hertz ist anders zů dir gestanden; het wol vermeynt, du hettest mir meinen son in grösser unnd sörglicher achtung gehabt, domit er nit mit sollicher bösen jugent in kuntschafft kummen wer. Einem pedagogen gebürt fleisiger auffsehens auff seine discipel zů haben. Dem allen aber sey jetz wie im wölle, so gebeüt ich dir, so lieb dir mein früntschafft sey, wöllest mit allem fleyß und ernst auffmerckung haben, meinen son wider in die forcht ziehen und kein růt an im sparen, damit er von solcher üppigen und bösen gsellschafft abstand, wider in sein erste zucht und scham trette. Dann wo er in der bösen würtzlen erwachset, ist ein sorg, man inocht in nit mehr darvon abziehen mögen. Derhalben thů als ein getreüwer zucht- und lermeister! Deiner růten nit milt sein solt und die nach aller noturfft gebrauchen.‹

Als Felix von seinem herren den zorn vernemen ward, sagt er: ›Allerliebster und getreuwer herr, mein fleyß, müh und arbeit hab ich alle meine tag an euweren son nit gespart, wie dann sein anfang wol erzeigt hatt. Darumb bitt ich, mir anders nicht vertreüwen wöllend.‹

Dieweil sie also mitnander sprachen, kumpt Wilbaldus mit schnauffenden atum gelauffen unzüchtiger geberden, mit ungewäschen henden zů dem tisch ylende, gleichwie ein unvernunfftiges[19] thier zů den oß lauffet. Der gůt Felix in züchtiglich darumb straffet, des im Wilbaldus einen bösen und schalckhaften blick geben thet. Der vatter semlicher seines sons geberden, wol wargenummen bat, darvon ihm das hertz im leib heimlich weinet; mit einem schweren seüfftzen gen himmel sehend und mit schmertz gedencken thet: ›O du mein himmlischer vatter, wie seind doch deine gaben so wunderbarlich under die menschen außgeteylt! Denn diser mein son mir des ein war exempel ist. Ich wolt in gern auff kunst und tugend aufferziehen lassen, auch all mein fleiß daran wenden, damit er mir an adelichem gmüt ein nachvolger were. O lieber gott, so nimpt er im anders für; das macht sein üppig und böß gsellschafft, die ihn dann zů sollcher büberey abrichtet. Dargegen aber ist mein ander son, welchen ich an kintsstatt von meinem meyer [überkommen hab], eines andren gemüts. Wiewol von armen groben leüten erboren, er aber befleißt sich aller kunst unnd tugendt; er ist forchtsam, warhafft, still und gehorsam seinem schůlmeister und pedagogen. Wie soll ich ihm aber thůn, dieweil ich sich, das kein zucht noch straff an meinem son verfahen thůt?‹

Als nun Gottlieb lang also gesessen ungeredt in himmel sehend, dem auch zům teil seine augen mit wasser beschwert, sein weib des vor andren am tisch mit erst warnam, anhůb gar früntlich mit ihm zů reden: ›Mein liebster herr und gemahel, was beschwert dir dein gemüt, das du nit essen noch frölich sein wilt? Sag mir dein anligen; ich wil dich, so mir anderßt möglich, mit hertzlichem trost ergetzen.‹

Gotlieb sein liebe haußfraw mit einem schweren süftzen ansach, seine hend zůsamen schlahend, unnd mit bekummerten hertzen zů ir sagt: ›O Concordia, mein liebe gemahel, mein beschwernüß, so mich so hart bekummert, ist nit klein, dieweyl [ich] all mein hoffnung auff disen unsern son gesetzt, aber sehen můß, das er so gantz übel gerhaten will, sich böser loser bůben und gesellen underzucht, von welchen er nichs gůtz sehen oder lernen mag. Aber all unzucht und můtwillen in im würzlet, das zů sorgen ist, er werd nimmer davon ablassen. Das ist mein groß beschwerniß, so ich an meinem[20] hertzen tragen thůn, würt mir auch die gröst fürdernüß zů meinem grab sein.‹

Concordia die fraw freüntlicher wort anfieng zů reden: ›Lieber herr und gemahel, nit lond euch die torheit und kindischen geberd unsers sons so größlich bekummern! Habt ir doch offt selb gesagt, witz kumme nicht vor jaren! Lond sein jugent ein wenig baß verwüten! Ich getreüw im, er werd unser beider geschlecht ersetzen, so ihm anders gott sein läben laßt. Juget laßt sich nit verbergen, ja auch in kein sack verknüpffen. Darumb, allerliebster herr, sollend ir solchen kummer von hertzen schlagen.‹

Gottlieb antwůrt: ›Liebe Concordia, du sichst aber, das er von tag zů tag unzüchtiger, unforchtsamer wirt. Semlichs ist ein bösy zůversicht, das besserung an im zů warten sey. Dann erstlich, als er zů schůlen gangen, hat er sich, sovil seiner jugent gebürt, in allen tugenden beflissen, biß er sich von Fridberten, seinem mitgesellen, gewendet und ander bösen gesellschafft sich underzogen. Fridbert aber in seinem fürnemen teglich befleisset, je lenger je geschickter zů werden. Solichs, meynt ich, solt unser son auch thůn.‹

Als nun vatter und můter also mitnander redten, stund Wilbald, hort iren worten zů gleich wie ein gans der predig, gedacht in im selb: ›Wer der imbis volnbracht, ich wolt mich wider zů meinem Lottario fügen; der gibt mir mehr freüd dann euwer tant.‹ Gottlieb in gegenwertigkeit seines sons befalh dem pedagogen Felixen, das er mit fleiß witer auffsehens haben solt, seinen son in der růten halten und von solcher bösen und unzuchtigen geselschafft abziehen, im aber ander erbar knaben erwölen; die möcht er dann wol mit im zů hauß bringen, frölich und gůter ding mit denselben sein, in die gärten und grünen feld unnd wald spatzieren.

Dis geschach; es weret aber nit lang; dann Wilibaldus sein alte geselschafft wider sůchen gieng, wie volgen würt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 18-21.
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