31.
Wie herr Eberhart von der Lilien Reinharten trewlich warnet, sich vor des künigs auffsatz zů hüten.

[272] Eberhart von der Lilien mit gantzem fleiß betrachtet, wie er sein red mit dem ritter anfahen wolt, damit er ie zů keinem verdruß annem. Nit lang zeit vergieng, das er [und] der ritter mit einander auff eim entenbeysen allerhand zů red wurden. Als nun den von der Lilien zeit daucht mit dem ritter, anhůb und sprach: ›Herr Reinhart, ich hett wol ettwas vor lang im sinn gehabt mit euch zů reden, unnd hat sich aber nye als auff dißmal wöllen schicken. Darumb so bitt ich euch zůvor, so ich etwas mit euch reden würd, das euch zůwider wer, ihr wůllend mirs vergeben; dann es auß lauter warer und rechter trew beschicht. Es hat sich[272] begeben vergangner zeit, das unser allergnådigster künig unser ettlich zůsamen hat lassen berůffen und uns ettwas fürgehalten, das euch dann, wo es also wer, wie im der künig fürnimpt, zů grossem schaden dienen würd. Darumb so hahd unser ettlich mit einander beratschlagt, euch freündtlicher meynung zů warnen.‹

Reinhart die wort mit grossem verwundren zů hertzen nam, nit wissen mocht, was er doch wider den künig misszhandlet hett, kein gedencken hat, das im der künig der junckfrawen halb auffsetzig sein solt. Zů dem von der Lilien sprach: ›Lieber herr, ich bedanck mich auffs höchst gegen euch, auch andren, so nun in solchem fall gedencken, mich vor meinem übel understohn zu warnen. Ich kan aber warlich nit wissen, womit ich mich doch gegen meinem herren dem künig verschuldt hab, das er semlich auffseher auff mich bestelt hat. Ich bitt aber euch, wöllend mir ein sollichs offenbaren, damit ich mich dest baß wiß zů hüten. Dann es möcht ein solche sach sein, so ich villeicht on alles wissen thet unnd ein semlichs nit für unrecht schätzet.‹

Der von der Lilien anhůb und sprach: ›Herr ritter, ich will euch die meynung des künigs nit verhalten. Es ist mein herr der künig in einem solchen argwon gegen euch, das er gäntzlich glaubt und haltet, ir unnd Rosamunda die junckfraw seiendt in liebe mit einander vereinbart; davon will er sich gantz nit lassen abwenden. Darumb, edler ritter, euch von nöten ist solchs zů wissen. Dann so ir ettwann von ungeschicht bei der junckfrawen stunden zů reden unnd dann in dem gegen dem künig versagt würden, ir möchten dardurch in groß leiden unnd leyd kummen, das mir dann von gantzem hertzen leyd wer.‹

Der ritter von der red ein solchen grossen schrecken empfieng, das er kaum auff seinem rossz mocht bleiben, ein gůte zeit also ungeredt fürreit, zůletst anhůb unnd sprach: ›O neid und hassz, o du schandtlicher böser klaffer! Ach gott, wer mag doch der sein, so mich also gegen meinem herren dem künig also fälschlichen dargeben hat! Nun můß mich ymmer rewen, das ich Engelandt all mein tag ye ersehen hab. O schöne unnd tugendtliche junckfraw, was werden ihr gedencken, so ihr ein semlich red von mir und euch hören[273] außgon! Ir mögen wol sagen, das ich euch zů allem unglück in diß künigreich kummen sey, dieweils ir vormals auch in einem solchen gewert, mit mir gewesen sind, als der, schalckhafft vogel mir durch falsche underweiser solcher ding auch zůlegen wolt. Gott wöll, ich mich mitlerzeit an solchen meinen widersächern gerechen mög.‹ Demnach zů dem von der Lilien sprach: ›Edler herr, ich sag euch zů dem höchsten danck ewer getrewen und brüderlichen warnung. Ich hoff auch zů gott, er wird mir die gnad geben, semliche gůthat um euch zů beschulden.‹

Mit dem gespräch also der statt zůritten. Dem ritter Reinharten seer we zů můt was; mit grossem verlangen er warten můßt, das er zů seinem allerliebsten Gabriotten käm, das er im sein ellend anzeygen unnd klagen möcht unnd seines gůten rahts darinnen pflegen, des er dann sunst von nyemandt begeret.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 272-274.
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