21.
Wie in abwesen des Lasarus sein weib einen jungen sůn an die welt bracht unnd in Richarten hauß zůr kindtbeth lag, iren gantz herlichen gepflegen ward.

[172] Die zwen gůter jungen herren waren gantz emsig in der sach, damit sie wider zů hauß kemen. So het Lasarus auff das unglück, so im zůhanden gangen war, keinen lust mehr, in Hyspanien zů beleiben; darumb er täglich an Richarten lag zů manen, damit sie wider heim in Portugall kemend. Dise wend wir ire geschefft lassen verrichten und wöllen sagen, wie es die zeit in Portugal gangen sey.

Lasarus, als der von land gefaren, het er sein weib groß schwanger hinder im gelassen, darumb in dann desto mehr heim belangen thet. Es kam die zeit, das die gůt fraw solt geligen. Da sollichs Cassandra, Richarten weib, an ir wargenummen, hat sie die Lucia (also hies des Lasarus weib) mit früntlichen worten getröstet und ir ein schön gemach in ir behausung zůrichten lassen. Zůdem ging die Cassandra auch gros schwanger; aber sie gelag nit, bis das ir herr wider zů land kam. Also kam die stund, das sich die gůt Lucia nit mer erweren mocht, das sie die kindswehe gar hart ankamen. Sie gebar einen jungen sůn, der sie gar grosse freüd überkam.[172] So ward sein auch Cassandra hertzlichen erfrewet; dann sie beid nit weniger liebe und früntschafft zůsamen hetten dann die männer. Das kindlein ward nach christlichem brauch und ordnung zůr tauff getragen. Der alt herr Robertus hůb das kindlin aus der tauff, volbracht auch das mit gantz grossen frewden. Er begabt auch die kindtbetterin fast reichlichen, befalh auch seiner tochter, das sie ir wol pflegen solt, das dann nach seinem befelch volzogen ward. Cassandra was täglich bei ir, damit sie dester kurtzer zeit haben solt.

Aber Lucia wolt nit gar volkumenlich sich trösten lassen. Ir sinn, wunsch und gedancken stůnden stetigs nach Lasaro, irem lieben herren, dieweil sie nit wissen mocht, wie es im gieng. Wann sie dann des tags in semlichen gedancken was, kamen ir des nachtes gar mancherley treum und fantasien für. Das macht sie so unrhüwig und blöd, dieweil sie keinen rechten natürlichen schlaff haben mocht, das sie zůletst in ein harte kranckheit fallen thet. Davon die gůt Cassandra nit wenig schmertzen empfieng; sie lies ir auch die sach dermassen so hart anligen, das beide, vatter und můter, in grossen sorgen stůnden, Cassandra wird auch von wegen solcher kümernus in ein kranckheit kumen; und was also zů beiden seiten angst, jamer unnd nodt, es nam auch die kranckheit an der Lucien von tag zů tag zů. Also namen sie das kindlin von ihr, bestaltend ein gesunde seuberliche seugam, die das kindlin in pfleg haben solt, so lang bis es genůg gesogen het.

In disen dingen begab es sich, das ein post aus Hispanien gohn Lisabona kam; die bracht dem alten herren brieff von seinem tochterman Reicharten, desgleichen von Lasaro, davon der alt herr grosse frewd empfieng. Er nam bald des Lasarus brieff, eylet damit zů seiner krancken gefatterin, der kindtbetterin, gab ir den brieff. Die erkant von stund an ihres herren geschrifft; sie empfieng auch ein semliche grosse freud darvon, das sie inn einer gůten zeit nit wust, was sie anfahen solte. Zůletst brach sie den brieff uff; darinn fand sie ein kostlichen ring, welchen ir Lasarus, ir gemahel, aus Hispanien geschicket hett. Sie nam den ring, kußte den zum offtern mal; darnach lase sie ires herren brieff. Des inhalt[173] war, sie solt frisch, frölichen und gůter dingen sein; die sach stünd wol umb sie beidsammen; so weren sie auch mit gůtem glückseligen wind in Hispanien kumen, das sie kein fortun nie bestanden hetten, weren deshalb gůter hoffnung, gott der almechtig würd in auch durch sein götliche hilff mit gnad und glück wider in Portugal helffen. Des inhalts was auch des Reicharten brieff.

Lucia aber nam von ires herren schreiben einen semlichen grossen trost und frewd, das sie in gar kurtzen tagen wider zů iren verlornen krefften kam und ward gantz frisch und gesund. Es haben auch Lasarus und Reichart heim geschriben, das sie jetzund nicht mer außzůrichten hetten und allein warten müsten, wann ein schiff in Portugal säglen wolt, darauff sie ir gůt mit in zů haus möchten bringen. Also habend sie die übrig zeit mit verlangen gewartet.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 172-174.
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