7.

Wie Wilbaldus von seinem vatter in einer tafern funden ward, seinen knecht nach im schicket, aber gar ungehorsam von seines vatters knecht funden ward.

[25] Ir habend genůgsam verstanden, mit was gůter underwisung der schandlich Lottarius den edlen jungen Wilbaldum von jugent auff hat angefürt, welchen Wilibaldus mit[25] gar grossem fleyß nachvolget. Treiben das je so lang, biß zůlest der alt ritter Gottlieb eines tags auf die spaur kam, fand sein son und gůte gesellschafft bey einander in einer tafern, do sie im dann von einem seinem gůten fründ verkuntschafft wurden. Er ward ser von hertzen betrübt, brach im doch selb ab und schicket seinen reitknecht hinin, ließ seinem son zů hauß verkünden. Der dann nach seiner gewonheit nit gleich gehorsam was, sunder bey seiner faulen rott beharret, biß ihm wolgefallene zeit kam; dann er wol wußt, die můter das best zůr sachen reden wird, wie dann vor offt geschehen war.

Als nun der gůt alt ritter zů hauß kam, was er unmütig, seines sons mit verlangen wartet. Als er aber nit kummen wolt, schickt er nach Felixen, sines sons zuchtmeister; dann er argwonet in auch bey solcher rott zů sein und seinem son durch die finger sehen. Sobald nun Felix für den ritter kam sampt Fridberten, seinem andren jungen, fieng Gottlieb, der alt ritter, auß grossem zorn an zů reden und sagt: ›Ich hab dir, Felix, zů vil malen deinen unfleyß gegen meinem son fürtragen; was aber semlichs an dir verfangen, můß ich jetz leyder von meinen gůten freunden bericht werden, welche dann warlich mehr achtung auff meinen son dann du habend, welche mich, in zů finden, für ein offen taffern gefürt hand, do ich in sampt anderen jungen bößen bůben fand in allem laster und schanden sein zeit und jugent verzeren. Daran du allein, als dem er befohlen ist, schuldig bist, des ich dir dann nie vertrawt hett, sunder verhoffet, mein son solt von dir von allem bößen gezogen sein und zu aller tugent sich gewendt haben. Das aber alles widersins gerhaten ist; gott müß deß geklagt sein, du aber von wegen deines unfleisses billich von mir als ein ungetrüwer diener solt gestrafft werden.‹

Felix von des ritters worten nit wenig schrecken empfieng. Dann wiewol des ritters weib zůgegen aber das best darzů redt, mocht sie doch dem ritter seinen zorn nit außreden, mocht auch dem gůten Felix keinen friden gegen dem ritter erwerben; so gar was er in seinem hertzen und gmüt entricht und erzürnet, hůb an zům teil sein weib zů beschuldigen, iren auch so heiß ires sons halben zůzůreden, das sie es nimmer hören mocht; wie dann die müterlichen herzen alle thůn, so man[26] iren zarten sünlein so hart zůspricht. Darumb gieng sie mit grossem seüfftzen und weinenden hertzen von dannen, den jamer sie nit mehr hören wolt.

Des im dann Felix nit kleinen trost nam, dann er sich in abwesen der můter des baß entschuldigen mocht. Anfieng mit seinem herren auff solche meynung zů reden: ›O strenger ritter, ich bitt, wöllend mich armen eüweren diener in keinem solchen argen verdacht haben. Dann ich mein hertz und gemüt in trüwe und forcht von euch nie gewendet hab, mich auch der wolfart euwers sons zů allen zeiten beflissen, das ich in in gleicher tugend und lernung hett mögen auffbawen, als ich dann mit Fridberten hie zůgegen, euwerm auß erbermbd angenummen son, gethon hab. Das alles aber umbsunst gewesen, wiewol er sich mit ersten in solchen fleiß begeben hat, das ich seinenthalben in sorgen stund, er möcht im zů vil auff sein zarte jugent laden. Derenhalben ich ihm dann vilmal lust gelassen, also das mir uns ettlicher zeit in dem feld mit beschawung der blümlein, ab dem lieblichen gesang der vögel, von den rauschenden bechlein und kalten quellen erlustierten. So wir dann wider zů hauß kamen, fügten wir uns wider zů der lernung. Das hat er ein zeit lang getriben, aber nit gleich wie Fridbertus darauff beharret, welches mir dann nit wenig kummer gebrocht hat. Weyß aber nit, was bößen geistes in zů des metzgers son, dem lichtfertigen Lottario, gefürt hat, von dem er nichts gůts, sunder aller boßheit sehen und lernen thůt; dann er in von allem gůten abgewendet hat. Fridberten aber hab ich auß seiner hand gerissen, wiewol im solcher Lottar mit seinem wasen nie hat wöllen gefallen. Darumb, strenger ritter, bitt ich, wollend mich nit so schwerlich in dem verdencken, als wann ich an dem handell schuld trüg.‹

Gottlieb, der frum alt ritter, mit bekumberten hertzen sagt also: ›Felix, du aber bist an dem allein schuldig, das du meinen son nit mit ernst under der růten und forcht gehalten hast, in von semlichen bößen bůben und loser gselschafft abzogen, das ich dann billich zů dir hab zů klagen. Ich hab zů vil malen mit dir geredt meines sons halben, das du im nit zů weich sein solt; darumb allein dein schuld daran spüren můß.‹ Felix batt weiter seinen herren, im zů vergeben, darbei anzeygend[27] das herzlich mitleiden der můter; ob er gleich wol im sein son in strenge straff hefolen het, hergegen die můter ihm durch groß flehen angehalten, irem son nit zů hart zů sein; dardurch het er sich lassen bewegen, auch der frawen zorn geförcht, das er die sach het zů zeiten lassen hingon.

Sobald der ritter semlichs hort, ward er etwas milter gegen Felice, befalh im aber, er solt sich in die tafern verfügen und in vor menigklich mit gůten růten strychen, damit er sich dest mer vor menigklichem scham. Felix was der sach zůfriden, macht im ein gůte růten, gieng in die tafern, findet seinen discipel Wilibaldum wol bezecht bey seinem hauffen sitzen, welcher seines Schulmeisters oder zuchtmeisters wenig acht nam, fůrt sampt seinem Lottario sein bracht für sich. Felix fordert Wilibaldum von dem tisch herfür. Als er sich aber spötlicher und gantz ungehorsamer geberd gegen im bewis, wolt er in mit dem har herfürziehen. Die anderen seine gesellen streüßten sich mit macht wider in. Felix ergrimpt noch mehr, (dann im lage an das schelten seins herren) dringt hinzů, erwischt Wilibaldum, buckt in über ein banck, reißt im seine hosen ab. Er aber mocht mit seiner růten nit so bald fertig sein, Wilibaldus zog heimlich ein messer auß seiner dolchenscheid und stach Felixen durch ein schenckel.

Sobald Felix des gewar worden, hat er den übelgerahtnen jungen lassen faren und mit schmertzen beladen zů dem artzet geeilet, sein wund zů verbinden. Fridbertus, welcher zůgegen was, schnell unnd bald heimlieff, seinem herren all sach zů wissen thůt. Davon er in neüwen zorn gegen seinem son und seiner geselschafft bewegt ward, laufft gantz grimm in daß hauß oder tafern, in welchem sein son saß, in selb zů straffen; der aber sampt seinen gesellen gewarnt, hinden zů einem laden in ein öde gassen hinaußfielen. Von dem tag an sahe Gottlieb sein gerahtwol nit mehr, wie ir dann hernach hören solt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 25-28.
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