55.
Wie Gabriotto seiner liebsten Philomena einen brieff schreibt im beisein des narren; derselbig dem künig alle wort ansagt.

[328] Nit lang nach solchem verloffnem handel der künig den narren fraget, oh er nicht an dem ritter mercket. Dem der narr zůhandt antwort: ›Nein, nit sunders, dann das der ritter nun ettlich tag mit schweren gedancken beladen ist, manchen grossen seüfftzen von seinem hertzen lasset. Was in aber darzů ursacht, ist mir verborgen; kan auch weder mit meinen worten noch geberden den ritter wie vormals zů lachen bewegen.‹ Der künig von des narren worten wol abnemmen kundt, was dem ritter zů solchen seüfftzen und klagen bewegen thett. Darumb er dann den narren nit weiter fragen wolt; er befahl ihm aber mit fleiß auffzůschawen, was doch der ritter weiters begünnen wolt.

Des ihm der schalcksnarr versprechen thet, also von dem künig schied, den ritter Gabriotto sůchen gieng, den er noch trawrig in seinem gemach sitzen fand. Der narr seine angenummene bossen vor dem ritter treiben thet, aber gantz nichts an im verfahen wolt; stetig sein gesicht yetz über sich, dann under sich wenden thet, zůletst auffstundt, sein unsichtbare dinnten zů handen nam, seiner allerliebsten junckfrawen Philomena einen brieff schreiben thet, welches inhalt was, wie nachstat:

›Ich wünsch euch, mein allerliebste junckfraw, vil glück unnd freüd, wiewol mir des gantz wenig beschert ist. Dieweil ich in hoffnung gewesen bin, das glück werd nun zůmal an uns ein vernügen haben und mit seinen genaden handt ob uns halten, so sorg ich aber, es sei umb unser liebe nye sorglicher gestanden. Dann als ich von meinem vatter bericht bin, so ist der künig solichermassen in zorn wider mich ergrimmpt, das er understaht mich an meinem leib zů straffen. Wer aber daran schuldt tregt, mir gantz verborgen ist, kan auch auff nyemandts nit zweyffeln. Darumb, mein allerliebste junckfraw, hab ich euch die ding keinswegs wöllen verhalten, damit ir euch auch dest baß vor unsern feinden mögen bewaren. Ich beger auch hierinn mir eweren getrewen raht nit zů verhalten. Hiemit, allerliebste junckfraw, befihl ich euch in den schirm gott des allmechtigen.‹

Der ritter disen brieff also schreiben thet, den ungetrewen narren also bei im sitzen ließ, welcher der feder nach den brieff[329] gäntzlichen lesen thet, des sich aber der ritter nit zů im versehen hat. Darumb im zůletst grosses leyd zů handen gon thet, als ir es hernach wol bericht werden sollen.

Sobald nun der ritter den brieff verschlossen hatt, ist er damit auß seinem gemach gangen, den narren von im hinweggeschicket; dann er sich dannocht ettwas von im besorget. Es war aber gantz zů spat. Der narr seiner schalckheyt nach schnell gieng den künig sůchen, dem er zůhandt wortzeychen gab, dabei der künig verstund, das im der schalcksnarr aber newe mehr bracht. Deßhalben er in bei seiner handt nam, mit im allein in einen sal gon thet, nyemandts dann einen jungen kammerbůben mit im nam. Der künig nit meinet, das der bůb auff ire wort acht haben solt; es wolt sich aber ye dahin schicken, das dem verräther auch sein verdienter lon werden solt. Dann gemeynlich geschicht es, so einer einem andren ein grůben delben thůt, das er selb hinnein fallet; also disem schalcksnarren auch geschach.

Als nun der künig sampt dem narren yetzundt in den sal kummen was und der künig aller ding von dem narren bericht ward, der künig in zorn gantz gegen Gabriotten wüten thet, im zůstund den todt schweren thett, zů dem schalcksnarren sprach: ›Du hast mir bißher mit gantzem fleiß gedienet, darumb ich dir dann schuldig bin widergeltung zů thůn. Derhalben ist mein bitt, du wöllest der sachen ein end machen, damit mir der schandtloß ritter auß meinen augen kumm. So das geschicht, solt du reichlich von mir begabt werden; wills auch gantz zů deinem gefallen und willen setzen; so du wilt, magst du hie bei mir zů Lunden bleiben oder gen Idenburg zů deinem vettern ziehen.‹

Der schalcksnarr dem künig antwort unnd sprach: ›Allergnädigster herr und künig, alles, so mir ewer künigliche mayestet gebeüt, bin ich willig unnd zů vollenden. Darumb zeyg mir ewer gnad an, durch was weg ich euch zů willen werden kan; will ich mich unverzogenlich darein schicken.‹

Der künig antwort und sprach: ›Du solt wissen, das ich in künfftigen tagen ein jagen anrichten will. Hiezwischen will ich dir zůlassen bereyten ein starcken gifft, mit dem solt du einen apffel vergifften. Und wann man dann auff das gejäg[330] zeücht, so will ich vor allen andren dich dem ritter befehlen, das er acht auff dich haben soll. Sobald ich dann mit meinen andren dienern von euch kumb, so lůg du und verhinder dich mit deinem esel; so můß dann der ritter meinem befelch nach bei dir bleiben. So will ich zůvor dem ritter bescheydt geben zů einem brunnen, dabei er mich und das gantz gejäg finden soll. Sobald du dann mit im zů dem brunnen kumpst, werden ihr nyemandts dabei finden; dann ich mich mit fleiß auff einen andren weg richten will. So zeüch du dann deinen apffel herauß unnd gib ihn Gabriotten; der würt ihn dann gwißlich von dir nemmen. Alsbald aber er den von dir empfacht und im des gifftes ein kleines stücklein in seinen leib kumpt, so muß er schnell on alle hilff sterben. Er würt auch einen schritt nit von statt kummen mögen. Deßhalben du dich in keinen weg vor im besorgen noch entsetzen darffest.‹

Der narr dem künig versprechen thett, seinem befelch also nachzůkummen. Also im ernstlichen gespräch sie beyd mit einander redten, das sie des kammerbůbens gantz kein acht nit hatten; welcher allein iren anschlag gäntzlich vernummen hatt, in im selbs gedacht: ›O gott, hilff, das ich von nyemandts gesehen werd! So will ich underston den grossen mordt zů wenden.‹ In dem der künig sampt dem narren von dannen giengen, des bůben gantz kein acht nit hatten. Zůhandt der bůb nach Gabriotten dem ritter schawet, damit er im solchen falsch und verrähterei zů wissen thůn möchte.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 328-331.
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